Bandits Kommentar: Die Oscar-Golden Globe-Gleichung

Als die Nomi­nie­run­gen für die sieb­zigs­ten Gol­den Glo­bes bekannt gege­ben wor­den sind, da berich­te­te man in Ame­ri­kas Pres­se aus­führ­lichst, aber auch mit dem not­wen­di­gen Augen­zwin­kern. Schon immer waren gewis­se Nomi­nie­run­gen äußerst frag­wür­dig und die Absich­ten der Hol­ly­wood For­eign Press Asso­cia­ti­on offen­sicht­lich gewe­sen. Und spä­tes­tens seit­dem THE TOURIST mit Ange­li­na Jolie und John­ny Depp 2010 drei Nomi­nie­run­gen erhal­ten hat­te, wäre ein dif­fe­ren­zier­te­rer Umgang von Sei­ten des deut­schen Qua­li­täts­jour­na­lis­mus zu erwar­ten gewe­sen. Süf­fi­sant berich­te­ten ame­ri­ka­ni­sche Bran­chen­sei­ten auch die­ses Jahr wie­der über die dies­jäh­ri­gen Ent­schei­dun­gen der 84-köp­fi­gen Jour­na­lis­ten­rie­ge der Hol­ly­wood For­eign Press Asso­cia­ti­on. War­um die aus­führ­li­che Bericht­erstat­tung den­noch anhält, erklärt sich zum einen aus dem Star-Rum­mel und zum ande­ren wegen des schö­nen Par­ty-Cha­rak­ters im Preise-Zirkus.

Deut­sche Online-Bericht­erstat­ter sehen das Gan­ze etwas nüch­ter­ner, aber auch kaum reflek­tiert. Die »Zeit« schrieb in ihrem Online-Text, dass die Gol­den Glo­bes tra­di­tio­nell als Baro­me­ter für die Aca­de­my Awards gel­ten wür­den. Aber halt, kei­ne deut­sche Qua­li­täts­sei­te hat den Begriff Aca­de­my Award benutzt, es ist ein­fach nur der Oscar. Stern-Online über­ti­tel­te sei­nen Bei­trag über die Gol­den Glo­be Nomi­nie­run­gen sogar mit »Stim­mungs­ba­ro­me­ter für die Oscars«, eine Lis­te der Nomi­nie­run­gen hat man aller­dings für nicht not­wen­dig befun­den, genau so, wie es sich mit der »Zeit« ver­hielt. Die Süd­deut­sche-Online ver­zich­te­te eben­falls auf die Lis­te, prä­sen­tier­te dafür unsin­ni­ger­wei­se eine Auf­zäh­lung der am häu­figs­ten nomi­nier­ten Filme.

Wer die Nomi­nie­run­gen der Aca­de­my Awards (!) mit denen der Gol­den Glo­bes abgleicht, muss doch ganz ein­fach sehen kön­nen, dass der Preis der Hol­ly­wood For­eign Press gar kein Stim­mungs­ba­ro­me­ter sein kann. Noch ein­fa­cher, oder eben schlim­mer, wird eine Gegen­über­stel­lung der Gewin­ner von Glo­bes und Nomi­nier­ten der Oscars. Da man berich­ten muss, wird eben berich­tet, und das mal mit schnell hin­ge­wor­fe­nen Unüber­legt­hei­ten. Spie­gel-Online gab sich am 13.12.2012 ganz seri­ös und wis­send. Der Autor ver­leiht sei­ner Sor­ge Aus­druck, dass sich die zwei­wö­chi­ge Über­schnei­dung von Glo­be- und Oscar-Nomi­nie­run­gen gegen­sei­tig beein­flus­sen wür­de. In Wirk­lich­keit wur­den zum Bei­spiel weder Ben Affleck noch Kath­ryn Bige­low oder gar Quen­tin Taran­ti­no für den Regie-Oscar nomi­niert, alle drei aller­dings für den Gol­den Glo­be, wobei Affleck für ARGO sogar als Gewin­ner her­vor­ging. Aber man kann sich ja täuschen.

Wei­ter­hin mut­maß­te Spie­gel-Online im sel­ben Arti­kel zu den Glo­be-Nomi­nie­run­gen aller­dings auch sehr bedau­ernd, dass BEASTS OF THE SOUTHERN WILD kom­plett über­gan­gen wur­de, der laut Ver­fas­ser gro­ße Chan­cen auf Oscars gehabt hät­te. Dazu wort­wört­lich: Ohne eine ein­zi­ge Nomi­nie­rung bei den Glo­bes erscheint das nun frag­lich. Doch BEASTS hat in den obers­ten Kate­go­rien vier Nomi­nie­run­gen für den Aca­de­my Award erhal­ten. Das ist ärger­lich für den Film­in­ter­es­sier­ten, der so etwas kon­su­miert und sich letzt­end­lich doch alles selbst zusam­men­rei­men muss, aber noch viel schlim­mer für den unbe­darf­ten Leser, der solch dar­ge­bo­te­nen Wis­sens­stand viel­leicht nicht nur ver­in­ner­licht, son­dern auch in die Welt hinausträgt.

Jetzt sind also die Gol­den Glo­bes ver­lie­hen, wer einen Preis erhal­ten hat, hat ihn auch ver­dient, was man von man­chen Nomi­nie­run­gen nicht behaup­ten konn­te. Es mel­den sich die deut­schen Sei­ten des Qua­li­täts­jour­na­lis­mus wie­der und kom­men­tie­ren zwar, dass sich die Nomi­nie­run­gen von Glo­bes zu den Oscars ganz anders ver­hal­ten. Das schreibt Spie­gel-Online genau­so wie die Online-Aus­ga­be der Süd­deut­schen. Alles ist anders, und doch ver­wei­sen am Ende ihrer Arti­kel Spie­gel-Online eben­so wie die Süd­deut­sche dar­auf, dass die Gol­den Glo­bes als Stim­mungs­ba­ro­me­ter für die Oscars gel­ten. Ja, das steht da tat­säch­lich. Dar­über hin­aus beschei­nigt man in der Süd­deut­schen der Haupt­dar­stel­le­rin-Gewin­ne­rin Jen­ni­fer Law­rence, mit HUNGER GAMES ihren Durch­bruch gehabt zu haben. Soll­te man nicht wis­sen, dass Law­rence die Rol­le in HUNGER GAMES erhal­ten hat, weil sie mit WINTERS BONE ihren Durch­bruch hat­te? Und wenn man es nicht weiß, viel­leicht lie­ber ein­mal gar nichts sagen? Das ist ärger­lich für den Film­in­ter­es­sier­ten, aber noch viel schlim­mer für den unbe­darf­ten Leser.

Im Übri­gen war die Preis­ver­lei­hung eine tol­le Show. Sehr wit­zig. Die Mode­ra­to­ren Tina Fey und Amy Poeh­ler waren zurück­ge­nom­men aber sehr unter­halt­sam und ori­gi­nell, und Robert Dow­ney Jr. erwies sich wie­der ein­mal als der sou­ve­räns­te Büh­nen­auf­tritt. Obwohl man noch län­ger über Jodie Fos­ters Dan­kes­re­de für den Cecil B. DeMil­le Award reden wird, die in unge­wöhn­li­chen, uner­war­te­ten Äuße­run­gen gip­fel­te. Das wäre doch auch ein­mal einen Bericht wert. Kei­ne Lari­fa­ri-Aus­füh­run­gen, mit abge­schrie­be­nen Plat­ti­tü­den und längst über­hol­ten Weis­hei­ten. Oder wie wäre es, sol­che Ereig­nis­se dann ein­fach ganz aus der deut­schen Pres­se­land­schaft des Qua­li­täts­jour­na­lis­mus zu las­sen? Die Ame­ri­ka­ner sind doch so ein gutes Bei­spiel, wie man so etwas jour­na­lis­tisch rich­tig angeht. Denn die wis­sen nicht nur um die frag­wür­di­gen Nomi­nie­rungs-Metho­den der Hol­ly­wood For­eign Press Asso­cia­ti­on und deren Beweg­grün­de, son­dern ihnen ist zudem auch bewusst, dass die­se Ver­lei­hung weni­ger als Preis eine Bedeu­tung hat, son­dern viel­mehr ihren Unter­hal­tungs­wert mit dem damit ver­bun­de­nen Star­auf­ge­bot samt sei­ner gla­mou­rö­sen Über­ra­schungs­mo­men­te zählt.

Per­sön­lich bin ich der Hol­ly­wood For­eign Press sehr dank­bar für eine unter­halt­sa­me, mit Über­ra­schun­gen gespick­ten Show, bei der man nicht alles ernst neh­men oder in einen kul­tu­rel­len Kon­text stel­len muss. Aber es ist eben ein Pro­blem des deut­schen Jour­na­lis­mus, der sich gera­de in den bür­ger­lich eta­blier­ten Publi­ka­tio­nen pro­du­ziert, dass man stets den unre­flek­tier­ten Gedan­ken eines nicht hin­ter­frag­ten Schrei­bers aus­ge­lie­fert wird. Die Dis­kre­panz zwi­schen Gol­den Glo­be- und Oscar-Nomi­nie­run­gen ist ein Fall für den inter­es­sier­ten Film­fan, nicht aber für die unvor­ein­ge­nom­me­ne Nach­rich­ten­kon­su­men­ten. Die sieb­zigs­ten Gol­den Glo­bes waren eine schö­ne Vor­stel­lung, ein tol­les Schau­lau­fen, eine gigan­ti­sche Wer­be­ma­schi­ne­rie, aber garan­tiert kein Stim­mungs­ba­ro­me­ter. Sol­che Äuße­run­gen sind ärger­lich für den Film­in­ter­es­sier­ten, aber noch viel schlim­mer für den unbe­darf­ten Leser.

Ban­dit

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