THE SESSIONS – wenn Filme berühren

THE SESSIONS – Bun­des­start 03.01.2013

In einer Sze­ne liegt der durch Kin­der­läh­mung bewe­gungs­un­fä­hi­ge Mark O’Brien in sei­ner eiser­nen Lun­ge und flüs­tert völ­lig gefasst und vor­be­rei­tet im Glau­ben, es sei­en sei­ne letz­ten Minu­ten, »so endet es also.« Es ist mit Abstand einer der bewe­gends­ten Sze­nen in THE SESSION, weil die­ser Film so erfri­schend frei und unkom­pli­ziert erzählt ist, dass einem das Unver­mö­gen sei­ner Figur sehr nahe­ge­bracht wird, ohne dass man durch Mit­leid mani­pu­liert wird. Ohne jede Sen­ti­men­ta­li­tät dür­fen wir an dem Leben eines Man­nes teil­ha­ben, der trotz aller extre­men Wid­rig­kei­ten das Leben zu schät­zen weiß. Es ist ein Film zum Stau­nen, Lachen und end­lo­sem Diskutieren.

Und wenn man uner­war­tet von Trä­nen über­mannt wer­den soll­te, dann bei Sze­nen wie der oben beschrie­be­nen. Nicht, weil sie dar­auf aus­ge­legt sind, son­dern weil man über­wäl­tigt wird, von der inne­ren Kraft die­ses Mark O’Brien.

Der selbst an Kin­der­läh­mung erkrank­te Regis­seur und Dreh­buch­au­tor Ben Lewin stieß durch Zufall auf die wah­re Geschich­te des Poe­ten und Jour­na­lis­ten Mark O’Brien, der trotz sei­ner eiser­nen Lun­ge sei­nen Abschluss in Ber­ke­ley mach­te. Mit 36 Jah­ren woll­te er end­lich auch zu einem rich­ti­gen Mann wer­den und beschloss, sei­ne Jung­fräu­lich­keit zu ver­lie­ren. Auch wenn Mark selbst kei­nen Teil sei­nes Kör­pers unter­halb sei­nes Hal­ses bewe­gen konn­te, war er manns­tech­nisch voll­kom­men ein­satz­fä­hig, und für drei bis vier Stun­den konn­te er sogar die eiser­ne Lun­ge ver­las­sen. Man spürt förm­lich, wie ver­traut Lewin mit die­ser Krank­heit ist, da er ele­gant wie er alle Aspek­te um O’Briens Behin­de­rung ein­bringt, ohne mit dra­ma­tur­gi­schen Tricks in der Insze­nie­rung zu arbei­ten. Auf gesam­ter Län­ge ruft Ben Lewins Regie Erin­ne­run­gen an Alex­an­der Paynes THE DESCENDANTS wach. Bei­des Fil­me, die eher humo­rig an trau­ri­gen Stel­len sind, und mensch­lich beein­dru­cken, wenn es lus­tig wird. Auch SESSIONS kommt ohne jeden gespiel­ten oder geschrie­be­nen Witz aus. Er macht Freu­de, weil man teil­neh­men darf, ver­ste­hen kann, aber nie­mals pein­lich berührt wird.

Das Ensem­ble ist beein­dru­ckend. Selbst bis hin­un­ter zu den sehr kur­zen Auf­trit­ten von Ming Lo sind die Leis­tun­gen alle­samt über­zeu­gend. Wobei Wil­liam H. Macy lei­der zuguns­ten von Helen Hunt etwas zurück­ge­nom­men wirkt. Hunt hat aber auch die mutigs­te aller Rol­len, die gera­de in den Schlüs­sel­sze­nen mit erschre­cken­der Natür­lich­keit aufs Gan­ze geht. Aber nichts geht über John Haw­kes gran­dio­ses Schau­spiel, der allein mit unglaub­li­cher Stimm­akro­ba­tik und ledig­lich mit Mimik sei­nen Mark ver­kör­pern muss, noch dazu da sein Gesicht in den meis­ten Sze­nen wegen sei­nes stets lie­gen­den Kör­pers schlecht aus­zu­ma­chen ist. Zwei­fel­los ist THE SESSIONS abso­lu­tes Wohl­fühl­ki­no, aber weder mit fal­schem Pathos noch mit über­stei­ger­ter Herz­lich­keit. Ben Lewin hat einen der ganz weni­gen wirk­lich mensch­li­chen Fil­me der ver­gan­ge­nen Jah­re gemacht. Und wenn man uner­war­tet von Trä­nen über­mannt wird, dann viel­leicht nicht weil es so insze­niert ist, son­dern weil man sich durch die Stär­ke von Mark O’Brien sei­ner eige­nen Schwä­chen bewusst wird.

THE SESSIONS
Dar­stel­ler: John Haw­kes, Helen Hunt, Moon Bloo­d­good, Wil­liam H. Macy, Anni­ka Marks, Adam Arkin, W. Earl Brown, Ming Lo u.a.
Regie & Dreh­buch: Ben Lewin nach dem Arti­kel von Mark O’Brien
Kame­ra: Geoff­rey Simpson
Bild­schnitt: Lisa Bromwell
Musik: Mar­co Beltrami
Pro­duk­ti­ons­de­sign: John Mott
zir­ka 95 Minuten
USA 2012

Pro­mo­fo­tos Copy­right Fox Search­light / 20th Cen­tu­ry Fox

AutorIn: Bandit

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