Was bleibt einem denn anderes übrig? Man kommt ja nicht umhin. Noch 161 Minuten zuvor ging man mit gemischten Gefühlen aus dem Kino, weitere 169 Minuten später sind die Gefühle eindeutiger. Aber gibt man dann gleich auf? Es heißt, die Hoffnung stirbt zuletzt, und so war es auch bei der HOBBIT-Trilogie. Und die Hoffnung stützte sich auf das, was einem schon SMAUGS EINÖDE so exaltiert präsentierte, nämlich das Spektakel. Die Titeländerung Anfang des Jahres nahm dann schon mit wenigen Worten vorweg, dass sich daran vielleicht nichts ändern würde. Was kann man also sagen, außer das Peter Jackson liefert, was er verspricht. Aber nach knapp acht Stunden in Mittelerde wird es endlich Zeit, nach Hause zu kommen. Und vielleicht einmal eine Weile dort zu bleiben.
Die Vorfreude war diesmal eine andere, eine kaum zu erklärende. Es wäre der endgültige Abschluss. Es würde hiermit enden. Als vor vierzehn Jahren die ersten Trailer zur dreiteiligen Kinosensation veröffentlicht wurden, bescheinigten Tolkien-Kenner anhand weniger Bilder, dass dies einen soliden, der Vorlage gerechten werdenden Eindruck mache. Und so sollte es auch sein, und noch viel mehr. Jackson fiel zuerst einmal dadurch auf, dass er dieses Mammutprojekt am Stück umsetzte. Ein bisheriges Novum in der Geschichte des Films, vor allem, wenn man das Budget von 330 Millionen Dollar betrachtete. Die Größe des Projekts, der technische Aufwand, die kinematographische Exzellenz, brachte sogar ein Publikum ins Kino, welches von Filmen dieses Genres eher Abstand nehmen würde, begeisterte und beeindruckte es. Ähnlich einer Vulkaninsel erhob sich die Welt von Mittelerde wie neu geboren. Sie war schon immer da, irgendwo unter den Wassern der Fantasy-Leser. Doch plötzlich für jedermann sichtbar, ragte sie über dem Wasserspiegel aller erfundenen Kino-Welten. Mittelerde war vom Genre-Klassiker zum populärgesellschaftlichen Phänomen mutiert. Auch, aber nicht nur, weil Peter Jackson seine Geschichte nach allen Regeln von Erzählstruktur auf den Punkt genau inszeniert hatte, sondern dabei noch mit epischen Effekten überzeugte, welche die reale Welt noch nicht gesehen hatte. Ganz zu schweigen von dem kaum zu überblickenden Detailreichtum in Kostüm und Ausstattung.
Elf Jahre nach dem Beginn dieses spektakulären Ereignisses kam der HOBBIT. Guillermo del Toro sollte Regie führen und wurde, wie zu erwarten war, von Peter Jackson abgelöst. Die geplanten zwei Teile wurden unvermittelt als Dreiteiler angekündigt und jeder interessierte Kinogänger wusste sofort, dass dies nur zur Gewinnmaximierung geschah, und nicht aus künstlerischen Überlegungen heraus. Das waren zwei Punkte, an denen sich die Filmwelt zu reiben begann. Guillermo del Toro hätte sicherlich einen neuen Blick auf Mittelerde eröffnet. Und ob das eher dünne Kinderbuch überhaupt zwei Kinofilme tragen könne wurde immer wieder angezweifelt. All die Zweifel bestätigten sich letztendlich, irgendwie. EINE UNERWARTETE REISE ließ einen skeptisch zurück, mit SMAUGS EINÖDE wurde es zur Gewissheit, die Filme konnten nichts mehr zur Faszination für Mittelerde beisteuern. Aber, hey, es ist eben Mittelerde. Ein Platz den man kennt, mit Figuren die man kennt, mit einer Dramaturgie die man längst inne hat. Keiner der Filme war wirklich langweilig, aber sie hatten Längen. Keiner der zwei Filme wiederholte Szenen aus der Ring-Trilogie, und dennoch kannte man alle Sequenzen. Der HERR DER RINGE war Abenteuerurlaub für Büroarbeiter, DER HOBBIT geriet zum Strandurlaub für Schicht arbeitende Stahlkocher.
DIE SCHLACHT DER FÜNF HEERE ist somit als abschließender Film der mit der undankbarsten Aufgabe geworden. An ihm wird sich die Trilogie messen lassen müssen, ob eine Trilogie tatsächlich gerechtfertigt war. Und man kann mit ruhigen Gewissen sagen, dass sich diese Trilogie nicht rechtfertigen konnte.
Man kann über die Filme letztendlich sagen was man will, aber sie stehen, und sind nicht gefallen.Aber es ist nicht Pippis Takatuka-Land und auch nicht Peter Lustigs Löwenzahn-Bauwagen, sondern Mittelerde aus der visionären Kraft eines Peter Jacksons, die mit seinen Kollaborateuren Fran Walsh und Philippa Boyens vom Buch ins Bildliche übersetzt wurde. Eine Welt entsprungen aus dem nach wie vor unglaublichsten Konglomerat von Computer-Spezialisten, Set-Designern, Kostümbildnern, Schauspiel-Ensembles, Lichttechnikern, Drehbuchautoren, Regisseur mit seinen Regie-Assistenten, Transport-Logistikern, oder Location-Scouts. Und natürlich Caterer, man darf nie das Catering vergessen. Eine Filmproduktion steht und fällt mit dem Catering. Und hier liegt das Problem der HOBBIT-Trilogie, sie hatten ein verdammt gutes Catering. Man kann über die Filme letztendlich sagen was man will, aber sie stehen, und sind nicht gefallen.
Es ist mit 144 Minuten der kürzeste Film der Reihe. Aber irgendwie auch der holprigste. In den zwei vorangegangenen Teilen sorgten ausgerechnet gewisse Längen für stimmige Übergänge und einen einheitlichen Fluss in den Szenen. Bei FÜNF HEERE glaubt man immer wieder gewisse Handlungspunkte versäumt zu haben. Auch wenn man nicht wirklich etwas verpasst hat, irritiert der Film durch seinen sprunghaften Szenenwechsel. Immer wieder wird sich das Publikum die Frage stellen, wo man sich gerade in den Handlung befindet. Das hat aber vor allem damit zu tun, das sich der Regisseur sich keineswegs um Logik bemüht zeigt. Es gibt gewisse Markenzeichen, und dazu gehören natürlich die Landschaftsüberflüge, bei denen Protagonisten möglichst in einer totalen Einstellung einen Bergkamm entlang laufen, die sich Peter Jackson nicht nehmen lässt. Und diese gegenläufig gefilmten Überflüge zeigt FÜNF HEERE noch häufiger, als all seine Vorgänger-Filme bisher. Es scheint dabei nur um das Bild an sich zu gehen, nicht um den Sinn. Denn da läuft ein ganzes Dorf von geschundenen, schwachen Menschen die steilsten Passagen einer Anhöhe hinauf, anstatt den im Hintergrund zu sehenden leichten Anstieg zu gehen. Immer und immer wieder.
Hier scheitert die HOBBIT-Trilogie im eigentlichen Sinne. Sie ist nur auf den Wiedererkennungseffekt aus und lässt alle Logik außen vor. Im wahren Leben unüberbrückbare Strecken, und vor allem Höhenmeter, werden ohne jede Rücksicht auf Glaubwürdigkeit leichten Fußes überwunden. Ständig laufen die Helden der Geschichte Berge hinauf, Berge hinunter, oder Strecken von unmenschlicher Länge – ohne weitere Bemühungen. Das Schlachtfeld ist weit mehr als nur ein Fußballfeld. Dennoch kein Problem für kleine, untersetzte Zwerge. Jackson hat wohl die Schauplätze festgelegt, nur legte er scheinbar keinen Wert darauf, wie die verschiedenen Handlungsort logistisch zu einander stehen. Das sorgt gerade in der Schlacht der fünf Heere immer wieder für große Verwirrung. Wo sind die Protagonisten gerade, und wie kommen sie überhaupt so schnell dahin. Und wer kämpft überhaupt für oder gegen wen? Ja, die FÜNF HEERE haben mit inszenatorischen Schwächen zu kämpfen, die sich für sich selbst gesehen ziemlich trivial ausnehmen. Aber im Gesamten sorgt die immer wieder verwirrende Sprunghaftigkeit innerhalb der einzelnen Szenenabfolgen für fragende Gesichter. Der plötzliche Sinneswandel eines bestimmten Charakters wird dabei sogar sehr unglaubwürdig, weil nicht nachvollziehbar.
Und deswegen ist FÜNF HEERE eben nicht der schlechte Film, der er eigentlich sein müssteAber warum ist FÜNF HEERE dennoch nicht der schlechte Film, der er eigentlich sein müsste? Ich war von Fantasy in diesem Stil nie groß beeindruckt gewesen. Doch aus seiner Opulenz und Selbstsicherheit heraus nahm mich DER HERR DER RINGE gefangen. Und vielleicht ist es genau das, weil ich irgendwie nicht von dem Einfluss dieses einen Ringes loskomme. Wieso ist Gollum wegen des Ringes verrückt geworden, aber Bilbo über Jahre hinweg nicht? Wieso verguckt sich Elbin Evangeline Lilly in einen zwei Köpfe kleineren Zwerg, wenn ihr die ganze Zeit Orlando Bloom hinterher rennt? Fragen die mich quälen, die bohren, die ich aber als unbeantwortet über mich ergehen lassen muss. Aufregend, monumental, einzigartig war der HERR DER RINGE. DER HOBBIT konnte schon gar nicht mehr einzigartig sein. Auch hier fallen Menschen, Elben, Orks und Zwerge viele, viele Meter in die Tiefe, ohne sich auch nur einer Kratzer zuzuziehen. Eigentlich hat DER HERR DER RINGE die selben Fehler gemacht, über die man allerdings gerne hinweg gesehen hat. Und deswegen ist FÜNF HEERE eben nicht der schlechte Film, der er eigentlich sein müsste. Er hat nur alles, was man alles schon des Öfteren gesehen hat. Wieder tun die Charaktere Dinge, die jeder Physik spotten. Das ist eben Jacksons Ding, der alles so inszenieren kann, dass man es einfach hinnimmt. Aber nicht resignierend, sondern duldend.
Die zweite Trilogie endet hiermit. Nicht so monumental und ausufernd wie seinerzeit DIE RÜCKKEHR DES KÖNIGS. Aber die ersten Fährten sind gelegt, die Vorzeichen klar erkannt, wohin das eigentliche Ende bei FÜNF HEERE führen würde. Ein Zirkelschluss. Irgendwie witzig, das jetzt erst DER HERR DER RINGE beginnen sollte, aber auch wieder irgendwie phantastisch, in allen Beziehungen dieses Wortes. Weder die eine noch die andere Trilogie hat mich dem Fantasy-Genre näher gebracht. Aber nach Mittelerde, auch wenn ich mich wieder wegen dieser kleinen Unstimmigkeiten ärgern würde, nach Mittelerde würde ich zwangsläufig wieder gehen. Was will man auch dagegen machen? Man kommt nicht umhin. Aber so schnell werden wir nicht mehr in die Verlegenheit kommen. Peter Jackson hat getan was er tun musste, und er hat getan, was er tun konnte. Man soll die Worte des Herrn nicht missbrauchen, aber:
DER HOBBIT – DIE SCHLACHT DER FÜNF HEERE
THE HOBBIT – BATTLE OF THE FIVE ARMIES
Darsteller: Martin Freeman, Ian McKellen, Luke Evans, Richard Armitage, Evangeline Lilly, Orlando Bloom, Cate Blanchett, Manu Bennett, Lee Pace, Hugo Weaving, Christopher Lee u.v.a.
Regie: Peter Jackson
Drehbuch: Guillermo del Toro, Fran Walsh, Philippa Boyens, Peter Jackson
Kamera: Andrew Lesnie
Bildschnitt: Jabez Olssen
Musik: Howard Shore
Produktionsdesign: Dan Hennah
Neuseeland – USA / 2014
Promofotos Copyright Warner Bros.
Ein Hit war:
»Wieso verguckt sich Elbin Evangeline Lilly in einen zwei Köpfe kleineren Zwerg, wenn ihr die ganze Zeit Orlando Bloom hinterher rennt?«
Kann dem Autoren mal jemand sagen, das sich zwischenmenschliche Beziehungen nicht nach Aussehen ergeben. Zwischen ihr und Legolas war halt von Anfang an kein Funke geflogen. Gerade das als Irreal und Fragwürdig herauszuheben, wundert doch sehr.
Auch sonst hatte ich die ganze Zeit das Gefühl, das Bandit einen anderen Film gesehen hat. Aber Geschmäcker sind ja zum Glück verschieden. Und Logik als Maßstab für Fantasy taugt eben nicht.
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Sehr geehrter Herr Fiedler,
vielleicht ist ihnen entgangen, worum es in diesem Kommentar (keine Rezension) ging. Es war meine persönliche Verwunderung darüber, dass sich für mich die Filmreihe totgelaufen hat, und ich dennoch sehr gerne in diese Welt zurück bin. Paradox, nicht wahr?
Und machen sie sich keine Sorgen, ich weiß, dass sich zwischenmenschliche Beziehungen nicht nach Aussehen ergeben. Sind aber Elben und Zwerge als zwischenmenschlich anzusehen?
Aber bei einem muss ich widersprechen. Auch wenn ich kein Verehrer von Fantasy bin, würde ich doch behaupten, dass auch hier Logik sein sollte. Natürlich eine Logik die gültig innerhalb dieser Welt ist. Dazu gehört eben auch, das die Figuren Dinge tun, die jeder Physik spotten.
»Wieso ist Gollum wegen des Ringes verrückt geworden, aber Bilbo über Jahre hinweg nicht?« Das wurde aber im HdR ziemlich deutlich erklärt – in Teil 3 um genau zu sein.
Gollum hatte den Ring WESENTLICH länger als Bilbo. Und auch Bilbo verfiel dem Ring immer mehr, wie man im ersten Film sah.
Von daher, hätte Bilbo den Ring nicht weitergegeben, dann wäre er auch zu einer Art Gollum geworden …
Äh. Nein. Sméagol hat Déagol gleich nach dem Ringfund getötet, danach hat er sich an seinen Verwandten für´s Herumstoßen gerächt, er wurde sofort korrumpiert, nicht erst nach hunderten von Jahren.