Bandits Editorial: DUNE

Bun­des­start 15.09.2021

Es dau­ert zir­ka drei Minu­ten. Nach einer kur­zen Ein­füh­rung über die His­to­rie des Wüs­ten­pla­ne­ten Arra­kis erscheint der Schrift­zug DUNE. Mit dem Zusatz »Part One«. Denis Ville­neu­ves schon im Vor­feld als Meis­ter­werk geprie­se­ne Adap­ti­on ent­puppt sich als zwei­ein­halb­stün­di­ge Mogel­pa­ckung. Hät­te man es wis­sen kön­nen? Selbst­ver­ständ­lich. Hät­te man es wis­sen müs­sen? Auf kei­nen Fall. Dem durch­schnitt­li­chen Ticket-Preis nach gerech­net, haben an den zwei Start­ta­gen welt­weit unge­fähr 840.000 Zuschau­er DUNE gese­hen. Die Fra­ge sei gestat­tet, wie vie­le die­ser Men­schen Nach­rich­ten aus dem Film­ge­schäft ver­fol­gen, regel­mä­ßig das Feuil­le­ton lesen, oder sich inten­siv mit einem zum Besuch anste­hen­den Film aus­ein­an­der­set­zen. Es geht hier nicht dar­um, mit wel­chen Emp­fin­dun­gen das Kino am Ende ver­las­sen wird, son­dern das Gefühl, wel­ches einen beschleicht, wenn der Film beginnt.

Beden­ken wer­den schnell aus dem Raum gebla­sen, weil Denis Ville­neuve eigent­lich genau das getan hat, was er immer tut: Sein Ding. Sich auf das Niveau zu bege­ben, ihn Visio­när zu nen­nen, ist eine heik­le Ange­le­gen­heit. Wie oft wer­den sol­che Begrif­fe zu leicht benutzt, gera­de wenn es eine Sache invol­viert, die wir beson­ders schät­zen. Frank Her­bert, der Wüs­ten­pla­net, Sci­ence Fic­tion, monu­men­ta­les Kino, und eben auch Ville­neuve. Aus rei­ner Vor­sicht geht es lie­ber einen Schritt zurück und argu­men­tiert, dass Denis Ville­neuve kla­re Vor­stel­lun­gen hat­te.

 

Eine kla­re Vor­stel­lung war, Frank Her­berts ers­ten Dune-Roman in zwei Tei­len ver­fil­men zu wol­len, um der Kom­ple­xi­tät der Geschich­te gerecht zu wer­den. Die­ser Umstand war dem Ver­fas­ser durch­aus bewusst, der hakt aber pro­vo­kant nach: wie vie­len Leu­ten war es das nicht? Nichts­des­to­trotz laden auch hier leicht miss­ver­ständ­li­che Aus- und Zusa­gen zu fal­schen Ver­mu­tun­gen ein. War­ner wird eine Fort­set­zung nur bewil­li­gen, wenn die Zah­len posi­tiv aus­fal­len. Und genau hier kommt man zu einem Punkt, mit dem man ein­fach hadern muss.

Der Film, die Beto­nung liegt auf dem Wort Film, könn­te so wie er sich momen­tan prä­sen­tiert, durch­aus zu Ende erzählt sein. Was aber eini­ge para­do­xe Situa­tio­nen mit sich brin­gen wür­de – und eine davon wäre, dass dem Roman ganz und gar nicht Rech­nung getra­gen wor­den wäre. Einem Roman, der zu die­ser Zeit noch immer nicht gele­sen wur­de. Was aber auch nicht von Bedeu­tung ist. Ein Buch ist schließ­lich ein ande­res Medi­um, das eine völ­lig ande­re Gewich­tung auf die unter­schied­li­chen Rei­ze legt, wel­che ange­spro­chen wer­den. Ver­eh­rer des Schrift­stel­lers, des Buches, der gan­zen Rei­he, wer­den ganz anders auf den Film reagie­ren, als ein cine­phi­ler Nerd.

 

DUNE ist bild­ge­wal­tig und ein Beleg, was Kino in den rich­ti­gen krea­ti­ven Hän­den aus­macht. Ein Beleg, wo Macher ihr Hand­werk ver­ste­hen, wenn sie ihr Werk­zeug zu nut­zen ver­ste­hen. Wenn auf der sel­ben Lein­wand Nah­auf­nah­men von Gesich­tern nicht erschla­gen und sich der Zuschau­er zeit­gleich in Pan­ora­ma-Ein­stel­lun­gen ver­lie­ren kann. An die­ser Stel­le, wie an ande­ren Stel­len auch, sind Ver­glei­che zu David Lean mehr als ange­bracht. Da ritt der­einst in einer unge­schnit­te­nen fes­ten Tota­len, Peter O’Toole als win­zi­ge Figur fast zwei Minu­ten auf einem Kamel von links nach rechts durch die Wüs­te und der Zuschau­er wird ein Teil davon. Das wagt ein Denis Ville­neuve noch nicht. Doch es gibt vie­le Momen­te, da erschaf­fen Greif Frasers Auf­nah­men ein ähn­lich monu­men­ta­les Gefühl. Die­ses Gefühl, nicht, dass der Mensch unbe­deu­tend wäre, aber wo genau sein Platz in der uni­ver­sel­len Hier­ar­chie ist.

Die Ambi­ti­on den Wüs­ten­sand und das umkämpf­te »Spi­ce« mit sei­nen kräf­ti­gen Braun- und Gold­tö­nen her­vor­zu­he­ben ist unmiss­ver­ständ­lich. Aber es erschließt sich die künst­le­ri­sche Absicht nicht, war­um der Groß­teil der Sze­nen so extrem von Far­ben ent­sät­tigt ist und der Kon­trast merk­lich redu­ziert wur­de. Dass es dabei auch ver­ein­zelt zu Sze­nen kommt, die schein­bar nur aus Grau­tö­nen bestehen, ist sehr scha­de, weil dadurch die epi­sche Band­brei­te viel von ihrer opti­schen Wir­kung ver­liert. Bei Ville­neu­ves fabel­haf­ten ARRIVAL war das ähn­li­che Farb­kon­zept ein dra­ma­ti­sches Ele­ment in Ver­bin­dung mit dem Schick­sal der Haupt­fi­gur, was bei DUNE über­haupt nicht gege­ben wäre. Wie das Kame­ra­kon­zept wesent­lich reiz­vol­ler umge­setzt wur­de, zeigt BLADE RUNNER 2049, wo Ville­neuve sei­ne visu­el­len Vor­lie­ben noch ein­dring­li­cher ver­folg­te.

 

Beson­ders tief­grei­fend ist die Hand­lung nicht, folgt eher einer obli­ga­to­ri­schen Hel­den-Geschich­te. Doch wie vie­le diver­se sozio­lo­gi­sche und reli­giö­se Aspek­te hin­e­inflie­ßen ist fas­zi­nie­rend. Es ähnelt einem abs­trak­ten Puz­zle, wie sich im Film poli­ti­sche Sys­te­me zusam­men­set­zen und reli­giö­se Struk­tu­ren abzeich­nen. Denkt man etwas wei­ter sind die hier dar­ge­stell­ten Ver­men­gun­gen bereits heu­te gar nicht mehr so unwahr­schein­lich. Und DUNE spielt über 8000 Jah­re in unse­rer Zukunft. Dass die hier vor­geb­lich gute Sei­te ganz kla­re ara­bi­sche Ein­flüs­se auf­weist ist aller­dings heu­te weni­ger pro­vo­kant als in den Erschei­nungs­jah­ren des Romans Mit­te der Sech­zi­ger.

Doch viel mehr als über die gut gemein­ten intel­lek­tu­el­len Absich­ten der Geschich­te und ihren Hin­ter­grün­den, freut sich unser­ei­ner, wie viel KRIEG DER STERNE es in die­sem Film zu ent­de­cken gibt. Da ist die Schwes­tern­schaft der Bene Ges­se­rit als Jedi-Ver­schnitt, einen Impe­ra­tor, der unschein­ba­re Jun­ge, der zum Hel­den auf­steigt, und und und, nicht zu ver­ges­sen die Fre­men als Sand­leu­te, auf einem Wüs­ten­pla­ne­ten ähn­lich Tatooi­ne. Für jeman­den, der KRIEG DER STERNE in einem Alter gese­hen hat, als er am emp­fäng­lichs­ten für media­le Beein­flus­sung war, igno­riert man ger­ne und kon­se­quent, wie Geor­ge Lucas immer betont hat­te, was für eine Inspi­ra­ti­on DUNE für EPSIODE 4 war.

 

Aller­dings gibt es den ekla­tan­ten Unter­schied, dass KRIEG DER STERNE die ein­gän­gi­ge­re Film­mu­sik hat. Hans Zim­mer stand sei­nen Kum­pa­nen Chris­to­pher Nolan für TENET nicht zur Ver­fü­gung, weil ihm DUNE eine ech­te Her­zens­an­ge­le­gen­heit war. Her­aus gekom­men ist eine für den Film pas­sen­de der Atmo­sphä­re ange­mes­se­ne musi­ka­li­sche und tona­le Unter­ma­lung. Bit­te­re Iro­nie aller­dings, dass sich die­se in Stim­mung und kon­zep­tio­nel­ler Umset­zung kaum von Lud­wig Gör­ans­sons TENET-Sound­track unter­schei­det.

Und trotz sei­ner epi­schen Aus­ma­ße fehlt Denis Ville­neuve ein wenig der Mut, mit kon­ven­tio­nel­len Insze­nie­rungs­merk­ma­len zu bre­chen. Auf­fal­lend ist das vor allem bei den Mann-gegen-Mann-Kampf­sze­nen, die im klas­si­schen Sin­ne durch den Schnitt ihre Dyna­mik gewin­nen. Obwohl die Dar­stel­ler wochen­lang die Cho­reo­gra­fien geübt haben. Ganz sicher ist DUNE ein Film, für den gro­ße Film­thea­ter gebaut wur­den. Zwei­fel­los macht er Ein­druck, dass man ihm das mit der Mogel­pa­ckung ger­ne nach­se­hen wür­de. Auf jeden Fall muss mit einem noch lan­ge nicht geneh­mig­ten zwei­ten Teil gezeigt wer­den, dass der wei­te­re Ver­lauf der Geschich­te eine der­ar­tig aus­ufern­de Lauf­zeit tat­säch­lich recht­fer­tigt. Denn ohne Län­gen ist DUNE nicht. Und als Fil­me­ma­cher soll­te auch ein Denis Ville­neuve nicht sein Publi­kum über­for­dern.

DUNE
Dar­stel­ler: Timo­thée Cha­l­a­met, Rebec­ca Fer­gu­son, Oscar Isaac, Josh Bro­lin, Stel­lan Skars­gård, Dave Bau­tis­ta, Zen­da­ya, David Dastmalchian,Jason Mom­oa, Javier Bar­dem, Ste­phen McKin­ley Hen­der­son, Chang Chen u.a.
Regie: Denis Ville­neuve
Dreh­buch: Jon Spaihts, Eric Roth, Denis Ville­neuve
Kame­ra: Greif Fraser
Bild­schnitt: Joe Wal­ker
Musik: Hans Zim­mer
Pro­duk­ti­ons­de­sign: Patri­ce Ver­met­te
Kana­da – USA /​ 2021
153 Minu­ten

Bild­rech­te: WARNER BROS

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