DUNE – Deutschlandstart 16.09.2021
Es fing schon vielversprechend an: Üblicherweise nutze ich die kurze Entfernung zum Kino meiner Wahl und gehe die zehn Minuten zu Fuß, dann kommt man mal an die frische Luft. Heute gab es allerdings auf dem Weg einen Wolkenbruch, bei dem es Hunde und Katzen regnete und mein nicht eben kleiner Schirm nur begrenzt hilfreich war. Deswegen habe ich mir einen Film über einen Wüstenplaneten klatschnass angesehen. Auch irgendwie ironisch …
Es ist ein Herzensprojekt für Regisseur Denis Villeneuve – und wie das so ist mit Herzensprojekten im Bereich Film gibt es in aller Regel zwei Optionen: es wird grandios – oder es wird grandios verkackt. Frank Herberts DUNE (deutsch: DER WÜSTENPLANET) aus dem Jahr 1965 ist für die Science Fiction etwas ähnliches wie DER HERR DER RINGE für die Fantasy: Ein Klassiker, ein definierendes Werk, das zumindest im Fandom wohl jeder kennt, aber durchaus auch darüber hinaus bekannt ist. Zudem ist der Stoff für etliche aus diesem Fandom so etwas wie der heilige SF-Gral, an den man entweder nicht rühren sollte oder der selbstverständlich nur nach den eigenen Erwartungen und Vorstellungen umgesetzt werden darf (und bei manchen sind diese Jahrzehnte alt). Das schafft natürlich völlig überhöhte Erwartungen an einen Kinofilm – oder eine Duologie.
Vorweg: Zuschauerinnen die aufgrund der Trailer in diesen Streifen gehen und einen Actionfilm erwarten, werden garantiert enttäuscht, denn der Vorgucker ist Etikettenschwindel reinsten Wasser, sicherlich initiiert durch Studio und Verleiher.
Eingeweihte kennen Denis Villeneuve nicht zuletzt durch seine BLADE RUNNER-Fortführung mit dem Titel BLADE RUNNER 2049, außerhalb des Genres mag man sich an SICARIO erinnern. 2049 floppte an der Kinokasse, aber das lag weniger an der stylishen Umsetzung, als vielmehr daran, dass es eben ein intelligenter SF-Film im Geist des Vorgängers war, der der Ottonormalkinogängerin schwer im Magen und noch viel mehr im Hirn gelegen haben dürfte. Schwere Kost. Ein Misserfolg an den Kinokassen ist deswegen absolut nicht gleichbedeutend damit, dass es sich um einen schlechten Film handelt, eher im Gegenteil.
Jedenfalls dürfte nicht zuletzt seine Arbeit an BLADE RUNNER 2049 mit ein Grund dafür gewesen sein, dass man ihm das Projekt einer neuen filmischen Umsetzung von Frank Herberts Roman anvertraute, zumal das eben – wie bereits angedeutet – das Projekt war, das Villeneuve »schon immer« machen wollte.
Wenn ein Begriff für DUNE zutrifft, dann ist das wohl »Monumentalfilm«. Es wird definitiv nicht mit monumentalen, epischen, überlebensgroßen Szenerien und Einstellungen gespart, wie sich das für dieses Thema und die filmische Umsetzung der Vorlage selbstverständlich auch gehört. Raumschiffe sind gigantisch, Bauten sind brutalistisch anmutende Riesengebilde. Doch immer wieder wird der Gigantismus auch mit kleinen Szenerien und zum Teil völlig anachronistisch wirkenden Details wie geradezu altertümlich und gealtert wirkenden Einrichtungen beispielsweise aus Holz konterkariert. Der Gigantismus und seine Gegendarstellungen unterstreichen sehr schön, dass wir es hier mit einem Jahrtausende alten, gewachsenen Imperium zu tun haben, in dem die Häuser eine Geschichte haben.
Auch in der Darstellung der Häuser führt man das fort. Wirkt die Bekleidung der Mitglieder des Hauses Atreides bekannt und beinahe zu nah an unserer Zeit, ist das bei den Harkonnens völlig anders, die gehen auch in ihren Outfits full frontal SciFi und es ist nicht schwer zu erraten, wer hier die Guten und die Bösen sind.
Man kann sich der gesamten Darstellung dieser fernen Zukunft beim Ansehen nicht entziehen, denn die vielen scheinbaren Widersprüche machen den Gigantismus und die darin herumstolpernden Menschen sehr nachvollziehbar und irgendwie »echt«.
Erstaunlich auch, wieviel Detailreichtum man sogar in Umgebungen investiert hat, die im Film nur kurz als Schauplätze in Erscheinung treten. Ich nehme, an, dass das zumindest in Teilen den Errungenschaften moderner Computergrafik zu verdanken sein dürfte.
Ich denke, dass ich der geneigten Leserin sicherlich nichts über den Plot erzählen muss, den der Film ausbreitet. Kennen wir. Wissen wir. Und deswegen ist es wichtig zu berichten, dass Villeneuve dem alten und vor allem altbekannten Stoff trotzdem viel Frische entlocken konnte und die Länge von zwei Stunden 35 Minuten nicht gegen DUNE arbeitet – und das sogar, obwohl es sich eben NICHT um den in den Trailern angekündigten Actionstreifen handelt, sondern um einen Film, der sich immer wieder viel Zeit für Charakterdarstellung und ‑Entwicklung gibt; ebenso werden Zusammenhänge vor der Zuschauerin ausgebreitet. Aber das alles in dermaßen cleverer und sauber aufbereiteter Form, dass man gebannt an der Leinwand hängen muss.
Wenn dann mal Actionsequenzen kommen, dann sind die in aller Regel entweder sehr nah an einer der Figuren, oder das genaue Gegenteil, nämlich ebenfalls von Gigantimus geprägt. Auch das sorgt natürlich für Abwechslung und verringert die Gefahr, dass sich der erste Teil dieser Duologie um den ersten DUNE-Roman mit seiner Spielzeit Längen erlaubt. Das tut er nicht und das finde ich äußerst erfreulich. ich hatte zuvor etwas Bedenken, aber das mag David Lynchs Version aus den 1980ern geschuldet sein, die ich damals im Kino sah und persönlich für überbewertet halte. Deswegen finde ich es auch ausgesprochen wohltuend, dass man gar nicht erst versucht hat, den Ziegelstein von Buch in einen Film zu pressen.
Bei der bemerkenswerten Besetzung von DUNE bis in Nebenrollen hinein, muss man eigentlich über die schauspielerischen Leistungen der Darsteller keine Worte verlieren. Und dann ist da noch Timothée Chalamet in der Hauptrolle als Paul Atreides, der Kwisatz Haderach, der Auserwählte, der Prophezeihte und was weiß nicht noch alles. Der liefert eine wirklich bemerkenswerte und vor allem glaubwürdige Performance ab, die alle Unkenrufe im Vorfeld, er sei zu jung, verstummen lassen dürften. Ebenfalls bemerkenswert ist die Entwicklung der Darstellung im Verlauf des Films, während der er charismatischer zu werden scheint. Ich hatte ein wenig befürchtet, dass er die meiste Zeit damit beschäftigt sein würde, bedeutungsschwanger in die Kameras zu starren, das war glücklicherweise in dieser Form völlig unbegründet, selbst wenn er bisweilen bedeutungsschwanger in die Kamera blickt. Aber eben im passenden Moment.
Hätte ich einen Kritikpunkt wäre das vermutlich Hans Zimmers Musik. Die ist in weiten Teilen eigentlich keine, sondern konzentriert sich zu oft auf Gedröhne, Getrommel oder Tribal-Gesänge. Melodien oder ein echtes Thema sucht man leider vergeblich. Zwischendurch vernimmt man auch mal Synthesizer-Klänge, die sich irgendwie nach 70ern oder 80ern anhörten und ich musste im Abspann verblüfft den Namen Klaus Schulze lesen. Ich vermute, dass Zimmer sich von Schulzes Album DUNE aus dem Jahr 1979 nicht nur hat inspirieren lassen, sonst würde der Name wohl nicht auftauchen. Dennoch: mag der Soundtrack dem Film auch angemessen sein, persönlich wünsche ich mir insbesondere bei einem derart episch-monumentalen Streifen mit dieser Strahlkraft und der Bedeutung für das Genre mindestens ein erkennbares Thema und an der Stelle verfehlt Zimmer leider, wie es die Komponisten in Hollywood in den vergangenen Jahren leider zu oft tun.
Es ist für mich schwer, vorherzusagen, ob DUNE ein Erfolg werden wird. Eigentlich hat er alle Zutaten dazu und er ist in meinen Augen zudem eine Umsetzung, die der Vorlage mehr als gerecht wird und sie mit den filmischen Mitteln des 21. Jahrhunderts adäquat in dieses 21. Jahrhundert transportiert. Es bleibt abzuwarten, ob die stellenweise Villeneuve-typisch gemächliche Herangehensweise and die Inszenierung den Geschmack der durchschnittlichen Kinozuschauerin treffen wird. Anzumerken wäre auch, dass man fast vollständig darauf verzichtet, die überbordende Epik und Dramatik mit Humor zu durchbrechen – das ist so der literarischen Vorlage natürlich nur angemessen, könnte aber vielleicht Kinobesucherinnen verschrecken.
Zu wünschen wäre ein zweiter Teil unbedingt, denn DUNE hört mitten in der Geschichte auf und die Fortsetzung wird nur dann realisiert werden, wenn der erste an den Kinokassen erfolgreich ist. Hoffen wir, dass möglichst viele den Signalen der Wurmklopfer folgen werden. Auf der anderen Seite wurde bereits eine DUNE-Fernsehserie von Villeneuve mit dem Titel DUNE: THE SISTERHOOD angekündigt, die sich um die Bene Gesserit dreht, deswegen würde ich mal davon ausgehen, dass man an einen Erfolg glaubt.
Das Spice muss fließen!
Deswegen: Geht! Ins! Kino! Großartiger Film.
DUNE
Besetzung: Timothée Chalamet, Timothée Chalamet, Oscar Isaac, Jason Momoa, Josh Brolin, Stellan Skarsgård, Zendaya, David Dastmalchian, Dave Bautista, Javier Bardem, Charlotte Rampling, Stephen McKinley Henderson, Sharon Duncan-Brewster, Chen Chang u.v.a.m.
Regie: Denis Villeneuve
Drehbuch: Jon Spaihts, Eric Roth und Denis Villeneuve
Produzenten: Cale Boyter, Joseph M. Caracciolo Jr., Mary Parent, Denis Villeneuve
Ausführende Produzenten: Herbert W. Gains, Joshua Grode, John Harrison, Brian Herbert, Kim Herbert, Tanya Lapointe, Byron Merritt, Richard P. Rubinstein, Jon Spaihts, Thomas Tull
Kamera: Greig Fraser
Schnitt: Joe Walker
Musik: Hans Zimmer
Produktionsdesign: Patrice Vermette
Casting: Jina Jay, Francine Maisler
155 Minuten
USA 2021
Promofotos Copyright Warner Bros.
Da bin ich mal sehr gespannt!
Der Soundtrack ist bei der 1984 Version ja schon nicht schlecht, sehr mag ich auch die Version vom ersten Dune Spiel von Cryo in der Komposition von Stéphane Picq, gibt es auch als nicht nur Adlib sondern CD Version. Schade wenn das ein Hans Zimmer nicht toppen kann.
Ansonsten freue ich mich auf mehr als nur einen Nachfolgefilm, es gibt ja einige Bücher (die ich dadurch vielleicht endlich auch mal lesen werde) und ein durchaus interessantes Universum das indirekt viel beeinflusst hat.
Unvergessen bleibt auch mit Dune 2 der Urvater aller Echtzeitstrategiespiele. Daher kenne ich die namen der ganzen Fahrzeuge, Orte und Häuser und werde mich im Kino wohl direkt zuhause fühlen.