WONDER WOMAN 1984 – Sky ab 18.02.2021
Spoiler sind schlecht. Wenn sie nicht zu vermeiden sind, ist es um so schlechter. Um Nachsicht wird dennoch gebeten.
Vierzig Jahre verbringt Diana Prince nun schon ihre Zeit in unserer Welt, immer noch einsam, ihrer tapferen Liebe Steve Trevor nachtrauernd. Es ist tatsächlich eine berührende Szene, wie sie abends alleine in einem Restaurant an der Straße sitzt, während um sie herum verliebte Pärchen in trauter Zweisamkeit tuscheln und turteln. Bis zu dieser Szene ist noch ein bisschen, weil der Film in Themyscira beginnt, jene wundervolle, abgeschottete Insel der Amazonen. Die kindliche Diana nimmt an einem Wettstreit von erwachsenen Kämpferinnen teil, und verliert fast selbstredend. Für gewöhnlich dienen solche Rückblenden um Schwächen, Charakterzüge oder gar Traumata einer Figur darzulegen, denen im späteren Handlungsverlauf eine signifikante Rolle zukommen. Doch nicht in diesem Film. Hier ist die Rückblende reiner Selbstzweck.
Ein Film hat dann ein Problem, wenn er mit seinen Stärken hausieren geht. Man muss wirklich nicht weit schauen, um Beispiele zu finden, wie selbstverständlich, unterhaltsam und unaufdringlich Filme sein können, die von Frauen mit Frauen über Frauen gemacht sind. WONDER WOMAN 1984 gehört zweifellos nicht dazu, wenn er ständig vor sich her trägt, wie das Weltbild von Männern aussehen sollte, damit sie dieser Film eines Besseren belehren kann.
Bereits mit dem Anfang im Einkaufszentrum sind viele Szenen darauf ausgelegt hervorzuheben, dass es für einen männlichen Helden selbstverständlich wäre, hier aber eine Frau das Sagen hat. Damit verdreht sich die Absicht ins Gegenteil. Denn die Selbstverständlichkeit sollte gerade darin liegen, dass es unerheblich ist wer den Job erledigt, solange er mit größtmöglichen Unterhaltungswert für den Zuschauer gemacht wird.
Das Klischee des von ihrem Umfeld verkannten grauen Mäuschens, das zum heißblütigen Supervamp mutiert, ist im Ansatz von Frauenpower ebenfalls nicht hilfreich. Die Entwicklung von Gemmologin Barbara Minerva zu Wonder Womans Erzfeindin Cheetah könnte in etwa die Comic-Vorlage treffen, filmisch wirkt das gezeichnete Frauenbild allerdings arg überholt.
Wobei man hervorheben muss, dass Kristen Wiig ihre Rolle mit umwerfenden Charme ausfüllt. Ihr exzellentes Timing und die perfekte Balance zwischen feinsinnigem Humor und treffender Melancholie beweist erneut ihre oft unterschätzten Fähigkeiten als ernstzunehmende Darstellerin. Dass sie für ihre Rolle auch noch die perfekte Physiognomie mit einbringt, kommt der angedachten Entwicklung der Figur sehr entgegen.
Den Film im Jahre 1984 spielen zu lassen hat einige hervorstechende Gründe. Der eine ist natürlich, dass sich der Unterton der Geschichte als Ausprägung der Reagan-Ära verstehen sehen möchte. Machtdemonstration, Wirtschaftsstreben, Eigennutz und Wertekonservatismus. In Gestalt des scheiternden Unternehmers Maxwell Lord funktioniert diese Versinnbildlichung nur bedingt. Er lässt sich auch kein tieferer Sinn hinter dieser zeitlichen Referenz ausmachen, und auch keine in solchen Fällen gerne bemühte Metapher erkennen.
Wenn Pedro Pascal in ansteckendem Überschwang seinem Maxwell Lord freien Lauf lässt, dann ist das ansteckend und auf absurde Weise komisch, aber gleichzeitig bedauernswert. Doch sein Charakter verkommt in nur wenigen Szenen zu einer nicht mehr ernst zu nehmenden Karikatur. Ihm hat es der sogenannte Traumstein angetan, der jedem einen Wunsch erfüllen kann. Ohne dies zu wissen, werden auch Diana a.k.a. Wonder Woman und Barbara Minerva Begünstigte des zauberhaften Kristalls.
Als Jahr macht es 1984 auch zeitlich möglich, zukünftigen Verbündeten aus dem Weg zu gehen. Einem überflüssigen aber zu erwartenden Auftritt von Batman oder Superman wurde somit entgegen gewirkt. Dafür gibt es einige amüsante Szenen, welche die seinerzeitige Mode ins Visier nehmen. Viel mehr weiß die Inszenierung allerdings nicht mit den Gepflogenheiten dieser Zeit anzufangen. Was allerdings auch das geringste der Probleme von WW84 ist.
WONDER WOMAN 1984 ist ein Superheldenfilm, der aus der Flut von anderen Superheldenfilmen und dem eigenen Vorbild nichts gelernt hat, sondern nur wiederholt. All die zusammengewürfelten Versatzstücke und gut gemeinten Schauwerte lassen Souveränität und eine eigenständige Ästhetik vermissen. Schon die erste Action-Sequenz in einem Einkaufszentrum rechtfertigt sich nur mit einer unendlich scheinenden Anzahl von akrobatischen Heldenposen, die über zehn Minuten inszeniert ist, wo eine Figur wie Diana Prince keine dreißig Sekunden beschäftigt sein dürfte.
Doch es fehlt auch ein inszenatorischer Fluss, der homogen seine Handlungselemente zusammenhält. Mit reflexartigen Szenenwechsel bleibt ständig ein Gefühl, etwas verpasst zu haben. Minervas Wandlung zu Cheetah ist erklärt, aber nicht schlüssig. Auch das Chaos, das Lord mit dem Besitz des Traumsteines entfacht, kommt viel zu überraschend. Die Auswirkungen seines Handelns sind Katastrophen und Unruhen, am Schluss sogar, wen wird es überraschen, das Ende der Welt.
Wenn das Gute am Ende triumphiert, bleiben die dringlichsten Fragen unbeantwortet, weil es schleierhaft bleibt, wie sich die Zivilisation von dem Spektakel erholen soll, wo abertausende Menschen ihre ganz eigennützigen Wünsche erfüllt bekamen. Der Versuch einer Erklärung mit einem kleinen Jungen, der sich genau das richtige wünscht, ist gelinde gesagt dürftig. Ganz sicherlich nicht stimmig. Mit nicht mehr nachvollziehbaren, emotional überspitzten Szenen versucht man sich aus der Erklärungsnot zu mogeln.
Was man wirklich in Patty Jenkins´ Inszenierung vermisst, ist der besondere, und zugegebenermaßen kaum zu beschreibende Reiz der mit dem ersten Teil einherging. Der tatsächlich dieses Attribut des so beschriebenen Frauenfilms atmete, ohne es emanzipatorisch zu überhöhen. Und ihm vor allen Dingen keine soziale oder politische Wertigkeit aufdrängte. Vor drei Jahren war es einfach nur eine Geschichte von einer Frau mit einer Frau über eine Frau. Was erst im Nachhinein von Zuschauern und Pressevertretern so vehement interpretiert worden war. Und plötzlich ist es selbst auferlegte Pflicht, die schon deshalb nicht wirklich funktioniert.
Nun auch in Deutschland zum Streaming-Dasein verdammt, stechen visuelle Effekte ins Auge, die unzeitgemäß anmuten und einen minderwertigen Eindruck machen. An dieser Stelle fehlt das Wissen, wie sich der Rechenprozess und Komprimierungsstandard zwischen Kinokopie und Streaming-Datei unterscheidet, oder sich die Abspieltechnik darauf auswirkt. Auf alle Fälle ist es ein Phänomen, dass bestimmte Film im Kino tadellos aussehen, während sie im heimischen Bereich irritierend schlecht rüber kommen. In diesem Sinne erkennt man auch bei WW84 sehr leicht die meisten Einstellungen die durch visuelle Effekte generiert wurden. An einigen Stellen so auffallend, dass hauptsächlich Nahaufnahmen an schlechte Rückprojektionen erinnern.
Von dem Gefühl und der Atmosphäre, dem entspannten Genuss von etwas Besonderem konnte kaum etwas wiederbelebt werden, und was man spürt ist lange nicht mehr so authentisch. Das ist irgendwie merkwürdig, aber auch sehr traurig.
WONDER WOMAN 1984
Darsteller: Gal Gadot, Pedro Pascal, Kristen Wiig, Chris Pine, Robin Wright, Connie Nielsen, Ravi Patel u.a.
Regie: Patty Jenkins
Drehbuch: Patty Jenkins, Geoff Johns, Dave Callaham
Kamera: Matthew Jensen
Bildschnitt: Richard Pearson
Musik: Hans Zimmer
Produktionsdesign: Aline Bonetto
151 Minuten
Großbritannien- Spanien – USA 2020
Bildrechte: WARNER BROS.