Bandit bespricht: ONCE UPON A TIME … IN HOLLYWOOD

e
Bun­des­start 15.08.2019

Vol­ler Stolz ver­kün­de­te Quen­tin Taran­ti­no in Can­nes, Brad Pitt und Leo­nar­do DiCa­prio wären das bes­te Lein­wand­duo seit New­man und Red­ford. Das mag in den Augen von Taran­ti­no so erschei­nen, dazu müss­te er aber selbst ein­mal Fil­me wie BUTCH CASSIDY AND THE SUNDANCE KID oder DER CLOU schrei­ben und insze­nie­ren. Das hat er bis­her nicht annä­hernd erreicht. Was Taran­ti­no in sei­ner Fil­mo­gra­fie fehlt, ist etwas Eigen­stän­di­ges, etwas ori­gi­nell Neu­es. Das kann man – mit viel gutem Wil­len – dem Fil­me­ma­cher bereits zuge­ste­hen. Das Eige­ne bei Taran­ti­no ist sein unend­li­cher Zita­ten­schatz, den er sich zusam­men­setzt wie ein Spiel mit Bau­klöt­zen. Bei ihm steht stets die Lie­be zu Film, des­sen Geschich­te und sei­ner Indus­trie im Vor­der­grund. Jetzt ist Hol­ly­wood also direkt an der Rei­he. Näher wird er der Traum­fa­brik wahr­schein­lich auch nicht mehr kom­men. Eben­falls in Can­nes soll er gesagt haben, ONCE UPON A TIME … IN HOLLYWOOD wäre sein Magnum Opus.

Can­nes, der groß her­auf beschwo­re­ne Rit­ter­schlag für jeden Film. Wer ste­hen­de Ova­tio­nen in Can­nes erhält, muss auto­ma­tisch ein Meis­ter­werk erschaf­fen haben. Meist sind es aber auch Fil­me, die sich nicht gera­de als Kas­sen­ma­gne­ten bewei­sen. Quen­tin Taran­ti­no kann das nicht pas­sie­ren. Es scheint, also ob jeder sei­ner Fil­me schon wäh­rend der Vor­pro­duk­ti­on zum Meis­ter­werk mit Block­bus­ter-Qua­li­tä­ten her­an­wächst. Die Pres­se tut ihr Übri­ges, soll­te Taran­ti­no an einem Punkt etwas falsch gemacht haben, wird an ande­rer Stel­le dar­über hin­weg gelobt. Das sind alles sehr sub­jek­ti­ve Ein­drü­cke, selbst­ver­ständ­lich. Doch auf­fal­lend, dass nega­ti­ven Kri­tik­punk­ten immer ein »aber« folgt. Bei ONCE UPON A TIME wur­de posi­tiv ange­merkt, dass Taran­ti­nos sehr lan­ge, teil­wei­se absur­de, Dia­log­mo­men­te, wesent­lich kür­zer aus­fal­len. Bei vor­an­ge­gan­ge­nen Fil­men waren die­se Sze­nen immer wie­der die Kri­ti­ker­lieb­lin­ge.

Ohne Zwei­fel ist der Film eine Aus­stat­tungs­or­gie ohne­glei­chen. Pro­duk­ti­ons­de­si­gne­rin Bar­ba­ra Ling hat einen äußerst undank­ba­ren Job über­nom­men, den sie aber mit unver­gleich­li­cher Bra­vour meis­ter­te. Ob Film­pos­ter, gemal­te Pla­kat­mo­ti­ve, Neon­re­kla­me, gan­ze Häu­ser­fas­sa­den, Kino­ein­gän­ge, Stra­ßen­zü­ge mit zeit­ge­mä­ßen Auto­mo­bi­len und sogar eine zwei­stün­di­ge Sper­re des Free­ways 101, eine der wich­tigs­ten Ver­kehrs­ver­bin­dun­gen im Groß­raum Los Ange­les. Im Film ist es 1969 und ent­spre­chend ist der Auf­wand, Din­ge in ein Set­ting zu brin­gen und auf­ein­an­der abzu­stim­men, die für man­che noch bekannt sind, und ande­ren sehr fremd vor­kom­men müs­sen. Robert Richard­son war durch­weg gefor­dert, mit sei­ner Kame­ra eigen­wil­li­ge Ein­stel­lun­gen zu fin­den, um die Dar­stel­ler wie durch Zufall an einer iko­ni­schen Fas­sa­de, oder damals aktu­el­len Pla­kat­mo­ti­ven vor­bei zu füh­ren. Dass der Hang und Drang zur Detail­be­ses­sen­heit von Taran­ti­no aus­geht, ist dabei unschwer zu über­se­hen. Die ste­ten, bis­si­gen Sei­ten­hie­be auf Italowes­tern, die der Fil­me­ma­cher in Wirk­lich­keit so bewun­dert, sind nur ein eher zurück­hal­ten­der Hin­weis.

Über die Hand­lung von ONCE UPON A TIME … IN HOLLYWOOD wird man viel dis­ku­tie­ren kön­nen. In ers­ter Linie ist es die Geschich­te von Rick Dal­ton, einem Schau­spie­ler, der lang­sam in die zwei­te Liga abrutscht. Erst an zwei­ter Stel­le, aller­dings stets domi­nie­rend, bewegt sich Cliff Booth, Dal­tons Stunt-Dou­ble und bes­ter Freund. Wie bei­de Män­ner tat­säch­lich mit­ein­an­der ver­bun­den sind, kann man nur erah­nen. Was auch am meis­ten Spaß berei­tet, denn die stän­di­gen Job-Absa­gen für Cliff, haben wohl mit einem dunk­len Punkt in sei­ner Ver­gan­gen­heit zu tun. Inwie­weit Rick Dal­ton dar­in ver­wi­ckelt ist, dar­über lässt sich nur spe­ku­lie­ren. DiCa­prio spielt Dal­ton als Ner­ven­bün­del, das mit Über­heb­lich­keit sei­ne Unsi­cher­hei­ten ver­ber­gen möch­te, und gera­de dar­an schei­tert. Brad Pitt hin­ge­gen scheint ein­fach nur er selbst zu sein, tat­säch­lich rückt ihn das in eine  Rei­he mit New­man, wo nicht das extro­ver­tier­te Spiel vor­herrscht, son­dern das rei­ne Cha­ris­ma jede Sze­ne authen­tisch wer­den lässt.

Neben­ein­an­der ver­kör­pern Pitt und DiCa­prio zwei voll­kom­men ver­schie­de­ne Typen von Dar­stel­lern. Das sind sie hin­ter der Kame­ra, was sich aber durch­aus auf ihre Cha­rak­te­re über­trägt. Da berei­tet zuschau­en wirk­lich Freu­de, aller­dings nutzt Taran­ti­no deren gemein­sa­me Lein­wand­zeit nicht so inten­siv und aus­führ­lich, wie man es sich wün­schen wür­de. Leo­nar­do DiCa­prio hat sei­ne bes­te Sze­ne in einem typi­schen Taran­ti­no-Moment wäh­rend eines exis­ten­zi­el­len Dia­logs mit der neun­jäh­ri­gen Neben­dar­stel­le­rin von Dal­tons nächs­ten Film. Von Julia But­ters wird man noch hören, vor allem wenn der Film­preis-Zir­kus eröff­net wird und ONCE UPON A TIME … IN HOLLYWOOD in die Manè­ge gelas­sen wer­den soll­te.

Weit über die zwei-Stun­den-Gren­ze hin­aus ist der Film ein Fli­cken­tep­pich von stän­di­ger Expo­si­ti­on. Wann immer der Zuschau­er glaubt, eine Sequenz wäre ziel­füh­rend, kon­tert Taran­ti­no mit offen­sicht­lich neu­en Ein­fäl­len. Richard­sons Kame­ra ist dabei stän­dig mit Schwenks und Fahr­ten in Bewe­gung, die auf eine Auf­lö­sung oder einen ver­bind­li­chen Zusam­men­hang inner­halb ein­zel­ner Sze­nen hin­deu­ten, aber nicht erfüllt wer­den. Was viel­leicht als Spiel mit der Erwar­tungs­hal­tung gedacht war, wirkt in sei­ner Per­ma­nenz aller­dings nur irre­füh­rend. Ledig­lich drei allein­ste­hen­de Sequen­zen fin­den einen direk­ten Bezug zum gro­ßen Fina­le. In einer hat der Fil­me­ma­cher Taran­ti­no aller­dings schwer dane­ben gehau­en, wenn er einer Lein­wan­di­ko­ne und deren Fans sowie den Ange­hö­ri­gen ordent­lich gegen das Schien­bein tritt, und die­sem Star Cha­rak­ter­zü­ge andich­tet, die weder gerecht­fer­tigt noch fair sind.

Doch was heißt schon Wirk­lich­keit und Fan­ta­sie in einem Film von Quen­tin Taran­ti­no? Der Grund, war­um die­ser instän­dig dar­um bat, jedem Zuschau­er die Chan­ce zu geben, den Film für sich erle­ben und erfah­ren zu kön­nen, ohne dass im Vor­feld über die Hand­lung gere­det wird. Das soll­te grund­sätz­lich eine Selbst­ver­ständ­lich­keit sein, hier aller­dings ist es zwin­gend not­wen­dig. Nie­mand kam bis­her dar­an vor­bei vom Hin­ter­grund von ONCE UPON A TIME … IN HOLLYWOOD zu erfah­ren, ein Ereig­nis das Taran­ti­no nach sei­nen Wor­ten sehr per­sön­lich nimmt. War­um auch immer, eine Begrün­dung muss man sich aus vie­len unschein­ba­ren Anspie­lun­gen selbst zusam­men stel­len. Da ist die Wirk­lich­keit, die her­ge­nom­men wird, um mit Fan­ta­sie eine Geschich­te dar­aus zu kre­ieren. Und so beein­flusst das eine eben das ande­re, und wird schließ­lich zu einem Film, für die­sen man Quen­tin Taran­ti­no auch jetzt wie­der hoch­le­ben las­sen möch­te. Noch wäh­rend der letz­ten Minu­ten im Kino, geht die­se Rech­nung mit der Hin­ga­be sei­nes Publi­kums auch auf. Im Nach­hin­ein wird sie dann doch äußerst frag­wür­dig.

Quen­tin Taran­ti­no hat ein star­kes Stück Kino auf die Lein­wand gebracht, das Kri­ti­ker und Film­buffs in wah­ren Tau­mel ver­set­zen kann. Er muss sich aller­dings die Fra­ge gefal­len las­sen, für wen sonst noch. Es ist nicht über­trie­ben, aber auch kei­nes­wegs despek­tier­lich gemeint, wenn man ONCE UPON A TIME … IN HOLLYWOOD als ego­ma­ni­schen Retro­trip bezeich­net. Künst­le­risch muss man den Film ein­fach Respekt zol­len. Doch wen in jün­ge­ren Jah­ren oder mit weni­ger Kino-Affi­ni­tät kann er damit begeis­tern, oder über­haupt errei­chen?

ONCE UPON A TIME … IN HOLLYWOOD
Dar­stel­ler: Brad Pitt, Leo­nar­do DiCa­prio, Mar­got Rob­bie, Julia But­ters, Emi­le Hirsch, Dako­ta Fan­ning, Al Paci­no, Timo­thy Oly­phant, Dami­an Lewis, Luke Per­ry u.v.a.
Dreh­buch & Regie: Quen­tin Taran­ti­no
Kame­ra: Robert Richard­son
Bild­schnitt: Fred Ras­kin
Pro­duk­ti­ons­de­sign: Bar­ba­ra Ling
161 Minu­ten
Groß­bri­tan­ni­en – Chi­na – USA 2019

Pro­mo­fo­tos Copy­right Sony Pic­tures Releasing

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Nach oben scrollen

Durch die weitere Nutzung der Seite stimmst du der Verwendung von Cookies und von eingebundenen Skripten Dritter zu. Weitere Informationen

Die Cookie-Einstellungen auf dieser Website sind auf "Cookies zulassen" eingestellt, um das beste Surferlebnis zu ermöglichen. Wenn du diese Website ohne Änderung der Cookie-Einstellungen verwendest (Navigation) oder auf "Akzeptieren" klickst, erklärst Du Dich damit einverstanden. Dann können auch Cookies von Drittanbietern wie Amazon, Youtube oder Google gesetzt werden. Wenn Du das nicht willst, solltest Du entweder nicht auf "Akzeptieren" klicken und die Seite nicht weiter nutzen, oder Deinen Browser im Inkognito-Modus betreiben, und/oder Anti-Tracking- und Scriptblocker-Plugins nutzen.

Mit einem Klick auf "Akzeptieren" werden zudem extern gehostete Javascripte freigeschaltet, die weitere Informationen, wie beispielsweise die IP-Adresse an Dritte weitergeben können. Welche Informationen das genau sind liegt nicht im Einflussbereich des Betreibers dieser Seite, das bitte bei den Anbietern (jQuery, Google, Youtube, Amazon, Twitter *) erfragen. Wer das nicht möchte, klickt nicht auf "akzeptieren" und verlässt die Seite.

Wer wer seine Identität im Web schützen will, nutzt Browser-Erweiterungen wie beispielsweise uBlock Origin oder ScriptBlock und kann dann Skripte und Tracking gezielt zulassen oder eben unterbinden.

* genauer: eingebettete Tweets, eingebundene jQuery-Bibliotheken, Amazon Artikel-Widgets, Youtube-Videos, Vimeo-Videos

Schließen