Bandit bespricht: Netflix – SPACE FORCE

SPACE FORCE – Net­flix seit 29.05.2020

Ste­ve Carell erzählt die Geschich­te um die­se Serie genau so, wie man sich die Ent­ste­hung der meis­ten deut­schen Vor­abend­se­ri­en vor­stellt. Als die ame­ri­ka­ni­sche Regie­rung aus­rief, einen neu­en Zweig bei den Streit­kräf­ten eröff­nen zu wol­len, wur­den die Pro­du­zen­ten von Net­flix sofort umtrie­big. Das Pro­jekt der Regie­rung wur­de in der Öffent­lich­keit ver­lacht, also rief man schnellst­mög­lich bei Ste­ve Carell an. Ob er etwas machen könn­te, das sich SPACE FORCE nennt. Kei­ne Hin­ter­grün­de, kei­ne Vor­ga­ben, kei­ne Geschich­te, nichts. Ja, ant­wor­tet Carell umge­hend, kön­ne er. Die­ser wand­te sich an Greg Dani­els, zusam­men hat­ten sie die ame­ri­ka­ni­sche Ver­si­on von THE OFFICE kon­zi­piert. Carell frag­te, ob sich Dani­els vor­stel­len könn­te, etwas zu machen das sich SPACE FORCE nennt. Kei­ne Hin­ter­grün­de, kei­ne Vor­ga­ben, kei­ne Geschich­te, nichts. Ja, ant­wor­te­te Greg Dani­els umge­hend, kön­ne er. Zwei Jah­re spä­ter sind die zehn Epi­so­den der ers­ten Staf­fel von SPACE FORCE bei Net­flix ver­füg­bar. Und es ist wahr­lich kei­ne typisch deut­sche Vor­abend­se­rie geworden.

Die Beför­de­rung zum Vier-Ster­ne-Gene­ral hat­te sich Mark R. Naird anders vor­ge­stellt. Anstatt Ober­be­fehls­ha­ber über die United Sta­tes Air Force zu wer­den, wird er genö­tigt, den von der Air Force abge­trenn­ten Zweig der US Space Force auf­zu­bau­en. In einer streng abge­schirm­ten und abge­rie­gel­ten Basis arbei­ten tau­sen­de von Wis­sen­schaft­lern, Sol­da­ten, Inge­nieu­ren und Astro­nau­ten an dem Pro­jekt. Unter­stützt von vie­len Ver­tre­tern ver­schie­de­ner Bünd­nis­part­ner. Dass jeder der Betei­lig­ten von per­sön­li­chen Neu­ro­sen geplagt wird, macht die Arbeit von Gene­ral Naird nicht ein­fa­cher. Dazu kommt eine gehö­ri­ge Por­ti­on von Unfä­hig­keit an allen Fron­ten, weil die Space Force nicht mit Sinn und Ver­stand, son­dern durch ego­is­ti­sche Zie­le und Grö­ßen­wahn aus dem Boden gestampft wurde.

Natür­lich möch­te man anneh­men, dass SPACE FORCE eine Abrech­nung mit einer voll­kom­men aus dem Ruder gelau­fe­nen Regie­rung und deren Anfüh­rer sein wür­de. Aber das ist es nur als treff­si­che­rer und auch kei­nes­wegs über­trie­be­ner Hin­ter­grund. Ein Hin­ter­grund, wel­cher der Ent­wick­lung der Space Force nur vie­le zusätz­li­che Kome­ten auf dem Weg zu den Ster­nen in die Flug­bahn wirft. In ers­ter Linie ist es die Geschich­te von Naird und den Pro­ble­men mit der Fami­lie, sowie sei­ne Aus­ein­an­der­set­zun­gen mit dem füh­ren­den Wis­sen­schaft­ler Dr. Mal­lo­ry. Eine extre­me Hass­lie­be, die ein­fach stim­mig ist und im humo­ris­ti­schen Sin­ne die Trieb­fe­der bil­det. Von der har­ten Rea­li­tät auf die Seri­en­fi­gu­ren her­un­ter gebro­chen, könn­te man sagen, dass Carells Naird inklu­si­ve sei­ner Unter­ge­be­nen den Cha­rak­ter des aktu­el­len Prä­si­den­ten ver­kör­pert, wäh­rend der schlicht­weg über­ra­gen­de John Mal­ko­vich als Mal­lo­ry das gute Gewis­sen der ver­nunft­be­gab­ten, aber dar­an ver­zwei­feln­den Ratio­na­li­tät dar­stellt. Naird: »Wir gehen hin­aus und schie­ßen und kämp­fen!« Mal­lo­ry: »NEIN. In den Welt­raum, um zu erfor­schen!« Naird: »Jaa, … und dann schie­ßen und kämpfen.«

Jede Epi­so­de ist voll­ge­stopft mit Quer­ver­wei­sen und Ver­hal­tens­mus­tern von rea­len Per­so­nen oder Fern­seh­sen­dern. Erschre­ckend dabei ist, dass die Dreh­buch­schrei­ber kei­ne Namen nen­nen müs­sen, oder beson­ders den Holz­ham­mer bedie­nen. Bei Dia­lo­gen wie:

»Im Welt­raum kann man eben nicht atmen.«
»Nun, das ist eben ihre Meinung.«

Da weiß man Bescheid. Manch­mal bleibt das Lachen im Hal­se ste­cken, und meis­tens lacht man laut­hals. Stän­dig wer­den Tat­sa­chen ein­fach absurd sinn­ver­dreht wie­der­ge­ge­ben, oder Cha­rak­te­re igno­rie­ren schlicht­weg wenn sie mit Fak­ten rich­tig gestellt wer­den. Und der per­ma­nen­te Ras­sis­mus kommt auch nie zu kurz, wenn zum Bei­spiel Asia­ten gefragt wer­den, woher sie kom­men. Bei der Ant­wort Bal­ti­more, kommt umge­hend die Nach­fra­ge, »nein, ich mein­te ursprüng­lich«. Ein Höhe­punkt ist sicher­lich die Pres­se­kon­fe­renz in der neun­ten Epi­so­de, wel­che trotz ihres urko­mi­schen Gehal­tes soviel erschre­cken­de Wahr­heit wie­der­spie­gelt. Da wer­den intel­li­gen­te Fra­gen mit einem Gestam­mel von Satz­hül­sen beant­wor­tet, wel­che der Pres­se­spre­cher dyna­misch kom­men­tiert zum Bei­spiel mit: »Eine sehr gute Ant­wort auf eine ziem­lich dum­me Frage!«.

Aber SPACE FORCE ist trotz allem leich­te und ange­neh­me Unter­hal­tung. Kei­ne bit­ter­bö­se Far­ce, oder ätzen­de Sati­re. Dazu hat das ame­ri­ka­ni­sche Fern­se­hen genü­gend Late-Night-Tal­ker, die sol­che Parts viel gemei­ner, direk­ter und ana­ly­ti­scher ange­hen. Das mag sich zuerst als ver­ta­ne Chan­ce anhö­ren, ist aber im Gesam­ten betrach­tet die weit­aus bes­se­re Lösung gewe­sen. Die Spit­zen und ver­pack­ten Kom­men­ta­re kom­men auch in die­ser Form sehr treff­si­cher ins Ziel. Vor­der­grün­dig erzählt SPACE FORCE eine Geschich­te über einen unko­or­di­nier­ten Hau­fen der sich erst fin­den muss, obwohl er schon inmit­ten sei­ner Bestim­mung steht. Die ein­zel­nen Epi­so­den wech­seln mal von gro­ben Unfug, über mora­li­sche Abhand­lung, zu tief­sin­ni­gem Humor, mal mit Slap­stick-Ein­la­gen, oder über­ra­schen­der Cha­rak­ter­zeich­nun­gen. Ste­ve Carell ist dabei nie­mals der ein­fäl­ti­ge Clown, genau­so wenig wie John Mal­ko­vich zum psy­cho­ti­schen Wrack mutiert. Soll­te sich ein Cha­rak­ter ein­mal etwas über­schla­gen, fin­det er auch sofort wie­der in die Spur. Trotz eini­ger Über­zeich­nun­gen in ver­schie­de­nen Hand­lungs­tei­len, zeich­net sich gleich­zei­tig auch immer ein wenig Boden­stän­dig­keit ab.

Eine Neben­ge­schich­te ist abso­lut bemer­kens­wert. Zur glei­chen Zeit, als Net­flix sei­ner­zeit von den Plä­nen der Space Force hör­te, fand das Team von JIMMY KIMMEL LIVE einen Pilot­film aus dem Jah­re 1978 mit dem Titel … SPACE FORCE, mit Fred Wil­lard in der Haupt­rol­le. Für einen Sketch wie­der­hol­te Wil­lard noch ein­mal sei­ne Figur von damals für die Live-Sen­dung. Ein Jahr spä­ter enga­gier­ten die Net­flix-Macher Fred Wil­lard für die Rol­le als Mark Nairds Vater. Kurz vor der Pre­miè­re der aktu­el­len SPACE FORCE ver­starb der belieb­te Dar­stel­ler. Ihm ist die­se Serie gewidmet.

SPACE FORCE (1978) ist in schlech­ter Qua­li­tät auf You­Tube zu finden.

SPACE FORCE
Dar­stel­ler: Ste­ve Carell, John Mal­ko­vich, Dia­na Sil­vers, Jim­my O. Yang, Ben Schwartz, Taw­ny News­o­me, Don Lake, Noah Emme­rich, Fred Wil­lard u.a.
Regie – Dreh­buch – Bildschnitt:
First Launch: Paul King – Ste­ve Carell/ Greg Dani­els – David Rogers
Save Epsi­lon 6!: Tom Mar­shall – Greg Dani­els – Sus­an Vaill
Mark And Mal­lo­ry Go …: Tom Mar­shall – She­pard Bou­ch­er – Julie Cohen
Lunar Habi­tat: Paul King – Lau­ren House­man – Rob Burnett
Space Flag: Dee Rees – Brent For­res­ter – Sus­an Vaill
The Spy: Dee Rees – Aasia LaS­hay Bullock/Connor Hines – Rob Burnett
Edi­son Jay­mes: Jef­frey Blitz – Yael Green – ?
Con­ju­gal Visit: David Rogers – Max­well Theo­do­re Vivian – ?
It’s Good To Be Back On The Moon: Dai­na Reid – Paul Lie­ber­stein – Rob Burnett
Pro­por­tio­na­te Respon­se: Dai­na Reid – Greg Daniels – ?
Kame­ra: Simon Chapman
Musik: Car­ter Burwell
Pro­duk­ti­ons­de­sign: Susie Mancini
1 Staf­fel 10 Episoden
305 Minuten
USA 2020

Bild­rech­te: NETFLIX

3 Kommentare zu „Bandit bespricht: Netflix – SPACE FORCE“

  1. Stephan Fleischhauer

    Moin Uwe, trifft es exakt so, wie ich die Serie auch gese­hen habe.

  2. Frank Schellmann

    Moin Ban­dit, genau wie Du sehe ich die Serie auch. Super geschrie­ben. Danke

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