Bandit bespricht: COME TO DADDY

Ama­zon Prime & iTu­nes, Blu-ray ab 29.05.2020

Manch­mal sind die Geschich­ten hin­ter den Fil­men viel inter­es­san­ter. Aber nur manch­mal. Oft­mals sind die Geschich­ten hin­ter den Fil­men so bizarr, dass sie eigent­lich nur zu inter­es­san­ten Fil­men wer­den kön­nen. Regis­seur Ant Timp­son hat­te so eine Geschich­te und als eta­blier­ter Pro­du­zent von Gen­re-Extra­va­gan­zen wie zum Bei­spiel ABCs OF DEATH weiß er das Poten­ti­al von guten Geschich­ten zu erken­nen. So war es auch, als Timp­sons ver­stor­be­ner Vater für eine Woche zuhau­se im offe­nen Sarg auf­ge­bahrt war. Nach sei­ner Inspi­ra­ti­on befragt, erzählt der Neu­see­län­der in diver­sen Inter­views, zuse­hen auf You­Tube, dass in jener Woche immer wie­der wild­frem­de Men­schen erschie­nen, dem Ver­stor­be­nen Respekt zu zol­len. Nie­mand kann­te die Leu­te, aber sie erzähl­ten Geschich­ten über Ants Vater. Und die­se Geschich­ten woll­ten so ganz und gar nicht zum Cha­rak­ter und Lebens­lauf sei­nes Vaters pas­sen. So setz­te sich Ant Timp­son mit Kum­pel und Dreh­buch­schrei­ber Toby Har­vard zusam­men, und her­aus­ge­kom­men ist COME TO DADDY.

Mit fünf Jah­ren wur­den Nor­val Green­wod und sei­ne Mut­ter vom Vater ver­las­sen. Drei­ßig Jah­ren spä­ter bit­tet die­ser über­ra­schend um einen Besuch. In der Hoff­nung, mit sei­nem Vater wie­der auf­ho­len zu kön­nen, reist Nor­val an den Rand von Nir­gend­wo, zu einem obsku­ren, her­un­ter­ge­kom­me­nen Haus am Meer. Doch das Wie­der­se­hen ent­wi­ckelt sich sehr ver­hal­ten. War­um Gor­don sei­nen Sohn in die­se Ein­sie­de­lei gebe­ten hat wird in Streit­ge­sprä­chen immer unkla­rer. Nor­val hat sich die­ses Wie­der­se­hen wahr­lich anders vor­ge­stellt, denn es biegt unver­mit­telt in eine fal­sche Rich­tung ab. Und eine Kurs­kor­rek­tur macht alles nur noch schlim­mer und ver­fah­re­ner. Dem ver­wun­der­ten Zuschau­er ergeht es ganz genau­so. Man sieht ein­fach nicht kom­men wie sich die Geschich­te ent­wi­ckelt. Wenn man glaubt, die Ereig­nis­se zu durch­schau­en, erge­ben sich neue Wen­dun­gen. Wer die­se Wen­dun­gen aller­dings glaubt kom­men zu sehen, der wird mit deren Aus­gang überrascht.

Nie­mand muss jetzt den­ken, man hat es mit einem ver­wor­re­nen Laby­rinth an absur­den Geis­tes­spie­len zu tun. Im Grun­de ist COME TO DADDY sogar eine sehr gerad­li­ni­ge Geschich­te und auch genau­so erzählt. Doch Ant Timp­son beginnt sei­ne Insze­nie­rung schon so leicht eigen­ar­tig mit einem optisch sehr schrä­gen Eli­jah Wood, dass von vorn­her­ein auch alles mög­lich scheint. So wech­selt zudem stän­dig die Stim­mung. Denkt man zuerst noch an eine David Lynch-ähn­li­che Atmo­sphä­re, befin­det man sich plötz­lich in einem Vater-Sohn-Dra­ma, wel­ches wie­der­um in einen Psy­cho­thril­ler mün­det, der dann … Toby Har­vard und Ant Timp­son haben aber kein Flick­werk an Gen­res, oder Ver­satz­stü­cken zusam­men­ge­hirnt. Auf fast uner­klär­li­che Wei­se macht alles Sinn – und es macht noch viel mehr Spaß. Zar­te Gemü­ter sei­en des­halb an die­ser Stel­le gewarnt.

Auf diver­sen Fes­ti­vals wur­de der Film durch­aus wohl­wol­lend auf­ge­nom­men. Zu einem Publi­kums­lieb­ling wur­de er aller­dings nicht so rich­tig. Obwohl gera­de Gen­re­freun­de eine skur­ri­le Geschich­te meist zu schät­zen wis­sen. Online und auf Schei­be könn­te sich dass jetzt durch­aus noch ändern, denn COME TO DADDY ist ein­fach sehens­wert. In vie­ler­lei Hin­sicht. Die Hand­lung ist herr­lich schräg, das Tem­po genau rich­tig, die tech­ni­schen Aspek­te sind auf den Punkt und die Beset­zung der Schau­spie­ler eben­so über­ra­schend wie aus­ge­zeich­net. Gera­de Eli­jah Wood hat ja sei­ne Vor­lie­be für etwas ande­re Erzäh­lun­gen wie zum Bei­spiel GOOD SON oder THE WAR schon vor dem inter­na­tio­na­len Kra­wall der Ring-Tri­lo­gie gefun­den. Und auch danach ließ er die Typi­sie­rung des lie­bens­wer­ten Fro­do erst gar nicht an sich her­an, wie er am kras­ses­ten in Alex­and­re Ajas MANIAC ver­deut­lich­te. Und wie wohl sich Wood in abson­der­li­chen Rol­len bei abson­der­li­chen Fil­men fühlt merkt man hier nicht nur ihm, son­dern der Atmo­sphä­re des Films im all­ge­mei­nen an.

Für ein Spiel­film­de­büt hat Ant Timp­son bewie­sen, dass er in sei­ner lan­gen Zeit im Film­ge­schäft viel gelernt hat. Aber Timp­son hat dabei eben­so ver­stan­den wie man Stan­dards, Rhyth­men und diver­se Gen­res gelun­gen mischen und erfolg­reich neu gestal­ten kann. Die­ser Film ist nicht die Ent­de­ckung schlecht­hin, kei­ne Offen­ba­rung, und wird auch nicht unbe­dingt als Klas­si­ker ein­ge­hen. Dafür bie­tet er reue­lo­se Unter­hal­tung auf geho­be­nen Niveau, mit viel Spaß, Span­nung, Über­ra­schun­gen und def­ti­gen Effekt-Ein­la­gen. Und zurück­bli­ckend ist die Geschich­te zur Idee die­ses Fil­mes dann noch das Sahnehäubchen.

COME TO DADDY
Dar­stel­ler: Eli­jah Wood, Ste­phen McHat­tie, Made­lei­ne Sami, Mar­tin Dono­van, Micha­el Smi­ley, Simon Chin, Gar­field Wil­son u.a.
Regie: Ant Timpson
Dreh­buch: Toby Harvard
Kame­ra: Dani­el Katz
Bild­schnitt: Dan Kircher
Musik: Karl Steven
Pro­duk­ti­ons­de­sign: Zosia Mackenzie
96 Minuten
Irland – Kana­da – Neu­see­land – USA / 2019

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AutorIn: Bandit

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