Bandit bespricht: Amazon Prime & iTunes – TROLLS WORLD TOUR

TROLLS WORLD TOUR – Prime Video /​ iTu­nes seit 23.04.2020

So rich­tig durch­ge­setzt haben sich damals die Pup­pen des däni­schen Holz­schnit­zers Tho­mas Dam nicht wirk­lich. Was als Ein­zel­stück begann, ent­wi­ckel­te sich im enge­ren Kreis von Freun­den und Bekann­ten zum belieb­ten Spiel­zeug und mün­de­te bald in indus­tri­el­ler Mas­sen­pro­duk­ti­on. Die nicht sehr attrak­ti­ven Figu­ren wur­den ent­ge­gen der eigent­li­chen Absicht als Gegen­ent­wurf zu Mat­tels Bar­bie ver­stan­den. Doch wäh­rend sich die Äußer­lich­kei­ten der der Trolls, hier­zu­lan­de ger­ne Zau­ber­troll genannt, schnell ein­bür­ger­ten und ins Gedächt­nis brach­ten, erlang­ten sie nie den erwünsch­ten kul­tu­rell rele­van­ten Sta­tus. Ver­schie­de­ne Anläu­fe, aus dem Hype end­lich einen Kas­sen­schla­ger zu kre­ieren, waren nicht mit Erfolg geseg­net. Erst mit Zei­chen­trick­film­chen und nach­fol­gen­den Video­spie­len eta­blier­ten sich die breit­köp­fi­gen Fri­seur­ver­wei­ge­rer bei einem brei­te­ren Publi­kum. Und als 2013 Dream­Works bis auf für Skan­di­na­vi­en die welt­wei­ten Rech­te erwarb, und 2016 einen sorg­sam kon­zi­pier­ten com­pu­ter­ani­mier­ten Ani­ma­ti­ons­film auf die Lein­wand brach­te, wur­den die TROLLS zum ersehn­ten Phä­no­men.

Als unvor­be­las­te­ter Quer­ein­stei­ger tut man sich nicht leicht, dem Sze­na­rio umge­hend etwas abzu­ge­win­nen. Die Macher wei­sen einen aber schnell in die rich­ti­ge Rich­tung. Sie sind bunt, sie sind schrill und sie sin­gen unent­wegt ver­trau­te Pop­songs. So sehr man Schwie­rig­kei­ten hat­te, sich etwas unter den bekann­ten Bil­dern und Aus­schnit­ten vor­stel­len zu kön­nen, erle­digt sich die Form von vor­sich­ti­ger Skep­sis recht schnell. Die rosa­far­be­ne Pop­py scheint im vor­an­ge­gan­ge­nen Film die Köni­gin der Trolls gewor­den zu sein, und der blaue Branch steht beherzt an ihrer Sei­te, noch immer nicht fähig, ihr sei­ne Lie­be zu geste­hen. Damit ist auch schon abge­han­delt, was man wis­sen muss, und hin­ein geht es ins nächs­te Aben­teu­er. Denn die Welt ist viel grö­ßer als stets ange­nom­men. Was das begeis­tert krei­schen­de Kin­der­pu­bli­kum nicht wuss­te: es gibt noch viel mehr Trolls. Nicht nur die bekann­ten Pop-Trolls, son­dern die Coun­try- und Wes­tern-Trolls, Klas­sik-Trolls, Hip Hop-Trolls und Funk-Trolls. Aber es gibt auch die bit­ter­bö­se Unter­art, das sind die Hard­rock Trolls.

Jedes Troll-Land hat, sozu­sa­gen als Kron­ju­wel, sei­ne ganz spe­zi­fi­sche Musik­sai­te. Und Barb, die Köni­gin des Hard­rock, will alle Sai­ten auf sich ver­ei­nen, um den ulti­ma­ti­ven Akkord zu spie­len, der alle Musik­rich­tun­gen in eine ein­zi­ge ver­wan­deln soll: Har­ten Rock’n’Roll. Da fra­gen sich die Groß­el­tern des Ziel­pu­bli­kums schon berech­tigt, war­um soll Hard­rock das Böse sein? Da wür­den viel­leicht die Freun­de geho­be­ner Klas­sik zustim­men. Wohin­ge­gen der Coun­try Sän­ger eher die Klas­sik zum Unding küren wür­de. Ja, und so begin­nen sich Vor­ur­tei­le gegen Vor­ur­tei­le auf­zu­wie­gen. Neid, Miss­gunst und Selbst­ge­fäl­lig­keit geben sich lau­fend die Hand. Und so ist der Kurs von Köni­gin Pop­py schnell fest­ge­legt und auch der mora­li­sche Dis­kurs des Films. Denn der muss ja sein, bei einem Film, der Sechs­jäh­ri­ge in sei­nen Details über­for­dert und Zwölf­jäh­ri­ge zum Gäh­nen bringt.

Der mora­li­sche Anspruch ist leicht zu erken­nen und schnell defi­niert. Aller­dings haben sich da die gleich fünf Dreh­buch­au­to­ren leicht im Ton ver­grif­fen. Wie war das mit den Köchen? Auf Musi­ker kann man das ja nicht anwen­den. Unent­wegt schwan­ken die Aus­sa­gen von hoch­ge­hal­te­ner Indi­vi­dua­li­tät, bis hin zum geprie­se­nen Ein­klang und wie­der zurück. Mal muss jedes Musik­gen­re unbe­dingt für sich sel­ber ste­hen, dann wie­der ist alles nur im Kol­lek­tiv unter der Ver­mi­schung aller Rich­tun­gen mög­lich. Die ohne­hin extrem dün­ne Hand­lung kann gar nicht anders, als fes­te Stand­punk­te stän­dig zu umspie­len, um von feh­len­den erzäh­le­ri­schen Ele­men­ten wenigs­tens schnellst­mög­lich zum nächs­ten Lied­vor­trag zu kom­men. Da wer­den auf Gedeih und Ver­derb alt­be­kann­te Gas­sen­hau­er mit leicht ange­pass­ten Tex­ten geträl­lert, bis man auch über die letz­ten nar­ra­ti­ven Schwä­chen hin­weg gekom­men ist. Das Ziel­pu­bli­kum ist begeis­tert, kennt die ein oder ande­re Melo­die noch aus Mut­ters Mund, oder Vaters alters­schwa­chem CD-Play­er.

 

TROLLS WORLD TOUR ist bei wei­tem kein guter Film, und bemüht sich erst gar nicht um irgend­ei­nen Anspruch. Er ist laut und schrill und er ist ein eksta­ti­sches Feu­er­werk an Far­ben und Tönen. Wäh­rend sich der Erwach­se­ne abmüht Sinn oder Logik in dem Spek­ta­kel zu fin­den, genie­ßen die Klei­nen die Erkennt­nis, dass die Welt ein­fach ein wun­der­vol­ler Ort sein kann. Am Ende könn­te das TROLLS WORLD TOUR viel­leicht doch zu einem guten Film machen. Man muss sich in die­sem Fall ein­fach vom Kon­zept einer strin­gent erzähl­ten Geschich­te und kohä­ren­ten Film­struk­tur lösen, auch wenn man glaubt, dass die ent­spre­chen­den Akkor­de gespielt wer­den. Die Ein­gangs­se­quenz nimmt das sogar ziem­lich gut vor­weg, wenn beim Rave der Troll-DJ die joh­len­de Men­ge ewig auf den Beat Drop war­ten lässt, bis end­lich die Bass-Line wie­der rich­tig wum­mert. So ist bei TROLLS WORLD TOUR alles dem Effekt unter­wor­fen, Style over Sub­s­tance.

Der Film zele­briert eine Prä­mis­se, die im wirk­li­chen Leben längst kein The­ma mehr ist. Rock wird in gro­ßen Orches­ter­klän­gen gespielt, oder Rap wird mit Klas­sik-Samples unter­legt. Viel­leicht hät­te der Film sei­nem jun­gen Publi­kum auch die Eigen­ar­ten und Dif­fe­ren­zie­run­gen der unter­schied­li­chen Gen­res näher brin­gen kön­nen, um ein bes­se­res Ver­ständ­nis für Musik im All­ge­mei­nen zu wecken. Gute Fil­me­ma­cher bekom­men das hin, ohne den Leh­rer nach vor­ne zu stel­len, oder die Zei­ge­fin­ger heben zu müs­sen. Bei TROLLS WORLD TOUR gin­ge dies aller­dings zu Las­ten der unge­zü­gel­ten Aus­ge­las­sen­heit. Zuga­ben sind bei 90 Minu­ten Dau­er­be­rie­se­lung nicht vor­ge­se­hen. Zum Trost stellt man als unter­for­der­ter Eltern­teil schnell fest, dass Zeit eben doch end­lich ist. Dass man so ganz neben­bei doch ein­mal mit den Fin­gern schnippt, oder mini­malst die Hüf­ten krei­sen lässt, muss nie­mand erfah­ren, und bleibt auch unter uns. Wenn sich nicht nur die Pop-Musik so in den Vor­der­grund spie­len wür­de.

Den­noch sind 16 Euro als Ver­leih­ge­bühr bei allen Anbie­tern ein recht unver­schäm­ter Preis. Die Aus­re­de, dass ja gleich eine gan­ze vier­köp­fi­ge Fami­lie kon­su­mie­ren kann, und das mehr­mals hin­ter­ein­an­der (wenn man denn so ver­an­lagt sein soll­te), spen­det dem ein-Per­so­nen-Haus­halt kei­ner­lei Trost. Und wer schon ein­mal im Kino in einem voll­be­setz­ten Kin­der­film saß, für den mag es kein Ver­gnü­gen gewe­sen sein, doch er hat die Erfah­rung gemacht, dass dort Kin­der eben nicht ein­fach stumpf kon­su­mie­ren, son­dern »erle­ben«. Genau das was Kino aus­macht, und dafür auch Mehr­kos­ten in Kauf genom­men wer­den kön­nen. Eine wirk­lich dreis­te Masche, sich durch noch weni­ger Auf­wand wesent­lich mehr in die Tasche zu wirt­schaf­ten. Schließ­lich bleibt dabei der Kino­be­trei­ber außen vor. Und das ist dann eine sehr trau­ri­ge Melo­die, wel­che die TROLLS WORLD TOUR eben­falls anstimmt.

TROLLS WORLD TOUR
Stim­men:
Anna Kendrick /​ Lena Mey­er-Land­rut: Pop­py
Jus­tin Tim­ber­la­ke /​ Mark Fors­ter: Branch
Rachel Bloom: Barb
James Cor­den: Big­gie
Ron Fun­ches: Coo­per
Kel­ly Clark­son: Del­ta Dawn
Sam Rock­well: Hick­ory
Mary J. Bli­ge: Queen Essence
Geor­ge Clin­ton: King Quin­cy
u.a.

Regie: Walt Dohrn, David P. Smith
Dreh­buch: Jona­than Aibel, Glenn Ber­ger, Maya For­bes, Wal­lace Wolo­dars­ky, Eliza­beth Tip­pet
Cha­rac­ter Design: Jes­se Aclin
Bild­schnitt: Nick Flet­cher
Musik: Theo­do­re Sha­pi­ro
Pro­duk­ti­ons­ma­na­ger: Tra­cy Lar­son
90 Minu­ten
USA 2020

Bild­rech­te: UNIVERSAL PICTURES INTERNATIONAL

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Nach oben scrollen

Durch die weitere Nutzung der Seite stimmst du der Verwendung von Cookies und von eingebundenen Skripten Dritter zu. Weitere Informationen

Die Cookie-Einstellungen auf dieser Website sind auf "Cookies zulassen" eingestellt, um das beste Surferlebnis zu ermöglichen. Wenn du diese Website ohne Änderung der Cookie-Einstellungen verwendest (Navigation) oder auf "Akzeptieren" klickst, erklärst Du Dich damit einverstanden. Dann können auch Cookies von Drittanbietern wie Amazon, Youtube oder Google gesetzt werden. Wenn Du das nicht willst, solltest Du entweder nicht auf "Akzeptieren" klicken und die Seite nicht weiter nutzen, oder Deinen Browser im Inkognito-Modus betreiben, und/oder Anti-Tracking- und Scriptblocker-Plugins nutzen.

Mit einem Klick auf "Akzeptieren" werden zudem extern gehostete Javascripte freigeschaltet, die weitere Informationen, wie beispielsweise die IP-Adresse an Dritte weitergeben können. Welche Informationen das genau sind liegt nicht im Einflussbereich des Betreibers dieser Seite, das bitte bei den Anbietern (jQuery, Google, Youtube, Amazon, Twitter *) erfragen. Wer das nicht möchte, klickt nicht auf "akzeptieren" und verlässt die Seite.

Wer wer seine Identität im Web schützen will, nutzt Browser-Erweiterungen wie beispielsweise uBlock Origin oder ScriptBlock und kann dann Skripte und Tracking gezielt zulassen oder eben unterbinden.

* genauer: eingebettete Tweets, eingebundene jQuery-Bibliotheken, Amazon Artikel-Widgets, Youtube-Videos, Vimeo-Videos

Schließen