Bandit bespricht: DIE FARBE AUS DEM ALL

COLOR OUT OF SPACE – DVD /​ Blu-ray ab 30.04.2020
Die­se Bespre­chung beruht auf der bri­ti­schen DVD-Fas­sung.

Die­se FARBE AUS DEM ALL ist ein sehr gutes Bei­spiel dafür, war­um seit Jah­ren, wenn nicht sogar schon Jahr­zehn­ten kei­ne Ver­fil­mung von BERGE DES WAHNSINNS in Pro­duk­ti­on geht. Howard Phil­lips Love­craft hat beein­dru­cken­de und bedrü­cken­de Geschich­ten ver­fasst, die Hor­ror, Sci­ence Fic­tion und Fan­ta­sie der­art ver­schmol­zen, dass eine Gen­re­tren­nung gar nicht mehr mög­lich ist. Und er hat eine Art zu schrei­ben, die für fil­mi­sche Umset­zun­gen grund­sätz­lich ein krea­ti­ver Alp­traum sind. Richard Stan­ley hat sich seit 25 Jah­ren an kei­nem Spiel­film mehr ver­sucht, doch DIE FARBE AUS DEM ALL war ein Stoff sei­nes Her­zens. Und die­sen hat er über Jah­re akri­bisch vor­be­rei­tet. Ähn­lich wie DIE INSEL DES DR. MOREAU …, doch das ist wirk­lich eine ganz eige­ne Geschich­te.

Es ist sehr schwie­rig zu beschrei­ben, wie Love­craft sei­ne Leser packt, fes­selnd, und es ihnen heiß wie kalt den Rücken hin­auf und hin­un­ter lau­fen las­sen kann. Er dringt in die Psy­che sei­ner erzäh­len­den Figu­ren ein und durch die­se stellt er die Ver­bin­dung her, lässt den Leser erle­ben und auch spü­ren, wie das Grau­en lang­sam mehr und mehr Ein­zug hält. Regis­seur Stan­ley hat mit Co-Autorin Scar­lett Ama­ris die eigent­li­che Geschich­te durch­aus anspre­chend in die Moder­ne ver­legt. So anspre­chend, dass man nicht nur von modern, son­dern lei­der auch von ziem­lich gefäl­lig reden muss. Das beginnt schon damit, dass aus einem der drei Söh­nen von Fami­lie Gard­ner aus der Vor­la­ge eine her­an­rei­fen­de Toch­ter wur­de. Und tritt der in der Kurz­ge­schich­te fun­gie­ren­de Ich-Erzäh­ler in Erschei­nung, weiß man auch, wozu die­se Ent­schei­dung getrof­fen wur­de. Es ist kei­ne künst­le­ri­sche Ent­schei­dung, son­dern eine prag­ma­ti­sche. Wie sich ohne­hin viel zu viel in die­ser Ver­fil­mung schlicht­weg mit dem Grund­ge­dan­ken der Vor­la­ge beißt.

Die fünf­köp­fi­ge Fami­lie Gard­ner hat das Groß­stadt­le­ben hin­ter sich gelas­sen, und ver­su­chen sich im Land­le­ben bei Ark­ham in Mas­sa­chu­setts. Jeder in der Fami­lie hat so sei­ne unan­ge­neh­men Marot­ten, zudem ist Mut­ter an Krebs erkrankt. Das Idyll ist schon zer­fal­len, bevor es ein­set­zen konn­te. Und dann schlägt ein Mete­or direkt neben ihrem Brun­nen ein, der nichts Gutes mit sich bringt. Einer nach dem ande­ren in der ohne­hin selt­sa­men Fami­lie benimmt sich zuneh­mend ent­ge­gen jeder Ver­nunft. Und der Mete­or strahlt eine Far­be aus, die selbst von der Luft auf­ge­nom­men wird. Wie ein­mal beson­ders aus­drück­lich im Film ange­merkt wird, ist es eine Far­be die man noch nie gese­hen hat, die man nicht beschrei­ben kann. Es ist ganz ein­fach Magen­ta, und eben­so ein Indi­ka­tor, war­um es so schwie­rig ist, einer Geschich­te von H.P. Love­craft gerecht zu wer­den. In die­sem Fall sogar unmög­lich.

Als für sich ste­hen­der Hor­ror­strei­fen kann FARBE AUS DEM ALL bestehen, wenn­gleich er sich unent­wegt aus dem Fun­dus obli­ga­to­ri­scher Ver­satz­stü­cke bedient. Ange­fan­gen bei eben jener Sequenz, die als Beginn einer ange­dach­ten Bezie­hung unmiss­ver­ständ­lich bleibt. Da ist noch der Sohn, des­sen Gesprä­che mit dem Brun­nen kaum Auf­merk­sam­keit erre­gen, aber dem Zuschau­er Unheil ver­kün­den sol­len. Der all­wis­sen­de Ein­sied­ler tief im Wald. Die sich stei­gern­de Aggres­si­vi­tät unter den Fami­li­en­mit­glie­dern. Der Außen­ste­hen­de, dem alles sehr merk­wür­dig vor­kommt, wo es nichts Merk­wür­di­ges gibt, und der am Ende den­noch recht behält. Und natür­lich ein infer­na­li­sches Cre­scen­do an Tönen und Licht­ge­wit­tern zum Höhe­punkt. Es ist alles da, was man als schnel­le Kost für einen frei­en Abend haben braucht. Aber wirk­lich satt wird man davon nicht.

 

Im Rah­men ihrer Mög­lich­kei­ten sind alle Schau­spie­ler durch­aus gut mit ihren Rol­len ver­wach­sen. Sogar der immer wie­der ger­ne geschol­te­ne Nico­las Cage über­zeugt in dem, was man von ihm ver­langt. Aber was der Regis­seur sei­nen Dar­stel­lern abver­langt, ist nicht gera­de viel, geschwei­ge denn tief­grün­dig. Was einen Love­craft aus­macht, kann ein Stan­ley nicht bie­ten. Das ist zum einen der schlei­chen­de Wahn­sinn und zum ande­ren eine gute Por­ti­on Sub­ti­li­tät. In der Kurz­ge­schich­te beginnt der Ich-Erzäh­ler nach und nach auf­zu­klä­ren, was den Gard­ners wider­fah­ren ist, und erkun­det die Ursa­chen für das öde, leb­lo­se Land auf dem ihre Farm steht. Stan­ley macht die­sen Erzäh­ler zu einer inte­grier­ten Figur inner­halb der Gescheh­nis­se. Aber er bekommt des­we­gen nicht mehr zu tun, oder eine ande­re Gewich­tung in sei­ner Rol­le. Dafür lässt es sich der Regis­seur nicht neh­men so vie­le Sze­nen wie mög­lich mit Quer­ver­wei­sen und Hul­di­gun­gen an den Schrift­stel­ler sei­nes Ver­trau­ens aus­zu­stat­ten. Das kann aller­dings nur für Love­craft-Lieb­ha­ber inter­es­sant sein, wel­che aller­dings mit dem Film im Gesam­ten ziem­lich unzu­frie­den sein dürf­ten.

Wo sich DIE FARBE AUS DEM ALL in eine ver­söhn­li­che­re Eigen­stän­dig­keit hät­te ret­ten kön­nen, wäre mit dem abschlie­ßen­den Höhe­punkt gewe­sen. Doch der ange­dach­te Schre­cken zum Ende bleibt ohne jede Wir­kung, weil in den vor­an­ge­gan­ge­nen 100 Minu­ten alles getan wur­de, um auf­dring­lich die Hin­wei­se auf die Schluss­poin­te in Sze­ne zu set­zen. Dafür muss sich der Zuschau­er in ande­ren Sze­nen, mit vagen Andeu­tun­gen oder unde­fi­nier­ba­ren Bild­aus­schnit­ten, sein Grau­en selbst aus sei­nem nicht vor­han­de­nen Hut zau­bern. Der Hor­ror der Figu­ren über­trägt sich nicht auf den Zuschau­er, wenn die­ser ledig­lich in ent­setz­te Gesich­ter sehen muss, wel­che ihm ver­mit­teln wol­len, dass das Gese­he­ne wirk­lich sehr schreck­lich ist. Der mar­kan­te Unter­schied von Lite­ra­tur zu Film. Es sei denn, der Fil­me­ma­cher hat den rigo­ro­sen Mut, sei­ner unkon­ven­tio­nel­len Krea­ti­vi­tät frei­en Lauf zu las­sen.

Das Set-Design wirkt zuerst wie eine Hom­mage an die Gru­sel­strei­fen der Fünf­zi­ger­jah­re, wo gan­ze Haus­fas­sa­den und Vor­gär­ten im Stu­dio gebaut wur­den. Die Bil­der der Außen­auf­nah­men ver­mit­teln eine Atmo­sphä­re von künst­li­cher Ate­lier-Kulis­se. Für den Zuschau­er wirkt es ste­ril und nicht authen­tisch, zumal es die Geschich­te auch optisch beengt, und die Bedro­hung durch den Mete­or redu­ziert. Richard Stan­ley beweist sei­nen Ehr­geiz, er ver­deut­licht sei­ne Absicht, und beherrscht sein Hand­werk. Was ihm fehlt, ist die von allen Kon­ven­tio­nen los­ge­lös­te Krea­ti­vi­tät, um ein fil­mi­sches Äqui­va­lent zum geschrie­be­nen Wort zu fin­den.

DIE FARBE AUS DEM ALL – COLOR OUT OF SPACE
Dar­stel­ler: Nico­las Cage, Joely Richard­son, Made­lei­ne Arthur, Brendan Mey­er, Elli­ot Knight, Juli­an Hil­li­ard, Josh C. Wal­ler u.a.
Regie: Richard Stan­ley
Dreh­buch: Richard Stan­ley, Scar­lett Ama­ris
Nach H.P. Love­crafts gleich­na­mi­ger Kurz­ge­schich­te
Kame­ra: Ste­ve Annis
Bild­schnitt: Brett W. Bach­man
Musik: Colin Stet­son
Pro­duk­ti­ons­de­sign: Katie Byron
111 Minu­ten
USA 2019

Pro­mo­fo­tos Copy­right Koch Film

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Nach oben scrollen

Durch die weitere Nutzung der Seite stimmst du der Verwendung von Cookies und von eingebundenen Skripten Dritter zu. Weitere Informationen

Die Cookie-Einstellungen auf dieser Website sind auf "Cookies zulassen" eingestellt, um das beste Surferlebnis zu ermöglichen. Wenn du diese Website ohne Änderung der Cookie-Einstellungen verwendest (Navigation) oder auf "Akzeptieren" klickst, erklärst Du Dich damit einverstanden. Dann können auch Cookies von Drittanbietern wie Amazon, Youtube oder Google gesetzt werden. Wenn Du das nicht willst, solltest Du entweder nicht auf "Akzeptieren" klicken und die Seite nicht weiter nutzen, oder Deinen Browser im Inkognito-Modus betreiben, und/oder Anti-Tracking- und Scriptblocker-Plugins nutzen.

Mit einem Klick auf "Akzeptieren" werden zudem extern gehostete Javascripte freigeschaltet, die weitere Informationen, wie beispielsweise die IP-Adresse an Dritte weitergeben können. Welche Informationen das genau sind liegt nicht im Einflussbereich des Betreibers dieser Seite, das bitte bei den Anbietern (jQuery, Google, Youtube, Amazon, Twitter *) erfragen. Wer das nicht möchte, klickt nicht auf "akzeptieren" und verlässt die Seite.

Wer wer seine Identität im Web schützen will, nutzt Browser-Erweiterungen wie beispielsweise uBlock Origin oder ScriptBlock und kann dann Skripte und Tracking gezielt zulassen oder eben unterbinden.

* genauer: eingebettete Tweets, eingebundene jQuery-Bibliotheken, Amazon Artikel-Widgets, Youtube-Videos, Vimeo-Videos

Schließen