AVENGERS: INFINITY WAR

Um Asgards Will­len, wie soll man den die­sen Film bespre­chen ohne zu spoi­lern? Ich will es mal versuchen …

So etwas wie das, was Mar­vel und Dis­ney in den ver­gan­ge­nen zehn Jah­ren getan haben, ist in die­ser Form noch nie gemacht wor­den. Sicher gab es schon Film­rei­hen, und auch deut­lich lang­le­bi­ge­re als das Mar­vel Cine­ma­tic Uni­ver­se, aber mal waren es lose zusam­men­hän­gen­de Ein­zel­fil­me wie JAMES BOND, oder es ging eigent­lich nur um einen Prot­ago­nis­ten wie bei HARRY POTTER – und die­se Film­rei­he war letzt­end­lich durch die Roma­ne vorgegeben.

Aber zehn Jah­re lang 20 Fil­me (und Fern­seh­se­ri­en) als Ori­gi­nal­con­tent zu pro­du­zie­ren, die alle im sel­ben Uni­ver­sum han­deln und irgend­wie zusam­men­hän­gen, sogar so schrä­ge wie die um einen spre­chen­den Wasch­bä­ren, und die dann in die­ser Form in AVENGERS: INFINITY WAR kul­mi­nie­ren zu las­sen, das ist ein Werk, dem ich nur Ach­tung zol­len kann. Nach dem Betrach­ten von INFINITY WAR sogar noch mehr, denn hier bekommt man deut­lich mehr gebo­ten, als nur Superhelden-Gekloppe.

Aber das ist es ja ohne­hin, wor­in sich Mar­vel-Super­hel­den von ande­ren unter­schei­den, schon seit sie nur auf Papier exis­tier­ten: Sie sind alle ela­bo­rier­te Cha­rak­te­re, haben aus­ge­feil­te Hin­ter­grün­de, sind nicht makel- und erst recht nicht feh­ler­los, sind kei­ne Mes­si­as-ähn­li­chen Licht­ge­stal­ten. Und das­sel­be gilt auch für die Gegen­spie­ler: Sind in ande­ren Pro­duk­tio­nen die Bösen oft nur Abzieh­bil­der oder wan­deln­de Kli­schees, ist es in den Mar­vel-Fil­men oft anders und auch die Bös­wat­ze erhal­ten Hin­ter­grund und durch­aus nach­voll­zieh­ba­re Moti­va­ti­on (wobei die nie­de­ren Mini­ons dann trotz­dem wie­der wan­deln­de Kli­schees sein kön­nen und auch dür­fen). Damit mei­ne ich selbst­ver­ständ­lich inner­halb des Uni­ver­sums und des Vier­farb-Kon­texts nach­voll­zieh­ba­re Moti­va­ti­on. Wer ver­sucht, sich dem aus einer rea­len Rich­tung zu nähern, der ist hier sicher­lich eben­so falsch, wie Per­so­nen, die Pop­kul­tur oder Comics nichts abge­win­nen kön­nen. Wer sich dar­auf ein­lässt, bekommt aller­dings ein äußerst sehens­wer­tes Spek­ta­kel, das auf vie­len Jah­ren von orches­trier­ten Fil­men auf­baut und des­we­gen kei­nes­wegs sim­pel oder pro­fan ist.

Die­ser Facet­ten­reich­tum der Prota- und Ant­ago­nis­ten ist es dann auch, der Strei­fen aus den Mar­vel-Stu­di­os immer wie­der gegen­über ande­ren Ver­tre­tern des Gen­res her­vor­hebt, sie facet­tier­ter und viel­schich­ti­ger macht. Aber eben auch dazu führt, dass das knal­leb­un­te, völ­lig über­zo­ge­ne, Comic-Uni­ver­sum, das sich vor dem Zuschau­er auf der Lein­wand aus­brei­tet, in sei­nem Kon­text glaub­wür­di­ger wird: Weil man die Figu­ren hin­ter der Fas­sa­de der Super­hel­den ken­nen lernt, weil sie Feh­ler machen – und dar­um wis­sen. Weil sie mensch­lich sind – sogar die Ali­ens, und in letz­ter Kon­se­quenz sogar der Hulk.

Der zen­tra­le Punkt der Hand­lung ist eigent­lich: Wie weit wür­de man gehen, wenn man fel­sen­fest davon über­zeugt ist, das Rich­ti­ge zu tun? Das ist natür­lich eine Fra­ge, die sich durch das gesam­te Super­hel­den-Gen­re zieht. Umso mehr staunt man dann, wie hier damit umge­gan­gen wird, indem man es kon­ter­ka­riert und in einen völ­lig neu­en Kon­text setzt.

In INFINITY WAR geht es um nichts weni­ger als die Exis­tenz unse­rer Rea­li­tät, denn Ober­bö­se­wicht Tha­nos will alle beim Urknall ent­stan­de­nen Infi­ni­ty-Stei­ne zusam­men bekom­men, und das wür­de ihm eine uner­mess­li­che Macht ver­schaf­fen, die das gesam­te Uni­ver­sum bedroht (es ist kom­pli­zier­ter, aber ich möch­te ja Spoi­ler ver­mei­den …). Eini­ge die­ser Infi­ni­ty-Stei­ne sind in den ver­gan­ge­nen zehn Jah­ren MCU ohne­hin bereits in die Fin­ger der Prot­ago­nis­ten gera­ten, und so wun­dert es nicht, dass es hier ein Stell­dich­ein aller Hel­den aller Fil­me gibt, die sich dem Zer­stö­rer ent­ge­gen stel­len wollen.

Dreh­buch und Regie haben die fol­gen­de Tour de Force schlau­er­wei­se in eine fast schon unüber­schau­bar zu nen­nen­de Men­ge an Hand­lungs­or­ten- und Ebe­nen auf­ge­teilt, mit genau­so vie­len Prot­ago­nis­ten, die es zu ver­fol­gen gilt. Das tut dem Film gut, er hat kei­ner­lei Län­gen, und das trotz der immer wie­der ein­ge­scho­be­nen lang­sa­me­ren Pas­sa­gen, die dem Zuschau­er Zeit zum Durch­at­men geben, bevor der nächs­te visu­el­le Over­kill über die Lein­wand wabert. Manch einem mag das zu frag­men­tiert daher kom­men, ich den­ke, dass man die­se Kli­max nach all den Jah­ren so lösen muss­te, um alle und alles unter zu bekom­men. Fast alle.

Na klar: es gibt jede Men­ge zum Teil spek­ta­ku­lä­re Action- und Kampf­sze­nen, aber die erwar­tet man in einem Super­hel­den-Film ja auch, sonst könn­te man sich eine unwit­zi­ge deut­sche Komö­die ansehen.

Inter­es­sant dar­an ist aber neben aller Klop­pe­rei, dass das alles über­aus aus­ge­klü­gelt und strin­gent daher kommt, dass all das nicht nur allei­ne Sinn macht (man kann durch­aus auch Spaß an dem Film haben, wenn das gesam­te MCU bis­her an einem vor­bei gegan­gen ist, solan­ge man grund­sätz­lich Inter­es­se am The­ma hat), son­dern eben ein­deu­tig etwas ist, auf das so ziem­lich alle Mar­vel-Stu­dio-Fil­me der letz­ten Jah­re hin­ge­ar­bei­tet haben. Wer die alle gese­hen hat, hat des­we­gen natür­lich noch mehr Spaß an INFINITY WAR. Bei­spiel: Wenn Du eine Welt­raum-Sze­ne siehst, und auf­grund der Musik sofort und völ­lig frag­los weißt, wer jetzt auf­tau­chen wird.

Neh­men die lang­sa­men Sze­nen hin und wie­der das Tem­po aus einem rasend schnell Film ohne jeg­li­che Län­ge, so greift Mar­vel zudem auch dies­mal wie­der auf einen ande­ren bewähr­ten Kniff zurück: Die mehr­fach über­le­bens­gro­ße Dra­ma­tik wird immer wie­der mal durch Gags und Ein­zei­ler durch­bro­chen. Und auch das ist bit­ter nötig, um den Zuschau­er immer mal wie­der zu erden, in all dem Bom­bast und der Epik. Humor ist eben – im Gegen­satz zu die­sem ande­ren Fran­chise mit dem Stock im Hin­tern – auch ein zen­tra­ler Punkt des MCU.
Wie ich schon schrieb: Es ist über­aus schwer die­sen Film zu bespre­chen, denn Spoi­ler wären unfair den­je­ni­gen gegen­über, die ihn noch nicht gese­hen haben. Nicht nur wegen der dra­ma­ti­schen Gescheh­nis­se, son­dern auch wegen zahl­lo­ser klei­ner Gags und Sei­ten­hie­be am Rande.

Habe ich nichts zu meckern? Doch, aber nur auf hohem Niveau, weil sich die Macher im Dreh­buch zwei oder drei­mal all­zu leicht aus der Affä­re gezo­gen haben, aber das kann ich zum einen nicht ela­bo­rie­ren, ohne zu spoi­lern, und zum ande­ren ist das wirk­lich Geme­cker auf hohem Niveau. Wenn man sagt »das war unrea­lis­tisch«, macht man sich ange­sichts des Films, ja des gesam­ten MCU, eh nur lächerlich.

Anmer­ken möch­te ich noch, dass ich die Alt­erfrei­ga­be ab 12 an ein paar Stel­len für min­des­tens grenz­wer­tig gehal­ten habe. Aber das geht wahr­schein­lich des­we­gen durch, weil das alles eben weit­ab der Rea­li­tät ist, so unfass­bar abseits des nor­ma­len Lebens stattfindet.

Und wenn man es dann durch den Film geschafft hat, dann bekommt man auch noch einen Abschluss prä­sen­tiert, der einen mit offe­nem Mund fas­sungs­los im Kino­ses­sel zurück­lässt. Was Mar­vel da in Sachen Sto­ry und Erwar­tungs­hal­tung macht, ist von einer schie­ren Bril­li­anz, vor der ich mich nur ver­nei­gen kann, denn indem am Ende jeg­li­che Erwar­tung negiert wird und etwas völ­lig Uner­war­te­tes geschieht, prä­sen­tie­ren sie einen Abschluss, der in Hel­den-Epen so nie­mals geschieht. Man sitzt im Kino, reibt sich die Augen, und denkt: »Das darf doch alles gar nicht wahr sein, das kön­nen die doch nicht ernst­haft tun?«

Und sie tun es doch.

So, ganz genau so, erhält man das Inter­es­se an einer Serie von Super­hel­den-Fil­men auf­recht. Genau so schafft man nach zehn Jah­ren einen Film, nach dem man unbe­dingt sofort noch mehr davon sehen will. Genau so erhält man ein Fran­chise am Leben.

Alles rich­tig gemacht. Zehn von zehn Punk­ten und ich lege noch alle Infi­ni­ty-Stei­ne und ein gestreif­tes Kanin­chen oben drauf.

Anse­hen!

p.s.: Gedan­ken: Ich gehe – aus Grün­den – davon aus, dass ANT-MAN AND THE WASP vor INFINITY WAR spie­len wird. Cap­tain Mar­vel wird eine zen­tra­le Rol­le in der Auf­lö­sung die­ses Films spie­len. Der Film um Carol Dan­vers kommt aller­dings erst 2019 in die Kinos (genau­er: am 7. März). Auch den nächs­ten AVEN­GERS-Film bekom­men wir erst 2019 zu sehen (25. April), der ist angeb­lich bereits gedreht, am Stück zusam­men mit INFINITY WAR. Was eine Men­ge Sinn ergibt …

p.p.s.: Spoi­ler (mit dem Cur­sor mar­kie­ren um ihn zu sehen): Dok­tor Stran­ge hat im Film bereits erläu­tert, dass er die Lösung kennt. Er hat zig Mil­lio­nen Wahr­schein­lich­kei­ten gese­hen und nur eine, in der sie gewin­nen kön­nen. Und dar­auf­hin hat er Tha­nos sei­nen Infi­ni­ty-Stein gege­ben, um Tony Starks Leben zu ret­ten. Das ist mei­ner Ansicht nach der wich­tigs­te Hin­weis, dass das alles zu einem mehr oder weni­ger guten Ende kom­men wird (aber selbst bei einem Zeit-Reset weiß man nicht, wer ster­ben wird …). Der ande­re ist natür­lich Nick Furys Pager, der das Sym­bol Cap­tain Mar­vels zeigt. 

p.p.p.s.: Ich habe doch noch einen Kri­tik­punkt, aber den kann ich dem Film nicht anlas­ten, weil das ein rein deut­sches Pro­blem ist: An eini­gen Stel­len merk­te man wie­der mal deut­lich, dass die Syn­ch­ro lei­der völ­lig dane­ben war. Das ärgert mich sehr, ins­be­son­de­re dann, wenn man gera­de­zu weiß, was die im Ori­gi­nal gesagt haben, und dass man es ein­fachst bes­ser hät­te über­set­zen kön­nen. Und weil man davon aus­ge­hen soll­te, dass Dis­ney sich bei der Über­set­zung gut bezahl­te Spit­zen­leu­te leis­ten kann. Über­be­zahlt, möch­te ich meinen.

AVENGERS: INFINITY WAR
Dar­stel­ler: Robert Dow­ney Jr.Chris Hems­worthMark Ruf­fa­loJosh Bro­linChris PrattChris EvansScar­lett Johans­sonDon Chead­leBene­dict Cum­ber­batchTom Hol­landChad­wick Bose­manZoe Sald­a­naKaren Gil­lanTom Hidd­le­s­tonPaul Bet­ta­nyEliza­beth OlsenAntho­ny MackieSebas­ti­an StanIdris ElbaPeter Din­kla­gePom Kle­men­tieffDave Bau­tis­taVin Die­selBrad­ley Coo­perGwy­neth Palt­rowBeni­cio Del Toro u.v.a.m.
Regie: Antho­ny Rus­so und Joe Rus­so
Dreh­buch: Chris­to­pher Mar­kus und Ste­phen McFeely
Pro­du­zent: Kevin Fei­ge
Aus­füh­ren­de Pro­du­zen­ten: Vic­to­ria Alon­soLou­is D’Es­po­si­toJon Fav­reauMicha­el Gril­loJames GunnStan LeeTrinh Tran
Kame­ra: Trent Opa­loch
Schnitt: Jef­frey FordMatthew Schmidt
Musik: Alan Sil­ves­tri
Pro­duk­ti­ons­de­sign: Charles Wood
Beset­zung: Sarah Finn
149 Minuten
USA 2018

Ratings:
IMDb: 9,0 von 10
Rot­ten Toma­toes: Audi­ence Score 92%, Tom­ato­me­ter 84%
Meta­cri­tic: Audi­ence Score 8.7 von 10, Metas­core 68%

Pro­mo­fo­tos Copy­right Mar­vel Stu­di­os und The Walt Dis­ney Company

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