AVATAR: THE WAY OF WATER

AVATAR: THE WAY OF WATER – deut­scher Kino­start am 14.12.2022

Ent­hält klei­ne­re Spoi­ler, aber nichts schlimmes.

Es war einer der größ­ten Trep­pen­wit­ze der Kino­ge­schich­te: Die Fort­set­zung von Regis­seur James Came­rons damals bahn­bre­chen­den Film AVATAR, der 2009 jede Men­ge Rekor­de zer­schmet­ter­te. Und es soll­te selbst­ver­ständ­lich ein Nach­fol­ger kom­men, dann eine Tri­lo­gie … und dann wur­de ver­scho­ben, ver­scho­ben und noch drei­mal ver­scho­ben, »zwi­schen­durch« wur­de auch noch Cent­fox durch Dis­ney erwor­ben. Als es hieß, Dezem­ber 2022 sei nun end­gül­tig der Ter­min für den Kino­start des zwei­ten Teils, dach­te ich, dass ich das glau­be, wenn ich im Kino sit­ze. Nun, ges­tern habe ich tat­säch­lich dort geses­sen. Und Sitz­fleisch benö­tigt man defi­ni­tiv für AVATAR: THE WAY OF WATER mit sei­nen drei Stun­den und zwölf Minu­ten Lauf­zeit, also noch­mal eine hal­be Stun­de län­ger als der erste.

Wenn man mich nun fragt, ob sich das War­ten und das Sit­zen denn auch gelohnt haben, kann ich dar­auf lei­der kei­ne ein­fa­che Ant­wort geben …

Es hieß immer wie­der, dass einer der Grün­de für die lang­jäh­ri­gen Ver­zö­ge­run­gen gewe­sen sei, dass Came­ron Per­fek­tio­nist ist. Das bemerkt man frag­los bei den über­bor­den­den Spe­zi­al­ef­fek­ten und den CGI (com­pu­ter gene­ra­ted images). Was hier ins­be­son­de­re unter und nah über dem Was­ser zu sehen ist, kann man erneut nur als bahn­bre­chend bezeich­nen – und ich befas­se mich seit Jah­ren inten­siv mit dem The­ma com­pu­ter­ge­ne­rier­te Bil­der und VFX, unter ande­rem weil ich auch selbst ren­de­re. Viel davon hat so noch nie­mand gemacht und es ist eine hel­le Freu­de sich die Ali­en-Oze­an-Sze­ne­rien und die dar­in schwim­men­den Vie­cher anzu­se­hen; natür­lich eine kon­se­quen­te Fort­füh­rung der Urwald-Sze­ne­rien des ers­ten Teils. Making Ofs deu­ten auch bereits an, wel­cher immense Auf­wand hier betrie­ben wur­de, eben wegen Came­rons Perfektionismus.

Äußerst bemer­kens­wert auch das noch­mals ver­bes­ser­te Moti­on Cap­tu­ring und die gera­de­zu ver­blüf­fend glaub­wür­di­ge Inte­gra­ti­on aus rea­len Sze­ne­rien und Schau­spie­lern mit den com­pu­ter­ge­ne­rier­ten Bil­dern. Wo man bei ande­ren Fil­men, auch auf­wen­di­gen, manch­mal Pat­zer erken­nen kann, ist alles was man bei THE WAY OF WATER sieht, makel­los in der Umset­zung. Ich war vor­her ver­hal­ten, denn ich hat­te ange­nom­men, dass man nach über einem Jahr­zehnt Mar­vel Cine­ma­tic Uni­ver­se Mühe haben wür­de, deren Bil­der zu über­bie­ten. Das schafft Came­rons Film aber tat­säch­lich und setzt frag­los auch dies­mal neue Maß­stä­be. Hilf­reich ist bei den Cha­rak­te­ren aber sicher­lich auch, dass man Ali­ens leich­ter aus dem Uncan­ny Val­ley gehievt bekommt, als Menschen.

Und erneut kann man sich wie­der nur vor der 3D-Umset­zung ver­nei­gen. Wo ande­re Fil­me auf eine preis­wer­te Nach­kon­ver­tie­rung set­zen (die heut­zu­ta­ge rela­tiv sim­pel zu machen ist und den­noch gut aus­sieht, das war zu Anfang der Nut­zung die­ser Tech­nik noch anders), bekommt man bei die­sem Strei­fen wie­der ein­mal zu sehen, was ech­tes 3D und ein künst­le­ri­sche ganz­heit­li­che Inte­gra­ti­on die­ses Medi­ums in die Kame­ra­ar­beit, Schnitt und all­ge­mei­ne Umset­zung bedeu­tet. Auch das kann ich nur spek­ta­ku­lär sehens­wert nennen.

Vom Tech­ni­schen her, aber auch von der Kame­ra­füh­rung, Kame­ra­mann Rus­sell Car­pen­ter lässt den Zuschau­er trotz zum Teil hek­ti­scher Action in drei Dimen­sio­nen immer ziem­lich genau wis­sen, wo er gera­de in der Sze­ne ist, kann man also an AVATAR zwei wenig bis nichts aussetzen.

Dum­mer­wei­se ist das immer noch ein James Came­ron-Film und der beherrscht frag­los spek­ta­ku­lä­re Sze­ne­rien und tech­ni­sche Inno­va­ti­on, aber dass sei­ne Dreh­bü­cher gern mal … nen­nen wir es vor­sich­tig … Defi­zi­te haben, ist lei­der eben­falls bekannt. Zieht man beim ers­ten Teil die Spe­zi­al­ef­fek­te und das damals bahn­bre­chen­de 3D ab, bleibt eine rela­tiv dün­ne Pocahontas-Story.

 

Und genau dar­an schwä­chelt auch THE WAY OF WATER. Es ist alles ziem­lich vor­her­seh­bar und es gibt Plot­lö­cher durch die man mit einem Ali­en-Wal schwim­men könn­te, wenn nicht sogar mit einem Sci­Fi-Wal­fän­ger­schiff. Zudem nimmt man sich neben der Hand­lung enorm viel Zeit dafür, die Welt mit den oben genann­ten zuge­ge­ben äußerst sehens­wer­ten VFX zu zei­gen. Das erweckt bis­wei­len einen »guckt mal, was wir können!«-Effekt. Das wäre aber noch zu ver­kraf­ten. Und streng genom­men hat der Film trotz sei­ner laaa­an­gen Lauf­zeit auch eigent­lich kei­ne Län­gen, ist also durch­aus extrem unter­halt­sam, aber eine hal­be Stun­de weni­ger mit etwas kom­pri­mier­te­ren Land­schafts- und Oze­an-CGI und weni­ger auf­ge­setz­ten pseu­do­phi­lo­so­phi­schen Weis­hei­ten hät­te auch gereicht.

Der gesam­te Kern­plot, und war­um man hin­ter Sul­ly und Fami­lie her ist, ist – und ich kann es lei­der nicht anders sagen – an ganz, ganz dün­nen Haa­ren her­bei­ge­zo­gen. Hin­zu kommt, dass das Dreh­buch es sich oft zu ein­fach macht, um Cha­rak­ter­mo­ti­va­ti­on zu erzeu­gen, indem immer und immer wie­der mit noch­mal einen drauf dar­auf hin­ge­wie­sen wird, wer denn hier die Bösen sind und was sie dau­ernd so alles an Bösem tun (aller­dings blei­ben die Ant­ago­nis­ten eh die gan­ze Zeit holz­schnitt­ar­tig flach oder sind nur Staf­fa­ge). Das kann man zum einen krea­ti­ver tun und zum ande­ren habe ich irgend­wann gedacht: Ja, ist mal gut, ich hab wirk­lich ver­stan­den dass der Bös­watz und sei­ne Erfül­lungs­ge­hil­fen böse sind (und sonst kei­ne  nach­voll­zieh­ba­re Moti­va­ti­on haben). Dazu kom­men ins­be­son­de­re gegen Ende frag­wür­di­ge Abkür­zun­gen des Dreh­buchs, wenn eine hand­lungs­wich­ti­ge Figur ohne Not neben­bei und sinn­los abser­viert wird, um die Hel­den noch­mal anzu­sta­cheln, als ob die nicht eh schon genug Moti­va­ti­on gehabt hät­ten. Oder wenn der Ober­bö­se­wicht plötz­lich etwas weiß, das er nicht wis­sen kann, um den Hel­den zu pro­vo­zie­ren. Oder wenn eine Figur auf eine Art und Wei­se geret­tet wird, die in Sachen betei­lig­te Cha­rak­te­re nicht nach­voll­zieh­bar ist, und ein­zig der Tat­sa­che geschul­det, dass man die Figur noch für den nächs­ten Teil braucht (schon wie­der, statt sich mal was Neu­es aus­zu­den­ken). Das geht alles bes­ser und vor allem weni­ger bra­chi­al, dage­gen neh­men sich frag­wür­di­ge Ent­schei­dun­gen von Teen­agern (oder wie alt die Ali­en-Her­an­wach­sen­den auch immer sein mögen) fast schon erfri­schend nor­mal aus.

Die meis­ten die­ser Dreh­buch-Pat­zer sind ärger­lich, denn sie hät­ten leicht … äh … umschifft wer­den kön­nen und der Film wäre dadurch deut­lich bes­ser gewor­den. Neben Came­ron haben auch noch Rick Jaf­fa und Aman­da Sil­ver am Dreh­buch geschrie­ben und die drei zusam­men mit Josh Fried­man und Shane Saler­no an der Sto­ry. Sind bei so vie­len Leu­ten sol­che ärger­li­chen Abkür­zun­gen und Plot­lö­cher denn wirk­lich notwendig?

Jetzt habe ich der­ma­ßen viel geme­ckert. Ist der Film denn schlecht? Nein, das ist er durch­aus nicht, man bekommt über drei Stun­den spek­ta­ku­lä­re Bil­der, Sze­ne­rien, Action­ein­la­gen und Herz­schmerz, samt einer Urein­woh­ner-Sto­ry, die lei­der zu dicht an India­nern und Mao­ri ist (ich hab mich auch die gan­ze Zeit gefragt, war­um Ali­ens die­sel­be Mimik haben, wie Men­schen … aber dar­über hat­te ich beim ers­ten Teil eben­falls schon sin­niert und ist natür­lich der Erwar­tungs­hal­tung der Zuschau­er geschul­det und dass man sich mit den Figu­ren muss iden­ti­fi­zie­ren kön­nen). Ich ärge­re mich nicht über das Ein­tritts­geld oder die Zeit im Kino und man soll­te sich AVATAR – THE WAY OF WATER defi­ni­tiv mal anse­hen, am bes­ten in 3D HFR, die hohe Bild­ra­te ist gera­de für schnel­le Sze­nen ein Muss und unter­stützt bes­tens das 3D. Der Soap-Ope­ra-Look ist ange­sichts des Gebo­te­nen ohne­hin schnell ver­ges­sen und sowie­so nur unse­rer jahr­zehn­te­lan­gen Gewöh­nung an ver­wisch­te Kino­bil­der geschul­det; ich mag HFR, ins­be­son­de­re bei opu­len­ten Popcornkino-Filmen.

Was ich aller­dings tat­säch­lich ärger­lich fin­de ist, dass der Film mit ein wenig mehr Sorg­falt beim Dreh­buch deut­lich bes­ser hät­te sein kön­nen. Dann hät­te der Inhalt auch qua­li­ta­tiv zu den atem­be­rau­ben­den Bil­dern gepasst.

Kann man wirk­lich mal gucken, man soll­te aller­dings in der Lage sein, sich ein­fach an den Bil­dern zu erfreu­en und über die papier­dün­ne Sto­ry samt Plot­lö­chern hin­weg­se­hen zu können.

AVATAR: THE WAY OF WATER

Beset­zung:
Regie: James Came­ron
Dreh­buch: James Came­ronRick Jaf­faAman­da Sil­ver nach einer Sto­ry von den drei­en und Josh Fried­man sowie Shane Saler­no
Pro­du­zen­ten: James Came­ronJon Land­au
Aus­füh­ren­de Pro­du­zen­ten: Richard Bane­hamDavid Val­des
Kame­ra: Rus­sell Carpenter
Schnitt: David Bren­nerJames Came­ronJohn RefouaSte­phen E. Rivkin
Musik: Simon Fran­g­len, basie­rend auf The­men von James Horner
Pro­duk­ti­ons­de­sign: Dyl­an ColeBen Proc­ter
Cas­ting: Mar­ge­ry Simkin
192 Minuten
USA 2022

Pro­mo­fo­tos Copy­right 20th Cen­tu­ry Studios

AutorIn: Stefan Holzhauer

Meist harm­lo­ser Nerd mit natür­li­cher Affi­ni­tät zu Pixeln, Bytes, Buch­sta­ben und Zahn­rä­dern. Kon­su­miert zuviel SF und Fan­ta­sy und schreibt seit 1999 online darüber.

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