Eines muss man den Brüdern Michael und Peter Spierig lassen, sie nehmen sich die Zeit, die ein Film tatsächlich verdient. Mit UNDEAD und DAYBREAKERS ist dies seit 2003 erst ihr drittes Werk, obwohl sie durchaus das Zeug dazu hätten, im Pool der Großen zu schwimmen, und sich dort auch zu behaupten. Aber die Gebrüder Spierig sind genau die Filmemacher, die ein Genre-Publikum einfach braucht, um immer wieder einen Blick über den Tellerrand gegönnt zu bekommen. Und das wird regelmäßig besonders heikel, wenn es um Zeitreisen geht. Zeitreisen, das sind immer diese Geschichten, wo sich ganz schlaue Köpfe hervortun, die exakt erklären können, wo das Paradox oder der Fehler, oder das Paradox und gleichzeitige Fehler liegen. Und jedes noch so geartete Szenario einer Zeitreise kann begrüßt oder in Grund und Boden gestampft werden. Die Begründungen in den Ausführungen sind dabei stets mit Logik erklärt. Was wiederum andere Fragen aufwirft: Wie will jemand allen Ernstes ein theoretisches Phänomen mit Logik erklären? Führt zu einer weiteren Frage: Sind Zeitreisen wenigstens in der Theorie wissenschaftlich betrachtet möglich? Und so kann diese Diskussion endlos geführt werden. Letztendlich entscheidet das Publikum über jede Form von Paradoxen in Zeitreisen individuell damit, ob die Erzählung in seiner Inszenierung eine Akzeptanz zu vermitteln versteht.
Die deutschstämmigen Brüder haben lange grübeln müssen, ob sie Robert A. Heinleins Kurzgeschichte ALL YOU ZOMBIES aus dem Jahre 1958 in Gestaltung und Ton so beibehalten könnten. Sie wollten. Und so kommt 1970 ein Mann in eine Bar. Sein Name ist John, und er will sich betrinken. Für solche Typen hat ein anständiger Bartender immer ein offenes Ohr, und im richtigen Moment immer die richtigen Fragen. Schließlich kommt es zur Wette um eine Flasche Whiskey, dass John die verrückteste Geschichte erzählen könne, die der Bartender jemals gehört hat. Es ist die Geschichte von Jane, die 1945 in einem Waisenhaus abgelegt wird. Janes Kindheit ist schwierig, weil sie keinem Ärger aus dem Weg geht. Und Janes Jugend wird schwierig, weil sie mit ihrem Intellekt mehr für Verwirrung sorgt. Für eine geheime Weltraum-Organisation wäre sie die perfekte Kandidatin, scheitert aber aus ominösen Gründen. Da lernt sie den Mann ihrer Träume kennen und lieben, wird prompt allein gelassen, erwartet aber ein Kind von ihm. Als wäre das nicht genug, wird das Baby aus der Krippe entführt.
Wer bei den Reizworten »Zeitreise« und »Zeitreise-Cop« heiß geworden ist, wird von PREDESTINATION ganz sicher überrascht. Und das wird in beide Richtungen losgehen. Er ist nicht der Film, den man zu erwarten glaubt, sondern weit komplexer und vielschichtiger. John hat eine spezielle Beziehung zu Jane und würde den Mann, der sie erst schwängerte und dann sitzen ließ, was ihre gesamte Existenz auf den Kopf stellte, sofort umbringen. Der Bartender bietet John die Möglichkeit, jenen Mann zu töten, ohne jedwede Konsequenz. Denn für den Bartender war John kein Überraschungsbesuch, sondern er hat als Zeit-Agent bereits auf ihn gewartet. Agent einer Organisation, die immer wieder größeren Schaden von der Menschheit fern hält, sofern es nicht den Verlauf der Geschichte beeinflusst. Der Bartender bringt John an den Punkt im Jahr 1963, wo Jane den Mann trifft, der ihr das Leben kaputt machen wird. Währenddessen muss sich der Bartender noch um einen Bombenleger kümmern, welcher ihm schon mehrmals entwischt ist, aber 1975 bei einem Anschlag 11000 New Yorker töten wird.
In Anbetracht dessen, dass die verschiedenen Epochen von 1945, 1963, 1970, 1975, und 1985 vergleichsweise nahe zusammen liegen, ist es dem Team um Matthew Putland in Ausstattung und Kostüm ausgezeichnet gelungen, die Zeiten sofort optisch klar zu differenzieren. In dieser Beziehung enttäuscht vielleicht etwas Ben Notts Bildgestaltung. Der Kameramann hat sauber jede Szene nach ihren Ansprüchen definiert und aufgelöst. So ist es nur der einsame Wunsch eines Filmfreaks, hätte Nott sich, wie das Produktionsdesign, den verschiedenen Epochen mit variierenden Stilmitteln angenähert.
Bleibt die Regie der Spierig-Brüder, die sich genau die richtige Zeit nimmt, um eine Geschichte zu erzählen, die sich nicht etwa dem Thema, sondern ihren Figuren verschrieben hat. Doch auch wenn sie ihr Publikum zu binden verstehen, etwas ratlos wird es dennoch bleiben. Die Spierigs haben einen Anspruch, dem sie konsequent folgen. Man könnte ihnen unterstellen, sich selbst einen erhöhten intellektuellen Standpunkt zuzuschreiben, dem der Film letztendlich nicht gerecht wird. Losgelöst von allen Prämissen, von jeder falsch gesetzten Erwartungshaltung, ist PREDESTINATION ein sehr spannender Film. Spannend in dem Bezug, dass die Regisseure genau verstanden, welcher Szene welche Gewichtung bekommen musste. Und wie sie im Ablauf richtig zu erzählen wäre.
Der Film bleibt trotz allem eine Herausforderung. Er will kein Publikum, welches sich den Kern einer Geschichte erzählen lässt, sondern die Herausforderung annimmt und immer wieder das Erlebte reflektiert. PREDESTINATION ist ein Film, auf den man sich einlassen muss. Und vielleicht muss der ein oder andere sogar bereit sein, Kompromisse einzugehen. Denn Zeitreisen waren schon immer ein sehr heikles Thema, welches sehr leicht zu polarisieren versteht. Auch wenn es für vernünftige Argumentationen keinerlei wissenschaftlichen Grundlagen gibt. Nur theoretische Gebilde. Und ein solches entwirft PREDESTINATION. Mit einer provokanten Kompromisslosigkeit.
PREDESTINATION
Darsteller: Ethan Hawke, Sarah Snook, Noah Taylor u.a.
Drehbuch & Regie: The Spierig Brothers (Michael & Peter)
Kamera: Ben Nott
Bildschnitt: Matt Villa
Musik: Peter Spierig
Produktionsdesign: Matthew Putland
97 Minuten
Australien 2014
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