ANT-MAN AND THE WASP: QUANTUMANIA – Deutschlandstart 15.02.2023
Enthält kleinere Spoiler, aber nur wenn ihr noch keine Trailer gesehen habt. Wenn ihr noch keine Trailer gesehen habt und keine Spoiler möchtet, lest die Besprechung erst nach dem Kinobesuch.
Gestern kurz vor dem Kinobesuch hörte ich eine Besprechung im SWR 3, in der die Besprechende Aussagte, dass sie die beiden ANT-MAN-Filme super fand. Weil sie mit dem groß- und klein Werden in einer realistischen Umgebung mit »richtigen« Menschen spielten und jede Mange Gags daraus zogen. QUANTUMANIA kreidete sie an, dass man das jetzt in eine völlig andere Umgebung transplantiert habe (die ihrer Ansicht nach »komplett nach STAR WARS aussah« – vielleicht weil in einer Szene Kapuzenmänner mit leuchtenden Augen vorkamen?) und nach dem Gag, in dem Ant-Man als Spider-Man angeredet wurde, angeblich keine weiteren Gags mehr kamen. Und sie vergab einen von fünf Punkten.
Ich will hier sicherlich niemandem ihre Meinung absprechen, jede darf eine haben, aber:
WEH TEH EFF?
Ja, die ersten beiden ANT-MAN-Filme haben mehr als ausgiebig mit den Gags gespielt, die sich aus dem Schrumpfen und Vergrößern von Personen und Gegenständen ergaben. Und genau deswegen hatte sich das natürlich auch abgenutzt und wer ernsthaft nochmal dasselbe erwartet, die kennt Marvel offensichtlich schlecht, denn exakt das ist es ja, was das Studio von anderen abhebt: Dass sie eben NICHT das tun , was sie bereits taten, und mit Unerwartetem überraschen.
Nahezu die gesamte Handlung in die Quantenebene zu verlegen war genau der Kunstgriff, den das Thema Ant-Man benötigte, um nicht seine eigenen Gags zu plagiieren und um etwas Neues zu präsentieren, abseits der aus den Vorgängerfilmen sattsam bekannten Plotdevices und Gimmicks – und das obwohl sie dennoch zentrale Handlungselemente sind. Das führt in QUANTUMANIA aber eben dazu dazu, dass man halt nicht in erster Linie erneut auf die Vergrößerungs-Verkleinerungs-Gags und ‑Effekte setzt, die die ersten beiden dominiert hatten.
Hinzu kommt, dass QUANTUMANIA eben nicht nur ein weiterer Marvel-Film ist, er ist ein ganz zentraler Aufbaupunkt für das, was jetzt noch kommen wird und was allerspätestens seit LOKI angeteasert wurde. Deswegen sehe ich auch über gewisse kleine Handlungsschwächen gern hinweg, denn das ist kein für sich allein stehender Film, er muss zwingend in einem größeren Kontext als Wegbereiter für Kommendes gesehen werden. Und trotzdem zieht er sich ganz hervorragend aus der Affäre (wenn man von den genannten kleineren Plotdellen gnädig hinweg sieht, was diesem Rezensenten allerdings prima gelingt), denn er ist durchgängig hochunterhaltsam.
Marvel zeigt uns nun seit deutlich über einem Jahrzehnt (ja, ernsthaft, so lange ist das schon), mit welch überbordender Kreativität sie arbeiten und es klingt abgedroschen, aber zum einen variieren sie das Thema und zum anderen verstehen sie es halt immer wieder zu überraschen. Sei es mit unerwarteten Plottwists oder mit Eyecandy.
Und wenn man eins sagen kann, dann sicherlich das: QUANTUMANIA strotzt nur so von Eyecandy und vor allem auch von einigen der abgefahrensten, kreativsten und irrsten Ideen in dieser Quantenebene, die man bisher zu sehen bekam. Ähnlich wie bei den GUARDIANS, insbesondere VOL 2, nur noch ein paar Etagen abgefahrener. Und das betrifft Szenarien, Viecher, Wesen und Spezialeffekte. Konservative könnten diesem ANT-MAN vorwerfen, dass er zu nahezu 100 Prozent aus VFX besteht und – abgesehen von den Schauspielenden (und selbst die nicht alle) – nahezu nichts echt ist. Wer das entspannter sieht, so wie ich, und sich eben auch an gut gemachten, aus überbordender Fantasie erwachsenen, visuellen Effekten erfreuen kann, wird vortrefflich bedient.
Wenn man dann noch sieht, wie geschickt sie einweben, dass man Kang aus den Comics mit blauer Hautfarbe kennt, kann man sich nur noch einmal über den Einfallsreichtum der Macher freuen, der geschickten Fanservice mit zwinkernden Augen betreibt, immer gern mit Erwartungshaltungen spielt und ziemlich genau weiß, wann man sie erfüllen und wann brechen muss.
Die Handlung muss sich ein wenig dem oben bereits angerissenen Zweck des Films unterordnen, darauf sollte man sich einstellen. Dennoch bleibt Zeit für Schauspiel, insbesondere bei Michelle Pfeiffer und einem besonders gut aufgelegten, geradezu clownesken Michael Douglas. Hervorheben muss man ganz sicher Jonathan Majors als Kang (the Conqueror), der brilliant zwischen nettem Kerl und irrem Größenwahnsinnigen changieren kann, die Seiten der Persönlichkeit in Sekundenbruchteilen wechselt – und das äußerst überzeugend tut. Sehr sehenswert aber auch Kathryn Newton als Ant-Tochter Cassie, die es versteht, bestechend gegen die Schauspiel-Schwergewichte anzuspielen.
Filme und Serien aus dem Marvel Cinematic Universe werden nicht für Filmkritiker gemacht, ebenfalls sind sie kein Arthouse, das sollte sich inzwischen herum gesprochen haben. Tatsächlich bestehen sie zu nahezu 100% aus Fanservice. Fanservice gegenüber alten Marvel-Fans (wobei man gern mal mit voller Absicht Trolle verprellt) oder gegenüber im letzten Jahrzehnt neu gewachsenen Anhänger°Innen des MCU. Einer dieser Fanservice-Aspekte ist MODOK, der in diesem Film auftritt, wie man schon aus den Trailern wusste. Und der so ziemlich das Überflüssigste an diesem Film ist. Schon in den Comics ist MODOK ein ziemlicher Trottel, der auch noch lächerlich aussieht, das ist er auch in diesem Film und das tut er auch in diesem Film. Man hat ein wenig den Eindruck, er wurde eben als Fanservice für die MODOK-Anhänger schnell in den Film geschrieben, um die Nummer aus dem Kopf zu haben. »Ein für allemal aus dem Kopf zu haben« möchte ich im MCU und insbesondere in diesem Handlungsbogen aus nachvollziehbaren Gründen nicht schreiben. Da mich der restliche Film aber ausgesprochen gut unterhalten hat und MODOK nur sparsam eingesetzt wurde, nehme ich ihnen den nicht übel.
Wenn die SWR-Kritikerin in ihrer Kurzbesprechung gestern sagte, nach dem SPIDER-MAN-Gag am Anfang kämen keine mehr, muss sich ihr Humorverständnis grundlegend von meinem unterscheiden, denn tatsächlich kommt man auch in Sachen Schenkelklopfer wie von Ant-Man und Marvel gewohnt auf seine Kosten.
Eigentlich möchte ich nicht mehr über Synchros moppern, aber man sollte doch annehmen, dass es ein Weltkonzern wie Disney es schaffen sollte, eine Übersetzung abzuliefern, bei der die Sprecherin von Michelle Pfeiffer nicht leicht und Michael Douglas schwer lispeln. Insbesondere der Sprecher von Douglas klang stellenweise als hätte er vergessen die Zähne reinzutun. Ja, ich weiß, das hört sich gegenüber Volker Brandt reichlich despektierlich an, aber so ist es nun mal leider. Der Rest der Snychro ging wohl von den Formulierungen her in Ordnung.
Ebenfalls in Ordnung ging die Filmmusik, ich hatte seit langem mal wieder das Bedürfnis, mir einen Soundtrack zu kaufen.
Ich gehe davon aus, dass jede, die sich ANT-MAN AND THE WASP: QUANTUMANIA ansieht das als MCU-Anhänger tut. Und die sind in dem Streifen genau richtig. Wobei gerade mit diesem Film auch ein guter Einstiegspunkt für jene wäre, die neu einsteigen wollen, weil es eben ein definierender Moment der kommenden Handlung ist, was das Dazustoßen leicht macht. Aber mal im Ernst: Wer das MCU der vergangenen (fast) 15 Jahre verpasst hat, muss auch mit diesem Film nicht mehr anfangen.
Next Stop: GUARDIANS OF THE GALAXY VOL. 3.
p.s.: Post-Credits-Szenen. Zwei. The game is afoot.
ANT-MAN AND THE WASP: QUANTUMANIA
Besetzung: Paul Rudd, Evangeline Lilly, Jonathan Majors, Kathryn Newton, Michelle Pfeiffer, William Jackson Harper, Katy M. O’Brian, Michael Douglas, David Dastmalchian, David Bertucci, Milos Bindas, Bill Murray, Corey Stoll u.v.a.m.
Regie: Peyton Reed
Drehbuch: Jeff Loveness
Produzenten: Stephen Broussard, Kevin Feige
Ausführender Produzent: Kevin de la Noy
Kamera: Bill Pope
Schnitt: Adam Gerstel, Laura Jennings
Musik: Christophe Beck
Produktionsdesign: Will Htay
Casting: 125 Minuten
USA 2023
Promofotos Copyright Marvel Studios und Walt Disney Pictures