Dafür, dass WIE DER WIND SICH HEBT von Hayao Miyazaki selbst als sein letzter Film angekündigt wurde, behandelt Universum Film den Verleih sehr stiefmütterlich. Keine eigene offizielle Seite, der Presseserver hält kein Material bereit, die deutschen Synchronsprecher sind nirgendwo aufgeführt; lediglich auf der Universum-Seite selbst findet sich eine karge Auswahl an Bildern. Das wirft die Frage auf, ob Universum dem Film eventuell nicht vertraut. Es zeichnet sich klar ab, dass man Anime-Filme mögen muss, um an WIE DER WIND SICH HEBT Gefallen zu finden. Denn mit einer gewissen Dramaturgie geht er sehr sparsam um.
Es wird das Leben des Flugzeugkonstrukteurs Jiro Horikoshi über vier Jahrzehnte erzählt. Schon in Kindheitstagen träumt Jiro sich in eine Welt, die er mit der Flugzeugbauer-Legende Gianni Caproni in Freundschaft teilt. Sind beide Männer reale Personen, sind die privaten Geschichten rein fiktiv. Als Regisseur und Drehbuchautor Hayao Miyazaki das gleichnamige Manga zeichnete, war er lediglich an Jiro Horikoshis Faszination und Leidenschaft für Flugzeuge interessiert.
Dass Miyazaki ausgerechnet Jiro Horikoshis Leben auf diese Art behandelt, ist problematisch. Denn Horikoshi hat letztendlich die Mitsubishi Zero entwickelt, jenes Flugzeug, mit dem Japan seinen Kriegsgegnern im zweiten Weltkrieg ordentlich überlegen war, und auch darüber hinaus grausames Unheil heraufbeschwor. Natürlich ist Jiro Horikoshi weder für den Krieg selbst noch für die Einsätze seiner Konstruktion verantwortlich. Aber es wäre interessanter gewesen, das Ergebnis seiner Leidenschaft in direkten Kontext zu seinem wirklichen privaten Leben zu setzen, und nicht einem ersonnenen Hintergrund, zu dem die an Tuberkulose erkrankte Liebe des Flugzeugbauers letztendlich nichts beiträgt oder erklärt. Seinem imaginären Freund Caproni erzählt Jiro, wie traurig es ihn stimme, dass sein Produkt für diese Zwecke eingesetzt wird. Das ist etwas zu schwach – und zu einfach. Vorweg genommen gibt es während des Verlaufs immer wieder Traumsequenzen, in welchen Jiro das nahende Unheil erahnt, doch sieht er sich nie darin als jemanden, der Verantwortung tragen müsste. Kontroversen, die Jiro Horikoshi allerdings als Kriegstreiber bezeichnen und Hayao Miyazaki weichgespülte Verharmlosung vorwerfen, sind hysterischer Quatsch.
Spielerisch geht Hayao Miyazaki mit seiner Handlung um und vertieft den Charakter eines Mangas mit einfallsreichen Details. Das Beben und die Nachbeben von Kanto zum Beispiel, sind mit Geräuschen untermalt, die das Brüllen eines gigantischen Monsters imitieren. Aber auch die Hintergründe stehen oftmals in starken Kontrast zu den schlicht gezeichneten Anime-Figuren, indem sie fast fotorealistischen Charakter haben. Im Verlauf des Films wird immer deutlicher, dass Miyazaki mehr an der Poesie von Bildern und tatsächlich an der Leidenschaft für Flugzeuge interessiert war. Seine Figuren hingegen haben kaum Tiefe, geschweige denn die Handlung, bei der die einzelnen Stränge nicht wirklich ineinander greifen. Natürlich kann man mit gutem Willen dem Film alles mögliche vorwerfen und anlasten. Doch das führt weit am Filmischen vorbei, und ist auch nicht angebracht. WIE DER WIND SICH HEBT ist schlichtweg ein ganz anders erzählter Film, als man herkömmlich erwarten würde. Sehr originell im Detail, sehr unaufgeregt erzählt, doch allgemein kein bisschen an »westliche« Sehgewohnheiten angelehnt. Also: man muss Anime wirklich mögen, um an WIE DER WIND SICH HEBT Gefallen zu finden.
WIE DER WIND SICH HEBT – KAZE TACHINU
Stimmen:
Jiro Horikoshi: Hideaki Anno / Joseph Gordon-Levitt / deutsch n.n.
Naoko Satomi: Miori Takimoto / Emily Blunt / deutsch n.n.
Honj?: Hidetoshi Nishijima / John Krasinski / deutsch n.n.
Hattori: Jun Kunimura / Mandy Patinkin / deutsch n.n.
Jiros Mutter: Keiko Takeshita / Edie Mirman / deutsch n.n.
Caproni: Mansai Nomura / Stanley Tucci / deutsch n.n.
Kurokawa: Masahiko Nishimura / Martin Short / deutsch n.n.
Kayo Horikoshi: Mirai Jita / Mae Whitman / deutsch n.n.
Satomi: Morio Kazama / William H. Macy / deutsch n.n.
Kurokawas Frau: Shinobu ?take / Jennifer Grey / deutsch n.n.
Castorp: Stephen Alpert / Werner Herzog / deutsch n.n.
Regie & Drehbuch & Comic: Hayao Miyazaki
Kamera: Atsushi Okui
Bildschnitt: Takeshi Seyama
Musik: Joe Hisaishi
126 Minuten
Japan 2013
Promofotos Copyright Universum Film (UFA)