Im Januar 2010 verfasste ein gewisser »Sean« glücklicherweise einen Kommentar auf PhantaNews. Der dabei hinterlassene Link wortwellen.wordpress.com erweckte schon allein aufgrund des Namens mein Interesse (und weil ich grundsätzlich neugierig bin), deswegen suchte ich diese Seite auf. Eine Anfrage später hatte ich dann auch schon die Erlaubnis, eine Story mit dem Titel GESCHICHTEN FÜR DEN QUABBAKOTTR zu veröffentlichen. Danach verfolgte ich hier auf PhantaNews mit Artikeln und News die Entwicklung seines Romans TÍR NA NÓG.
TÍR NA NÓG ist inzwischen als Hörbuch im Action Verlag erschienen, die Fortsetzung TÚATHA DÉ DANANN erscheint am Horizont, ich hielt das für erklassige Gründe, Sean O’Connell mit einigen Fragen zu behelligen und die Antworten kamen in Rekordzeit.
PhantaNews: Hallo Sean, vielen Dank für Deine Bereitschaft, Dich unseren bohrenden Fragen zu stellen! Wärst Du so freundlich, Dich unseren Lesern in ein paar Worten vorzustellen?
Sean O’Connell: Selbstverständlich … mein Name ist Sean O’Connell – und warum der Name so ist wie er ist, liegt daran, dass ich irisch-deutscher Herkunft bin –, Geburtsland: England. Also eine runde genetische Mischung sozusagen (lacht). Mit vier oder fünf Jahren lebte ich in London und hatte irgendwie das Glück, dass dort keine FSK existierte, denn eines Tages schleppte mich meine Mutter in die Première von SILENT RUNNING und von diesem Augenblick an, war es um mich geschehen. Ich hatte eine neue Liebe entdeckt: Science Fiction. Das Schreiben von Geschichten begann ich jedoch erst in Deutschland.
Dein aktuell als Hörbuch erschienenes Werk TÍR NA NÓG entzieht sich inhaltlich erfreulicher Weise so ziemlich allen klassischen Genres. Man findet Abenteuerroman, Steampunk, Endzeit/Postapokalypse, Historienroman, Fantasy und SF darin wieder, und wenn ich noch ein wenig nachdenken würde, sicherlich noch ein paar Spielarten der Phantastik mehr. Wie konnte es dazu kommen?
TÍR NA NÓG ist eigentlich ein Konglomerat von vielen Konzepten die ich bereits seit 1982(!) verfolgt habe, von Science Fiction bis Thriller bis hin zum Templer- und Gralsroman. Ganz am Anfang stand MICHAEL ALTFELD UND SEINE SUCHE NACH DEM TABERNAKEL, so fing ich 1982 an. Als meine Tochter 2001 geboren wurde, also eine ganze Ecke später, hatte ich für die Geschichte mittlerweile eine fulminante Timeline entwickelt, die von ‑446.000 v. Chr. bis 43.600 n. Chr. reichte und schon mehrere, fast fix und fertige, Fassungen gekostet hatte, die alle nicht funktionierten – die Sache war mir über den Kopf gewachsen und ich wußte mit dem ganzen Werk nicht mehr ein noch aus. Denn eins war mir längst klar geworden: in eine verwertbare Verleger-Schublade paßte das ganze Ding nicht. Doch dann stieß ich irgendwann auf die Werke von China Miéville und seine Bas-Lag-Serie und das gab mir Mut, es nochmals anzugehen. Hier war eine neue, mutige Form von Fantasy, die sich um Schubladen einen Dreck scherte. Ich beschloß eine Art Prequel zu meinem vorherigen Konzept zu erarbeiten. Ein alter Mann und ein Junge standen nun im Mittelpunkt der Handlung.Wir wissen, dass Verlage gern in Schubladen denken – die dürften bei einem derartigen Roman die Hände über dem Kopf zusammen und die Tür vor der Nase zuschlagen? Warum hat man Deiner Ansicht nach heutzutage mit Ideen und Konzepten abseits des Mainstreams leider allzu oft »nur« bei Klein- und Special-Interest-Verlagen eine Chance?
Ich habe vor eineinhalb Jahren versucht, einige der großen Publikumsverlage für TÍR NA NÓG zu begeistern. Nach sechs Absagen habe ich aufgegeben. Niemand war auch nur im Geringsten interessiert. Warum sie diese Art von Romanen ablehnen, ist einfach: selbst wenn sie professionellen Ansprüchen genügen, sie sind betriebswirtschaftlich nicht einschätzbar. Wo keine Absatzvoraussagen vorliegen, weil Neuland betreten wird (und das bei einem Autor ohne Namen) sind die Ängste entsprechend hoch. Früher mag das mal anders gewesen sein, in einer Zeit als die Lektoren vermutlich mächtiger waren. Da war man schon mal bereit, etwas zu versemmeln. Diese Blindgänger, sollte die Sache schiefgehen, wurden dann mit den Bestsellern des Hauses gegengerechnet. Heute ist der Wettbewerb jedoch größer, die Spielräume in dieser Hinsicht kleiner. Dennoch … man sollte nicht vergessen: das Wort Unternehmer kommt von unternehmen. Etwas mehr Risiko wäre also schön. Und was die Kleinen betrifft: diese Nischen, also Romane jenseits des Mainstreams, sind oft ihre einzige Chance, sich von den Publikumsverlagen abzuheben.
Persönlich möchte ich anmerken, dass der Genremix bisher (ich habe TÍR NA NÓG noch nicht zu Ende goutiert…) überaus unterhaltsam und kurzweilig ist und sich wohltuend von der Einheitsfantasy abhebt, die uns etliche der etablierten Verlage so zumuten.
Wie ist es zum Konzept der Welt von TÍR NA NÓG und dem soeben in Arbeit befindlichen Nachfolger TÚATHA DÉ DANANN gekommen? Die Begriffe kommen mir aus der irischen Mythologie nicht ganz unbekannt vor..?
Das ganze hat sich beim Schreiben der ersten zwei, drei Kapitel entwickelt. Irgendwann saß ich da und dachte darüber nach, was für eine Art Held Cornelis eigentlich war. Zu dieser Zeit las ich über die Gralsdichtung des 12. Jahrhunderts und fand große Parallelen zwischen Cornelis und den dort beschriebenen Rittern. Dann kam eins zum anderen: die Ursprünge des keltischen Zweigs der Gralsdichtung gründen sich, wie ich herausfand, auf irische Legenden über die Túatha Dé Danann. Alles fügte sich von selbst zusammen. Ich habe mir natürlich die Freiheit genommen, die Dinge ein bißchen zurechtzubiegen. Dann kamen andere Mythologien (auch moderne) hinzu: die Mu (besser bekannt als die »Kleinen Grauen« aus den UFO-Berichten), die Anunnaki (Sumerische Mythen), die Anansi (Afrika), das Glatisant (Gralsdichtung), etc. Die Idee dahinter war: was, wenn der Mensch nach Lust und Laune Schöpfer spielen darf? In meinem Roman erschaffen Bernadette und Juri-Hiro Ramnarough eine Scheibenwelt und bevölkern sie mit mythologischen Völkern und Fabelwesen.Warum nur zwei Bände? Heutzutage schreibt doch der Phantastik-Autor, der etwas auf sich hält, gefühlt üblicherweise Serien nicht unter zehn Romanen? ;-)
Die Antwort ist einfach: weil ich langatmige Serien hasse! Ich habe so gut wie keine einzige zuende gelesen. Allerdings waren die Bücher um Cornelis auf drei Werke ausgelegt. Nach langem Grübeln habe ich sie aber auf zwei Bände zusammengestrichen (in der Tradition von Dan Simmons HYPERION-Duos sozusagen). Eine Trilogie, damals ohne Verlag, war mir irgendwie zu riskant.
Natürlich muss bei Autoren immer die Frage kommen, welche Werke Dich beeinflusst haben. Auf Anhieb würden mir allein durch den Inhalt von TÍR NA NÓG diverse Ideen hierzu kommen, aber ich möchte Dir nicht vorgreifen… :-)
Einflüsse auf meine Schreibe gibt es viele, für TÍR NA NÓG und TÚATHA DÉ DANANN würde ich hier im Speziellen aber China Mieville, Jeff Noon und vielleicht auch Michael Moorcock hervorheben. Aber weit, weit im Hintergrund gibt es auch schwache Anklänge an HERR DER RINGE, DER NAME DER ROSE und STAR WARS, wenn man an die Struktur des Mentors und seines jungen Schülers denkt. Ich war also mit Meister Aki und Cornelis in guter Gesellschaft. ;-)
Soweit ich weiß, gehst Du einem Beruf nach und schreibst in Deiner Freizeit. Wie schwierig ist das, woher nimmst Du die Zeit und kannst Du Dich wenn es die Gegebenheiten erlauben »mal eben« hinsetzen und ein paar Seiten »heraus hauen«? Ist das Erarbeiten von Manuskriptseiten Schwerarbeit, Fleiß oder einfach?
Das Schreiben in der Freizeit, die Arbeit, die Familie mit einer ebenso fleißigen wie begabt schreibenden Ehefrau, die auch mal in die Tasten hauen will, zwei quirligen Kids, machen die Sache nicht einfach. Man muss gut timen, was oftmals nicht leicht fällt. Aber hier haben mir die Ratschläge von Andreas Eschbach über das Schreiben wirklich weitergeholfen: eine Seite pro Tag – jede weitere ist Bonus. Und wie oft war ich froh, dass es nur eine Seite war.Die Sache mit »ein paar Seiten raushauen« ist also eindeutig die Ausnahme, niemals die Regel. Das Erarbeiten der Seiten ist in der Regel aber einfach; selbst wenn ich keinen Bock habe, gehe ich einfach eine Seite zurück, lese das Geschriebene, finde es in der Regel grausam, und beginne mit dem Überarbeiten des bereits Geschriebenen und plötzlich ertappe ich mich dabei, dass ich bereits Neues schreibe.
Schreibst Du ein Buch in einem Rutsch durch und redigierst dann, oder überarbeitest Du nach jedem Kapitel?
Sowohl als auch. Ist ein Kapitel fertig, schreibe ich im laufenden Text einfach weiter. Redigieren tue ich das fertig Geschriebene nebenher … im Bett, in der Badewanne, selbst auf dem Klo.
Was inspiriert Dich beim Schreiben? Läuft nebenher Musik oder herrscht Stille?
In der Regel schreiben Susanne und ich in unserem kleinen Büro zeitgleich. Einer von beiden besorgt dann die Musik. Das passende Repertoire zum Schreiben ist nicht allzu groß: Beatles, U2, Arcade Fire, Runrig und Springsteen sind die meistgespielten Scheiben. [Bei »Susanne« handelt es sich Seans Ehefrau, die ebenfalls Phantastik schreibt, Link siehe unten. Anm. d. Red.]
In dem Zusammenhang auch die nächste Frage: hast Du das Schreiben »gelernt« oder bist Du ein Naturtalent?
Ich habe das Schreiben nicht gelernt, eher abgeschaut. Klar, ich war die längste Zeit meines Lebens Journalist, aber das ist nicht Schreiben im literarischen Sinn. Natürlich kann man es lernen, es ist ja unverkennbar ein Handwerk, aber früher gab es keine Schreibkurse. Ich betrieb also learning by doing. Lange Zeit wußte ich nicht wie schlecht ich war, und als ich es schließlich herausfand, war ich gottseidank bereits etwas besser, so dass ich nicht aufgab in meinem Bestreben Autor zu werden.
TÍR NA NÓG erschien als zuerst als Hörbuch beim Action-Verlag. Wie ist es dazu gekommen?
Das ging flott. Als ich mein Manuskript an den Action-Verlag sandte, war es – soweit ich mich noch erinnern kann – noch ein Printverlag. Ich habe jedenfalls die Mail mit Exposé und Textauszug an Andy Lettau am Vormittag abgeschickt und abends hatte ich dann die Zusage. Peng! Er war sofort von dieser Crossoveridee angetan und deswegen ging es ganz schnell. Dann hat der Action-Verlag sich in einen Hörbuchverlag verwandelt. Dass es ein Hörbuch geworden ist, stört mich aber nicht. Sprecher Christian Hanreich macht ein ganz tolles Erlebnis daraus. Kino für die Ohren sozusagen.Die zu TÍR NA NÓG eintreffenden Kommentare der einschlägigen Genreseiten sind durchweg positiv. Dass das den Autor freut ist keine Frage, deswegen stelle ich sie nicht. Bist Du der Ansicht (oder Hoffnung), diese positive Resonanz erhöht die Chance, einen Verlag für eine Printversion zu finden (was mich persönlich freuen würde)? Oder hat etwa schon einer angeklopft?
Ich bin in Verhandlungen bezüglich Printausgabe, und ja, die gute Presse hat wohl auch zum Interesse beigetragen. Sobald das Ding in trockenen Tüchern ist, werde ich mehr dazu verraten. Es gab davor schon drei, vier Verlage, die Interesse bekundet hatten, aber wir wurden uns … wie soll ich es sagen … nicht handelseinig. Seitdem warte ich erst ab, bis Tinte auf dem Vertrag ist.
Stichwort STARLORDS. Anfang der 80er hast Du zusammen mit Ulrich Peters und einem gewissen Arndt Ellmer (der Name dürfte insbesondere PERRY RHODAN-Lesern bekannt vorkommen) an dieser semiprofessionellen SF-Serie geschrieben, die in den Neunzigern nochmals erweitert veröffentlicht wurde. Worum geht es darin und gibt es heutzutage noch die Chance da ranzukommen?
STARLORDS war eigentlich eine völlig irre Schnapsidee von Ulrich Peters und mir. Da war ich gerade mal sechzehn Jahre alt. Der Deal war folgender: Peters sagte, besorge ein Konzept und ein paar Exposés und er würde Arndt Ellmer besorgen. Ich hielt das natürlich für völligen Quatsch, tat aber wie gewünscht, und Uli brachte tatsächlich Arndt Ellmer, der nicht nur Mentor des Projektes wurde, sondern uns zu sich nach Würzburg (sein damaliger Wohnsitz) einlud und mit uns die Manuskripte durchsah. Zum Ende meiner Ägide bei STARLORDS gab es zwei Romane (Band 1 von Sean O’Connell und Band 2 von Arndt Ellmer) und einige Exposés, Titelbilder (u.a. von Hubert Schweitzer) und Risszeichnungen (Georg Joergens). Danach löste sich die Sache in Luft auf. In den 90ern – ich lebte gerade in einer WG und hatte mit dem Schreiben wenig am Hut – teilte mir mein Mitbewohner mit, dass irgend ein PERRY RHODAN-Autor am Telefon sei. Arndt Ellmer wollte für eine Wiederauflage der Serie das Manuskript auf Diskette im Wordformat. Dummerweise besaß ich nur eine Reiseschreibmaschine. Allerdings war ich damals nicht mehr am Projekt beteiligt. Soweit ich weiß, sind vier, fünf Romane (vielleicht auch mehr) nach den alten Exposés erschienen. Genaues weiß aber nur der Meister der LKS-Seite bei Perry Rhodan.
Die Erstfassung von TÚATHA DÉ DANANN steht kurz vor seiner Vollendung (ich habe meine Spione überall) und muss dann überarbeitet werden, es ist also noch reichlich Arbeit an dem Roman zu tun. Trotzdem hier die böse Frage: gibt es schon Pläne für das »Danach«? Erstmal ausspannen und an den geschaffenen Werken erfreuen, oder geistern schon wieder neue Ideen durch den Autorenkopf?
Leider gibt es 2011 bereits volles Programm: in der »Ruhephase« von TÚATHA DÉ DANANN habe ich drei versprochene Kurzgeschichten geplant, zwei SF und ein Steampunk, danach gehen die Recherchearbeiten für Buch drei los, das nichts mit dem Universum von Cornelis zu tun haben wird.
Vielen Dank für dieses Interview, Sean, und es wäre nun noch Gelegenheit für ein Schlusswort oder was Du schon immer mal in einem Interview sagen wolltest… :)
Also Stefan, jetzt mal im Ernst: glaubst du wirklich, ich würde so etwas sagen wie: »KAUFT MEINE BÜCHER!« – das ist völliger Quatsch! Würde ich nie sagen. Nee … echt nicht.
Links:
Sean O’Connells Webseite »Wortwellen«
TÍR NA NÓG auf Facebook
TÚATHA DÉ DANANN auf Facebook
TÍR NA NÓG beim Action-Verlag
»Schreiblaune« – Webseite von Susanne O’Connell
TÍR NA NÓG
Meister Aki und sein junger Schüler Cornelis begeben sich auf die Suche nach den letzten Geheimnissen der Welt. Sie treffen auf kleine schwarze Puppen, die den Verstand ihrer Wirte beherrschen, auf Metamorphen, die die Gestalt ihrer Opfer annehmen, auf eine furchtbare Kreatur sowie auf eine Gruppe Unsterblicher, die vor dem Untergang der Erde Zuflucht am ungewöhnlichsten Ort des Universums gefunden hat:
Auf der geheimnisvollen Insel Tír na nÓg.
Sean O’Connell
TÍR NA NÓG
Roman / Hörbuch
Genre: Phantastik
Hörbuchlänge: 15 Stunden 13 Minuten
Preis (Hörbuch CD/DVD): 19,95 EUR
Preis (Hörbuch Mp3): 16,95 EUR
Action-Verlag
Hörprobe:
TírnanOg-Auszug04 by seaninsuit
Bildnachweis:
Cover TÍR NA NÓG Action-Verlag
Fotos der Karte von Tír na nÓg und der DVD-Cover Sean O’Connell
Sean vor Leuchtturm von Susanne O’Connell
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