THE REVENANT – Der Rückkehrer

Poster The Revenant

THE REVENANT – Bun­des­start 06.01.2016

Ale­jan­dro Gon­zá­lez Iñár­ri­tu ist ein Fil­me­ma­cher, der sich kaum in Geschich­te und Insze­nie­rung wie­der­holt. Ein äußerst abwechs­lungs­rei­cher Regis­seur, der dabei immer wie­der zu über­ra­schen ver­steht. Die­se Über­ra­schun­gen haben ihm nicht umsonst für BIRDMAN die vier obers­ten Kate­go­rien bei den Oscars gewin­nen las­sen. Jetzt hat Iñár­ri­tu wie­der einen kom­plett ande­ren Film gemacht, aber THE REVENANT wird der Film sein, an dem er sich zukünf­tig immer wird mes­sen las­sen müs­sen. Fast könn­te man das über alle vor­an­ge­gan­ge­nen Fil­me sagen, wie 21 GRAMS nach AMORES PERROS, oder BIUTIFUL nach BABEL. Und nun eben THE REVENANT nach BIRDMAN. Jetzt pro­du­ziert Iñár­ri­tu erst ein­mal die Fern­seh­se­rie THE ONE PERCENT, und danach wird man sich über­ra­schen las­sen müs­sen. Auf kei­nen Fall wird es ein schlech­ter Film, aber an die fil­mi­sche Kraft die­ses Epos´ wird schwer noch ein­mal her­an­zu­kom­men sein.

1820 wird eine Trup­pe von Pelz­jä­gern und Trap­pern von Urein­woh­nern über­fal­len. Unter ihnen Hugh Glass mit sei­nem Sohn Hawk, ein soge­nann­tes Halb­blut. Schwer in ihrer Zahl dezi­miert kön­nen die Fal­len­stel­ler flie­hen. Doch das nächs­te Unglück steht bereits an, als Glass von einem Grizz­ly­bä­ren ange­grif­fen, und dabei so schwer ver­letzt wird, dass man ihn für tot erklärt zurück lässt. Schließ­lich sind die Pawnee-India­ner immer noch hin­ter dem Trupp her. Doch Hugh Glass hat etwas beob­ach­tet, was ihm schier über­mensch­li­che Kräf­te ver­leiht. Durch eisi­ge Flu­ten und ver­schnei­tes, unweg­sa­mes Gelän­de kriecht nun ein schwer ver­wun­de­ter Mann, der kaum lau­fen kann.

Es ist leicht zu sagen: schö­ne Bil­der kann jeder. Aber einer Land­schaft einen Cha­rak­ter zu ver­lei­hen, da wird es viel schwie­ri­ger. Kein »blü­hen­de Felder«-Kitsch, oder son­nen­durch­flu­te­te Täler, son­dern die raue Wirk­lich­keit. Der uner­schlos­se­ne Wes­ten, der sehr wohl mit sei­nen Land­schaf­ten beein­druckt und fas­zi­niert, der aber kei­nen Zwei­fel dar­an lässt, wie unbarm­her­zig er sein kann. Die­se Stim­mun­gen ein­zu­fan­gen, muss eine ech­te Her­aus­for­de­rung für Emma­nu­el Lub­ez­ki gewe­sen sein, aller­dings nicht sei­ne schwie­rigs­te. THE REVENANT ist nicht nur ein sicht‑, son­dern auch spür­ba­res Bei­spiel, wie die Zusam­men­ar­beit zwi­schen Bild­ge­stal­ter und Regis­seur sein kann, gera­de wenn sie mit dem gestal­te­ri­schen Pro­zess des ande­ren arbei­ten kön­nen. Wie ein bild­li­ches Ereig­nis dabei spür­bar wird, dafür gibt der Film unend­lich vie­le Bei­spiel. Wie die Sze­ne mit dem Pferd und der Tanne.

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Die Men­schen- und Action-Sze­nen dreh­te Lub­en­zki haupt­säch­lich mit Weit­win­kel, was für einen Film die­ses For­ma­tes sehr unge­wöhn­lich ist. Aber dar­aus wird ein dra­ma­tur­gi­sches Stil­mit­tel, weil sich die Kame­ra mit die­ser Optik sehr schnell den Gesich­tern der Figu­ren annä­hern kann, ohne den Aus­schnitt ver­än­dern zu müs­sen. Gleich­zei­tig zeigt die Kame­ra beim Ent­fer­nen von den Figu­ren schnellst­mög­lich wie­der den wei­tes­ten Aus­schnitt an Land­schaft und Umge­bung. Das bringt Ale­jan­dro Gon­zá­lez Iñár­ri­tu dazu, Action extrem dyna­misch zu insze­nie­ren, ohne in hef­ti­ge Schnitt­fol­gen ver­fal­len zu müs­sen. Vie­le Sequen­zen sind sogar in extrem lan­gen Ein­stel­lun­gen umge­setzt. Beson­ders auf­fal­lend in der Ein­stiegs­sze­ne: Die dürf­te bei vie­len Zuschau­ern Erin­ne­run­gen an die Lan­dung in PRIVATE RYAN wecken. Nicht, dass hier kopiert wor­den wäre, doch auch die ers­ten zehn Minu­ten in THE REVENANT machen sofort deut­lich, dass dies kein Kuschel­ki­no wird.

Die­ser Film zeigt, was Men­schen und ihre jewei­li­gen Waf­fen sich antun kön­nen. Und er zeigt es sehr expli­zit, ohne aller­dings voy­eu­ris­tisch zu wer­den. Aber für zart­be­sai­te­te See­len ist THE REVENANT abso­lut nicht zu emp­feh­len. Allein die Bären-Sequenz ist jetzt schon ein Klas­si­ker, wer es denn schafft, sie durch­zu­ste­hen. Nein, das hier ist schon lan­ge nicht mehr das ver­klär­te Pio­nier­ki­no wo Richard Wid­mark Plan­wa­gen über eine Klip­pe ablässt. Ganz zu schwei­gen von bun­ter Wild-West-Roman­tik eines Jim­my Ste­wart. Wenn hier Men­schen ster­ben, dann ster­ben sie lei­dend, qual­voll, und nie sofort. Ein stän­di­ger Kampf an allen Fron­ten, bei dem man nie­man­den trau­en darf. Dass DiCa­prio die­se Rol­le dank­bar annahm spürt man. Spielt er end­lich ein­mal über sein jugend­li­ches Image hin­weg eine wirk­lich glaub­haf­te Erwachsenenrolle.

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Doch spä­ter wird er auch ein wenig bereut haben. Als über­zeug­ter Vege­ta­ri­er muss­te er Bison-Leber essen, die zwei Spra­chen der Ari­ka­ra und der Pawnee ler­nen, muss­te wegen des Sze­nen­auf­baus meist selbst in die eisi­gen Flu­ten der Flüs­se, den Umgang mit einer Mus­ke­te und Feu­er machen ler­nen. In einem Inter­view nann­te DiCa­prio THE REVENANT die bis­her anspruchs­volls­te Rol­le sei­ner Kar­rie­re. Die Bedin­gun­gen waren zudem extrem erschwert. Nicht nur, dass Ale­jan­dro Gon­zá­lez Iñár­ri­tu ein auf­brau­sen­der Regis­seur sein kann, son­dern sich die Dreh­ar­bei­ten auch über unge­wöhn­li­che 80 Tage hin­zo­gen. Es wur­de beschlos­sen, den Film in chro­no­lo­gi­scher Rei­hen­fol­ge zu dre­hen, was die Atmo­sphä­re bei den Prot­ago­nis­ten zu ihren Figu­ren auch stei­ger­te. Zudem haben Lub­ez­ki und Iñár­ri­tu ver­ein­bart, aus­schließ­lich mit natür­li­chem Licht und Licht­quel­len zu arbei­ten. Was Ver­zö­ge­run­gen brach­te, bis man die rich­ti­ge Stim­mung am jewei­li­gen Dreh­ort für die zuge­hö­ri­ge Sze­ne fand.

THE REVENANT ist erst­klas­si­ges Kino. Mit vie­len unge­wöhn­li­chen Ein­fäl­len, manch ande­rem Blick auf bekann­te Kli­schees, und durch­weg fan­tas­ti­schen schau­spie­le­ri­schen Leis­tun­gen, bil­det er eine exzel­len­te Über­schnei­dung von Arthouse und Main­stream-Kino. Und bei­de Frak­tio­nen wer­den sich abso­lut zufrie­den zei­gen. Sofern sie mit gra­fi­scher Gewalt umge­hen kön­nen. Aber genau die macht auch deut­lich, wie ernst und rea­lis­tisch THE REVENANT zu neh­men ist.

Regisseur Alejandro González Iñárritu mit Leonardi DiCaprio und wahrscheinlich Kameramann Emmanuel Lubezki (Bild wurde ohne Erklärung bereitgestellt).
Regis­seur Ale­jan­dro Gon­zá­lez Iñár­ri­tu mit Leo­nar­di DiCa­prio und wahr­schein­lich Kame­ra­mann Emma­nu­el Lub­ez­ki (Bild wur­de ohne Erklä­rung bereitgestellt).

THE REVENANT
Dar­stel­ler: Leo­nar­do DiCa­prio, Tom Har­dy, Domhnall Glee­son, Will Poul­ter, For­rest Good­luck, Dua­ne Howard, Arthur Redcloud, Paul Ander­son u.a.
Regie: Ale­jan­dro Gon­zá­lez Iñárritu
Dreh­buch: Mark L. Smith, Ale­jan­dro Gon­zá­lez Iñárritu
Kame­ra: Emma­nu­el Lubezki
Bild­schnitt: Ste­phen Mirrione
Musik: Bryce Dess­ner, Cars­ten Nico­lai, Ryui­chi Sakamoto
Pro­duk­ti­ons­de­sign: Jack Fisk
156 Minuten
USA 2015

Bild­rech­te: 20th Cen­tu­ry Fox of Germany

AutorIn: Bandit

4 Kommentare for “THE REVENANT – Der Rückkehrer”

sagt:

[…] DiCa­prio darf sich nicht ganz uner­war­tet über eine Aus­zei­chung als bes­ter Schau­spie­ler für THE REVENANT freu­en, der Strei­fen nahm auch Sta­tu­en für den bes­ten Film, die bes­te Regie, die bes­te Kame­ra und […]

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