Vier Jahre und vier Filme später ist es vollbracht. Die nach HARRY POTTER beliebteste Jugendbuchreihe hat mit ihren Verfilmungen ihren Abschluss gefunden. Ein eigentlich wahnsinniges Unterfangen, drei effektlastige Blockbuster in diesem Zeitraum stemmen zu wollen. Was letztendlich Gary Ross, Regisseur des ersten Teiles, dazu bewog, sich nicht mehr in den Regiestuhl zu setzen, weil die Abstände für seine kreative Vorbereitungszeit viel zu kurz waren. Als man sich dann ganz überraschend dazu entschloss, den letzten Band in zwei Filme zu packen, wurde es erst richtig interessant. Dem unsinnigen Trend folgend, war das abzusehen gewesen. War MOCKINGJAY 1 ein durchaus gelungener Film, konnte nur die finale Fortsetzung beweisen, ob das Aufteilen des Romans gerechtfertigt war. Und das war es.
Ohne Übergang schließt MOCKINGJAY 2 an seinen Vorgänger an. Katniss erholt sich von den Übergriffen ihres von Diktator Snow manipulierten Jugendfreundes Peeta. Währenddessen haben sich zwölf der dreizehn Distrikte zusammengeschlossen und eine Armee gegen das Kapitol aufgestellt. Untergrund-Präsidentin Coin hat Katniss’ Bekanntheit als Symbolfigur noch weiter ausgebaut. Doch Katniss ist müde und ist es leid, immer Hoffnung heraufbeschwören zu müssen, wo sie selbst kaum noch eine sieht. Zudem steht sie in der Liebe zwischen zwei Männern, wobei beide ihr viel Kopfzerbrechen bereiten. In einem letzten Akt der Verzweiflung will sie Snow im Alleingang töten. Aber Coin ist eine viel zu gerissene Takterin, als dass sie Katniss nicht durchschauen würde. Während die kämpfenden Truppen ins Kapitol vordringen, bleibt die Heldenfigur mit ihrem Team in den hintersten Reihen, lediglich um weiteres Propaganda-Material für die Distrikte zu liefern. Aber dabei hat niemand mit den Spielmachern gerechnet.
TEIL 2 ist lang, sehr lang. Obwohl nicht der längste in der Reihe. Aber die zwei Drehbuchautoren haben die Zeit genutzt, die Charakterentwicklung in einem realistischen Ablauf stattfinden zu lassen. Keine überhasteten Entscheidungen, keine überraschenden Effekte. Immer wieder kehrt der Film ganz nah zu den Figuren zurück, um in Nuancen ihre Charaktere zu beleuchten. Auch Regisseur Francis Lawrence nimmt sich diese Zeit, treibt nicht an, sondern lässt seine Darsteller sich immer wieder feinfühlig annähern. Oder auch entfernen. Denn es ist nicht nur ein Film über den Sturz eines Regimes, sondern auch über zwischenmenschliche Beziehungen, und wie diese sich in dramatischen Krisenzeiten zueinander verhalten. Das bringen vielleicht Josh Hutcherson und Liam Hemsworth weniger nuanciert an den Zuschauer. Aber Jennifer Lawrence ist ohnehin der unumstößliche Mittelpunkt, und sie vermittelt jedes Gefühl und jede Entwicklung mit einer immensen Präsenz. Sie ist eine der wenigen Schauspieler, die mit geringster Gestik und Mimik so viel mehr auszusagen versteht. Lawrence und ihr Charakter sind auch das absolute Novum in einer Blockbuster-Reihe wie dieser. Gerade bei den schon inflationären Jugendbuchverfilmungen, gibt es keine Figur mit so viel Tiefe.
Aber natürlich ist MOCKINGJAY 2 oberflächlich gesehen, erste einmal ein Actionfilm. Und da hat man sich einiges einfallen lassen. Natürlich war alles schon in der Buchform vorhanden, aber wie es Francis Lawrence mit seinem Produktionsdesigner umgesetzt hat, das erzeugt Adrenalin und echte Spannung. Man glaubt sogar eine merkliche Steigerung gegenüber dem Vorgänger zu verspüren, obwohl beide Teile am Stück gedreht wurden. Es gibt auch einige sehr nette Schockeffekte, und selbst die geben sich nicht billig und willkürlich, sondern kündigen sich sogar an. Die Inszenierung macht es eben. Aber auch MOCKINGJAY 2 ist kein Film ohne einen gewissen Beigeschmack. Da ist in erster Linie die Laufzeit. Auch wenn es der Regisseur versteht, keine Längen oder Langweile zu produzieren, möchte man immer wieder mal das Rad schneller drehen lassen. Besonders am Ende, wenn man glaubt, dass alles erzählt sei, beginnt immer wieder eine neue, aus dem Hut gezauberte Überraschung. Zum Abspann hin ist alles stimmig, aber der Weg dorthin wirft immer wieder Fragen auf. Und es wird auch des Öfteren die Logik bemüht, wo man bei bestimmten Sequenzen überhaupt keinen Sinn dahinter erkennt. Diesen Sinn könnte man sich vielleicht sehr aufwendig zurecht schieben, aber zuerst einmal bleibt die Verwirrung. Warum ist der unzurechnungsfähige Peeta mit bei der Erstürmung des Kapitols? Warum denken die Spielmacher an alle Optionen, außer der daraus resultierenden offensichtlichsten?
Jetzt ist es also überstanden. Nicht, dass es endlich vorbei ist, sondern dass das Vorhaben nicht einfach nur geglückt ist, sondern sich von Film zu Film sogar steigern konnte. Immer wieder ist die Geschichte eine Spur finsterer geworden, musste die Figuren mehr ertragen. Bei Katniss waren es in den ersten beiden Teilen die körperlichen Auseinandersetzungen, in den letzten beiden Filmen ihre emotionale Zerrüttung. Die letzten beiden waren schmerzhafter. Dass man dies als Zuschauer auch erleben und spüren konnte, macht DIE TRIBUTE VON PANEM zu einem wirklichen Erlebnis. Allerdings nicht optisch, da man sich entschloss, lediglich den letzten Teil einer Quadrilogie in 3D zu konvertieren, was weder Sinn macht, noch irgend einen wirklichen Effekt erzielt. Doch wenn man nach 137 Minuten aus dem Kino kommt, geht einem so viel mehr durch den Kopf, als das unsinnige 3D. Es ist das Durchatmen, nach vier aufregenden Jahren durchaus gelungener Kinokunst. Schließlich war es nicht einfach nur die schnelle Abendunterhaltung, sondern eine nicht unerhebliche Zeit, die einen längeren Lebensabschnitt begleitete. Und würde man sich tatsächlich entschließen, ein Prequel oder ein Sequel zu produzieren, dann sollte man das mit erhobenem Arm und der drei gestreckten Finger begrüßen.
DIE TRIBUTE VON PANEM – THE HUNGER GAMES – MOCKINGJAY Teil 2
Darsteller: Jennifer Lawrence, Josh Hutcherson, Liam Hemsworth, Woody Harrelson, Elizabeth Bankes, Donald Sutherland, Philip Seymour Hoffman, Julianne Moore, Jena Malone, Jeffrey Wright u.a.
Regie: Francis Lawrence
Drehbuch: Peter Graig, Danny Strong, nach Suzanne Collins Roman-Trilogie
Kamera: Jo Willems
Bildschnitt: Alan Edward Bell, Mark Yoshikawa
Musik: James Newton Howard
Produktionsdesign: Philip Messina
137 Minuten
USA 2015
Promofotos Copyright StudioCanal
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