Hypothekengesicherte Wertpapiere oder hypothekenversicherte Wertpapiere. Vielleicht auch Collateralized Debt Obligation? Niemand hat wirklich begriffen, wie die weltweite Finanzkrise tatsächlich zustande kam. Und man sollte sich auch nicht wundern, wenn man nach Adam McKays Film noch immer nicht alles verstanden hat. Genau das war auch der Grund, warum der Immobilienmarkt in Amerika zusammenbrach. Niemand hat das System wirklich verstanden, welches sich lediglich auf nicht gezahlte Hypothekenraten der Unterschichten und mittelständischen Bürger aufbaute. Fälligkeiten, die von den Banken in allen Bereichen der Finanzwelt genutzt wurden, um größtmögliche Gewinnmaximierung zu erreichen. Aber an dieser Stelle muss man abbrechen, weil man sonst schnell in das Fahrwasser gerät, falsche Zusammenhänge herzustellen.
Der erste ist Hedgfond-Manager Michael Burry, der von sich behauptet, unter dem Asperger-Syndrom zu leiden. Was seinem Verhalten nach nicht unwahrscheinlich scheint. Aber genau dieses Verhalten lässt ihn auch tiefer blicken. Er studiert nicht nur die Werte bestimmter Papiere, sondern auch die unendlich vielen Hypothekenverschreibungen, die in diesen Papieren enthalten sind. Ein eigentlich unsinniges Unterfangen in der Finanzwelt, behauptet doch jeder Bänker, dass der Immobilienmarkt sicher sein. Burry erkennt, dass die Immobilienblase kurz davor ist, zu platzen. Und dafür wird er von allen Seiten ausgelacht. Nur drei andere Parteien von Händlern nehmen Michael Burry ernst, untersuchen seine Behauptungen und kommen zum gleichen Ergebnis.
Adam McKay hat THE BIG SHORT wie eine Satire angelegt, was sich allerdings schon aus der Natur der Sache ergibt. Vieles ist so unglaublich, dass man als Zuschauer einfach Zweifel haben möchte. Aber es ist passiert. Zwischen einzelnen Passagen schneiden die Macher immer wieder reale Bilder von verzweifelten Menschen, Zwangsräumungen, Bekanntmachungen von Zwangsräumungen, und ganze Straßenzüge wo vor jedem Haus ein Verkaufsschild steht. Die Satire wird zur bitteren Wirklichkeit, die man eigentlich schon wieder verdrängt hat.
Aber wie bringt man einem Publikum Zusammenhänge näher, wenn man schon an den Begrifflichkeiten scheitern könnte? McKay schickt dazu Prominente auf die Leinwand, die sich selbst spielen und den Zuschauer direkt ansprechen. Starkoch Anthony Bourdain, der faule Vermögenswerte mit übrig gebliebenen Fisch vergleicht, und den Fisch wieder zu Frischware macht. Oder Margot Robbie, die aus einem Schaumbad heraus die Bedeutung von hypothekarischen Sicherheiten erläutert. Schließlich macht Teeniestar Selena Gomez an einem Black-Jack-Tisch klar, wie der Domino-Effekt funktioniert, der die Immobilien-Blase so weit anschwellen ließ, dass sie einfach platzen musste.
Short bedeutet in der Finanzwelt eigentlich »ohne Deckung«, was im Film und in der realen Welt mit einer Wette gleichgesetzt ist. Da niemand auf die Warnung der vier Personenkreise eingeht, weil der Immobilienmarkt einfach viel zu stabil sei, beschließen die Missverstandenen Pläne, um die Raffgier und Ignoranz der großen Banken gegen diese selbst zu richten. Jeder wettet mit seinem gesamten Vermögen gegen den Immobilienmarkt, was die Banken in ihrer Überheblichkeit natürlich sofort annehmen. Und dann geht 2007 Michael Burrys Prognose auf, und die Helden der Geschichte verdienen Millionenbeträge. Diesmal echtes Geld, was den Effekt einer weltweiten Finanzkatastrophe nach sich zieht.
Wäre die Katastrophe der Natur geschuldet, könnte man wunderbare Effekte in den Film einbringen. Doch Finanzen sind dann eben doch eine viel komplexere Angelegenheit. So komplex, dass jeder für den Hedgefond-Manager selbstverständliche Satz eine Erklärung für den Zuschauer notwendig macht. THE BIG SHORT ist daher selbstredend ein sehr dialoglastiger Film. Und das funktioniert dann auch nur mit einem perfekten, und feinsten aufeinander abgestimmten Ensemble. Christian Bale als stetig verunsicherter Michael Burry. Die überhebliche Arroganz von Ryan Gosling als Händler von der Deutschen Bank. Ein Steve Carrell der immerzu hysterisch an der Welt zweifelt, aber seine Trupp an Managern im Zaum halten muss. John Magaro und Finn Wittrock, die durch ein Startup-Unternehmen von der undurchsichtigen Größe des Finanzmarktes überwältigt werden. Und schließlich Brad Pitt als stoisch gefasster Aussteiger, der noch einmal zurückkehrt, um zu zeigen, warum er ausgestiegen ist.
Mit diesen Darstellern konnte Adam McKay gar nichts falsch machen. Und das beweist sich in jeder Szene, die durchaus auch einmal Lacher provozieren, oder einem das Lachen im Hals stecken bleiben lassen. Bis auf Michael Burry wurden die Namen der Figuren geändert, und man sich sehr gut vorstellen warum. Letztendlich haben schließlich auch die Hauptfiguren unermessliche Summen aus der Immobilien-Blase verdient. Hat sich schon MARGIN CALL von J. C. Candor dem Thema sehr gut angenähert, geht THE BIG SHORT noch viel weiter, und auch tiefer. Ein überaus wichtiger Film, der trotz seiner Tiefen dennoch trefflich zu unterhalten versteht. Man muss auch nicht wirklich alle Vorgänge wirklich begreifen, aber man bekommt als Zuschauer einen ausgesprochen guten Eindruck, was damals passiert ist. Und das ist wirklich erschreckend.
THE BIG SHORT
Darsteller: Christian Bale, Steve Carrell, Ryan Gosling, Brad Pitt, John Magaro, Finn Wittrock, Marisa Tomei u.a.
Regie: Adam McKay
Drehbuch: Adam McKay, Charles Randolph
Kamera: Barry Achroyd
Bildschnitt: Hank Corwin
Musik: Nicholas Britell
Produktionsdesign: Clayton Hartley
130 Minuten
USA 2015
Promofotos Copyright Paramount Pictures