THE MAN IN THE HIGH CASTLE – Vorerst nur bei Amazon Instant Video
Es ist 1962. Nazi-Deutschland hat den Krieg 1947 gewonnen, und die Vereinigten Staaten von Amerika mit der zweiten Siegermacht Japan aufgeteilt. Nur die Rocky Mountain States bilden eine neutrale Zone zwischen den beiden Großmächten. Die Nazis waren schon auf dem Mond und dem Mars, und die gesamte Technologie ist weit fortgeschrittener, als es in der alternativen Wirklichkeit zu dieser Zeit war. Der junge Joe Blake lässt sich in New York vom Widerstand rekrutieren, um mit einem LKW voll Kaffeemaschinen in die neutrale Zone zu fahren. Gleichzeitig fällt der in San Francisco lebenden Juliana Crain eine mysteriöse Filmrolle mit alten Wochenschauen in die Hände. Nach diesen alten Nachrichten-Filmen hätte Amerika mit Großbritannien 1945 den Krieg gewonnen. Die einzige Information für Juliana ist, dass diese Filmrolle nach Canon City in die neutrale Zone gebracht werden muss. Das Ziel von Joe Blake. Währenddessen geht SS-Obergruppenführer John Smith in New York mit aller Härte gegen den Widerstand vor, und foltert den Mann, der Joe Blake angeheuert hat. In San Francisco gibt es ein geheimes Treffen des japanischen Regierungsbeamten Tagomi und dem Nazi-Offiziellen Wegener, die übereinkommen, dass der anstehende Tod von Hitler nur Chaos in die Führungsriege des Groß Nazi Reichs bringen wird. Und gewisse Elemente in Deutschland sind gewillt, auch den japanischen Teil der Vereinigten Staaten ins Reich zu holen.
Genehmigt man sich eine Inhaltsangabe von Philip K. Dicks Roman DAS ORAKEL VOM BERGE, kommt man schnell zu dem erfreulichen Schluss, dass sich die eventuell entstehende Serie in Ton und Geschichte nah an die Vorlage hält. Damit ist schon einmal eine solide Basis gelegt, wenn man sich an ein äußerst beliebtes Buch wagt. Sechs Serien fürs Abendprogramm produzierten die Amazon Studios mittlerweile, bei denen das Publikum über ein Weiterleben entscheiden durfte. Und auch in diesem Jahr schickt das relativ neue Studio sechs Kinderprogramme und sieben Primetime-Piloten ins Rennen, die Gunst des Zuschauers zu erlangen. Und MAN IN THE HIGH CASTLE sieht ganz nach einem Piloten aus, der vorne mit dabei sein dürfte. Ein klarer Favorit.
Zuerst fällt einmal das fantastische Produktionsdesign auf, das sich als überzeugender Mix präsentiert, zwischen Sechzigerjahre Amerika, Dreißigerjahre Nazi-Deutschland, und einer unbestimmten technischen Weiterentwicklung, welche die reale Epoche dieser Zeit schon weit hinter sich gelassen hat. THE MAN IN THE HIGH CASTLE zeigt eine Welt, in der sich auch der Zuschauer erst orientieren muss, und oftmals erstaunt ist. Weltraumflüge oder Überschallflugzeuge sind ja nicht unbedingt dieser Zeit zuzuordnen. Auch die Details, welche sich aus der Mischung der unterschiedlichen Kulturen ergeben, sind mitunter verblüffend, aber auch erschreckend. So fragt Joe bei einer Kontrolle den Polizisten, was das für ein schneeähnlicher Niederschlag sei. Worauf dieser eher gleichgültig meine, dass dies vom nahegelegenen Krankenhaus sei, wo man die Kranken und nicht Lebenswerten verbrennen würde. Und wenn Juliana im Bus auf den Weg in die neutrale Zone sitzt, dann sind unter ihren Mitreisenden hauptsächlich Schwarze und Menschen mit Down-Syndrom. Doch diese Episode bleibt bei ihrer Geschichte, und den Charakteren. Die findigen Details fließen unaufdringlich mit ein, ohne einen möglichen Aha-Effekt zu bemühen.
THE MAN IN THE HIGH CASTLE hat allerdings auch mit einigen Stilmitteln zu kämpfen, die Fragen aufwerfen. Vielleicht den düsteren Unterhaltungswert auch etwas schmälern. Die stark entsättigten Farben zum Beispiel, erzeugen eine dem Handlungsverlauf unterstützende negative Atmosphäre. Allerdings hat man dies zu aufdringlich und offensichtlich umgesetzt. Dann muss die Frage erlaubt sein, ob 15 Jahre nach Kriegsende die aktive Präsenz der SS tatsächlich noch in diesem Umfang möglich wäre, oder überhaupt sein müsste. Während Juliana Crain ihr Leben im japanisch regierten San Francisco zu schätzen weiß, gibt es in den deutsch kontrollierten Staaten nur Hass gegenüber dem Régime. Es wäre interessanter, hätten die Macher einen differenzierteren Blick auf die Verhältnisse möglich gemacht, vielleicht eingeräumt, dass es auch viele Menschen gibt, die sich damit arrangieren konnten. Einfach einmal die platte Schwarzweißmalerei verlassen, und geschicktere Gegenentwürfe zur Realität zu bieten. Dass an allen Ecken in New York Gruppen von SA-Leuten patrouillieren, und über das Schikanieren von Einwohnern nicht hinaus kommen, trübt dann doch in kleinen Dosen die sogenannte Glaubwürdigkeit.
Alles in allem hat Amazon mit diesem Piloten allen möglichen Widrigkeiten zum Trotz ein spannendes Stück Serie gestartet. Und davon möchte man unbedingt mehr sehen. Denn diese Welt ist so verdreht und absonderlich, dass noch viele Überraschungen in ihr schlummern. Und die wollen erkundet werden. In dieser Beziehung hat THE MAN IN THE HIGH CASTLE den Zuschauer genau richtig erwischt.
THE MAN IN THE HIGH CASTLE – Episode 1 »Pilot«
Darsteller: Luke Kleintank, Alexa Davalos, Rupert Evans, DJ Qualls, Rufus Sewell, Joel de la Fuente, Cary-Hiroyuki Tagawa u.a.
Regie: David Semel
Drehbuch: Frank Spotnitz, nach Philip K. Dick
Kamera: James Hawkinson
Bildschnitt: Kathrynn Himoff
Produktionsdesign: Drew Boughton
USA 2015
61 Minuten
Promofotos Copyright Amazon Studios
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