Als Scott Derrickson 2012 mit Robert Cargill SINISTER entworfen hat und auf die Leinwand brachte, hatte er eine wundervolle Perle geschaffen. Selbst verwöhnteste Horrorfans mussten gestehen, dass ein Filmemacher dem Genre wieder einmal etwas Neues abgewinnen konnte. Selbstverständlich war eine Fortsetzung unausweichlich. Selbst Horrorfilme werden nicht mehr lediglich aus reiner Liebe zum Thema gemacht, sondern sind ein Kalkül der Industrie. Auf der anderen Seite wäre wohl jeder Filmemacher hocherfreut, nicht nur einen überzeugenden, sondern auch erfolgreichen Beitrag geschaffen zu haben. Als James Wan SAW machte, war er sich keineswegs bewusst, was für eine Ikone er ins Leben rufen würde. Und genau dies konnte man auch bei Derricksons SINISTER spüren, der so erfrischend sehr viele Versatzstücke des aktuellen Horrorfilms ignorierte.
Courtney Collins hat sich mit ihren zwei Söhnen Dylan und Zach in einem Landhaus eingerichtet. Der Ex-Mann darf von dem Ort nichts wissen, weil er das Sorgerecht für die Jungs erstreiten möchte. Es wird angedeutet, dass Zach von seinem Vater missbraucht wurde. Doch dann kommt unvermittelt der ehemalige Deputy So&So (sic!) vorbei, um das Landhaus abzufackeln. Nach seinen Recherchen hat auch hier der Dämon Bhughul sein Unwesen getrieben, der im ersten Teil eine Familie ins Verderben führte. Eine Annäherung von So&So und Courtney bleibt natürlich nicht aus. Doch währenddessen durchlebt Sohn Zach merkwürdige Wesensveränderungen. Er wird aggressiver und unbeherrschter. Bhughul hat hier schon einmal eine Familie auslöschen lassen, und Zach ist ein weiteres Opfer, von dessen unaussprechlichen Taten sich der Dämon ernähren möchte.
Man muss zugestehen, dass Derrickson und Cargill eine Menge Fantasie beweisen, wenn es darum geht, Menschen höchst grausam aus dem Leben scheiden zu lassen. SINISTER 2 geht vom Super-8-Format des ersten Films über auf 16mm-Film. Die Geister der Kinder, welche in der Vergangenheit im Sinne von Bhughul ihre Familien ermordeten, zwingen nun Zach dazu, sich ihre selbst gedrehten Filme anzusehen, auf denen der Tod ihrer Angehörigen festgehalten ist. Und das ist manchmal sehr schwer zu ertragende Kost. Eine Familie wird perfide elektrifiziert, eine andere dem Erfrierungstod ausgesetzt, eine weitere Krokodilen zum Fraß präsentiert, oder eine zum Pentagramm gefesselte Familie wird lebendig von Ratten zerfetzt. Die Filmdosen sind entsprechend auch mit den zynischen Titeln beschriftet, wie »Küchenumbau«, »Weihnachtsmorgen«, »Angelausflug«, oder »Sonntagsschule«.
Das hat bis hierhin eine sehr schockierende Wirkung. Allerdings hat sich Ciarán Foy als Regisseur dafür entschieden, das Hauptaugenmerk der Geschichte auf den einsamen Wolf Ex-Deputy So&So und Mutter Courtney zu legen. Und damit erreicht er eine der Absicht entgegengesetzte Wirkung. Denn zwei Drittel des Filmes widmet sich der Beziehung der zwei einsamen Seelen. Dazwischen tummeln sich immer wieder die schockierenden Auswüchse des Dämons Bhughul, die sich genau an diesen Stellen immer wieder falsch anfühlen. Dem Zuschauer wird nie bewusst, in welcher Art von Film er sich wirklich befindet. Ciarán Foy gelingt es nicht, die Grenzen von Romanze und Horror verschwimmen zu lassen. Der Horrorfan wird bei vielen Passagen ungeduldig, dem Anhänger der Romanze ist alles viel zu brutal. Ganz offensichtlich war dem Regisseur ein gesunder Mittelweg wichtig. Aber er hat es nicht geschafft, diesen auch entsprechend umzusetzen.
SINISTER 2 ist ansprechendes Horrorkino, aber es unterwirft sich auch den aktuellen Konventionen, dessen Ignorierung gerade aus Teil Eins eine derart erfolgreiche Inszenierung machten. Man erinnert sich vielleicht an die extrem langen Einstellungen, die mehr Spannung aufbauten, als ein plötzlich ins Bild geschobener Schreckmoment. Ciarán Foy hingegen inszeniert eine eigentlich interessante Geschichte wie einen gewöhnlichen Horrorfilm. Es gibt konfuse Schnitte, immer wieder absehbare Spannungsaufbauten, und dem am Thema orientierten Klischees. Wenn der Ton also auf Null herunter gefahren wird, dann wird auch gleich etwas laut kreischend ins Bild springen.
SINISTER 2 ist ein sehr effektiver Horrorfilm, der sein angesprochenes Publikums auch entsprechend unterhalten kann. Aber SINISTER 2 ist keine Fortsetzung zu dem atmosphärischen Thriller, den Teil eins ausmachte. Was Teil eins ausmachte, seine konzentrierten Kameraeinstellungen und Vernetzung von Charaktereigenschaften in Zusammenhang mit dem Handlungsverlauf, lässt Ciarán Foy vollkommen vermissen. SINISTER 2 ist ein äußerst unterhaltsamer, weil teilweise auch schockierender Film. Im Vergleich zu seinem Vorgänger ist er allerdings ein sehr konstruierter Beitrag, dem jede Art von empathischer Verhältnismäßigkeit abgeht. Anschaulich, aber leider auch ohne eigenes Profil.
SINISTER 2
Darsteller: Shannyn Sossamon, Robert Sloan, Dartanian Sloan, Lea Coco, James Ransone u.a.
Regie: Ciarán Foy
Drehbuch: Scott Derrickson, C. Robert Cargill
Kamera: Amy Vincent
Bildschnitt: Timothy Alverson, Ken Blackwell, Michael Trent
Musik: tomandandy
Produktionsdesign: Bill Boes
97 Minuten
USA 2015
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