Es ist eine alte Binsenweisheit: Niemals von einem Trailer auf den Film schließen. Wenn das irgendwo zutrifft, dann bei SHAZAM!, denn die Vorgucker haben viel Wert auf die Kalauer und die herumalbernden Jugendlichen gelegt, die offensichtlich nicht damit zurecht kommen, dass einer von ihnen plötzlich und unerwartet zu einem Superhelden wird – und die dann anfangen zu experimentieren und selbstverständlich auch Unfug zu treiben. Das alles ist streng genommen auch kein Spoiler, denn das ist der zentrale Punkt beim Helden SHAZAM!
Ja, das kommt alles tatsächlich im Film vor und es ergibt eine Menge gute Lacher, aber die Macher haben es geschafft, so viel mehr daraus zu machen, als eine platte Komödie.
Superhelden haben wir in den letzten zehn Jahren (und auch davor) nun wahrlich eine ziemliche Menge gesehen. Marvel hat uns ihr Cinematic Universe vorgesetzt, das nicht nur in Sachen Superheldenfilme alle Dimensionen sprengt, indem alles aufeinander aufbaut und miteinander verknüpft ist.
Konkurrent DC hat versucht gegenzuhalten und ihr eigenes Filmuniversum zu etablieren. Das ging bekanntermaßen nicht sofort gut. Es mussten erst WONDER WOMAN und der zuvor so oft geschmähte AQUAMAN kommen, um DC Erfolge zu bescheren, die sich mit denen der Marvel-Filme messen können.
Nach AQUAMAN fragte man sich, wie man dessen überbordenden Bombast und die immensen Schauwerte (die meiner Ansicht nach beim Versuch das MCU zu erreichen oder zu übertreffen auch etwas zu dick aufgetragen waren) noch übertrumpfen will ‑und ob ausgerechnet der doch heutzutage weniger bekannte Held SHAZAM! dafür der geeignete Protagonist ist.
Die Lösung ist so unerwartet wie einfach: Man lässt es einfach und spendiert einen Superheldenfilm, der äußerst gekonnt gleich mehrere Stufen zurückschaltet, ohne dadurch aber langweilig oder eintönig zu werden. Ganz im Gegenteil: Ich fand das äußerst erfrischend, weil er sich statt Bombast auf Charaktere konzentriert und eben auch eine Menge Platz für Spaß ist – und eben nicht nur Klamauk, sondern zwischendurch auch verblüffend leise Töne. Aber: sieht man sich allein das Outfit des Helden an, mit güldenen Stiefeln, einem roten Anzug und weißem Cape, dann tut Humor einfach Not. Und der geschieht eben an den richtigen Stellen und auf passende Art, indem die Figuren sich eben beispielsweise über den Dress mehrfach lustig machen. Aber auch das Thema »Jugendlicher wird zum erwachsenen Mann« wird nicht so plump abgehandelt, wie das die Trailer vielleicht erwarten lassen. Ein paar der vermeintlich billigen Gags erkennt man später als mit Bedacht inszeniert wieder.
Wenn man sich SHAZAM! ansieht muss man sich über eins im Klaren sein: Es handelt sich um einen Superheldenfilm für Jugendliche. Echte Gewalttaten sieht man nicht, bei etlichen Szenen wird rechtzeitig weggeblendet. Aber auch das ist eine erfrischende Abwechslung anderen Genrevertretern, die sich dabei zu übertrumpfen versuchen, noch ein wenig mehr Gewalt zu zelebrieren (Einschub: Ich bin kein Moralapostel. Marvel hat das gut im Griff nach besonders dramatischen Szenen sofort einen Gag nachzuschieben, um das zu entschärfen und zu konterkarieren. Das ist einer der Punkte, die Marvel so erfolgreich machen: Den … deutlicheren Szenen sofort durch groteske Aktionen jegliche Realität zu nehmen).
Bei SHAZAM! hielten sich die Macher in der Hinsicht deutlich zurück, auch das tut dem Film sehr gut und bedeutet ein Alleinstellungsmerkmal, das allerdings vielleicht manchen erwachsenen Kinobesucher ein wenig unbefriedigt zurücklassen könnte.
Ich fühlte mich von der Stimmung des Films, ebenso wie durch die kongeniale Charakterinteraktion zwischen den Jugendlichen und Kindern stellenweise in Steven Spielberg-Filme mit jugendlichen Protagonisten der 1980er zurückversetzt. Ja, glaubt es mir – da spürt man stellenweise eine Leichtigkeit der Inszenierung mit auf den Punkt treffenden kleinen Sprüchen (ganz grandios und herzallerliebst: Faithe Herman als Darla Dudley), dass es eine Freude ist.
Der ein oder andere Fan mag vielleicht darüber motzen, dass man hier die Hintergrundgeschichte des Helden ordentlich durchgemischt hat, aber auch das muss zum einen für solch einen Streifen natürlich sein. Und zum anderen hat man nicht nur das Lore verändert, die Drehbuchautoren haben es zudem geschafft, einen Film zu schreiben, der mit echten Überraschungen und unerwarteten Wendungen aufwarten kann – und das im von Klischees nur so strotzenden Genre Superhelden. Damit hat DC das was Marvel macht – überraschen – nun ebenfalls wirklich mal geschafft, aber eben auf eine völlig andere Art und Weise als man das erwartet hätte, eine leisere und überaus sympathische Art. Schön auch dass das moderne Leben mit Smartphone und Social Media stattfindet und freundlich auf die Schippe genommen wird, ohne erhobenen Zeigefinger.
Faithe Herman hatte ich bereits erwähnt, der man einfach perfekte kleine Szenen und Sätze geschrieben hat, ebenfalls bemerkenswert aber Asher Angel als Billy Batson und Jack Dylan Grazer als dessen Kumpel Freddy Freeman, die das Teenager-Gespann auf eine glaubwürdige und nachvollziehbare Art spielen, und das trotz des Superhelden-Zeugs, das da passiert. Als SHAZAM! ist Zachary Levi (alias CHUCK) – mal abgesehen von den Muskeln – aber wieder Zachary Levi wie man ihn kennt: Ein Kindskopf. Der es aber immer in den richtigen Momenten schafft, den Klamauk hinter sich zu lassen und der Situation angemessen zu agieren. Und dann ist da noch Mark Strong als Superschurke. Das hätte ins … äh … Auge gehen können, aber wie man ihn so kennt, spielt er auch diesmal den Böswatz vergleichsweise zurückgenommen. Natürlich gibt es hie und da erwartetes und gewolltes Overacting, aber im Vergleich zu anderen Supervillains hat mir sein kontrolliertes Spiel und die Darstellung über Jahre gewachsener unterdrückter Wut, die sich endlich Bahn brechen kann, ebenfalls ausgesprochen gut gefallen. Er hat’s halt einfach drauf.
Und dann machen sie sich auch noch nicht nur über den klassischen Superschurken-Monolog lustig, sondern ziehen, um dem Ganzen die Krone aufzusetzen, diverse andere Helden aus dem DC-Haus auf liebevolle Art durch den Kakao.
Bis auf ein oder zwei Gags die man hätte lassen können kann ich SHAZAM! uneingeschränkt als spaßigen Superheldenfilm empfehlen, bei dem man sich darüber im Klaren sein muss, dass die Jüngeren die Zielgruppe sind. Was Unterhaltung und Heiterkeit für die Älteren aber keinerlei Abbruch tut. Feuilleton und die üblichen Verdächtigen werden den Film wie immer verreißen, denn er macht einfach zu viel Spaß. Wen interessieren die schon? Und vergesst die Trailer.
Ansehen. Keinesfalls vor dem Ende des Abspanns aus dem Kino gehen. Aber welcher echte Kinofan tut das?
A propos Abspann …
p.s.: Hallo Cinestar. Wir müssen reden. Der Abspann gehört zum Film für den ich bezahlt habe. Und ich finde es in hohem Maße unschön, wenn nicht nur die Lampen im Saal auf volle Helligkeit gedreht werden, während der Film noch läuft, sondern auch das Personal währenddessen bereits damit beginnt aufzuräumen. Das ist eine Unverschämtheit gegenüber mir als zahlendem Kinogast und es ist auch eine Unverschämtheit gegenüber all den Personen, die zu diesem Film beigetragen haben. Und es ist insbesondere dann eine Frechheit, wenn nach dem Abspann noch was auf der Leinwand passiert. Ich werde den Verleiher fragen, was der so dazu sagt.
[Update 08.04.2019]: Auf meine Beschwerde zum Abspann hin kam umgehend eine Mail vom Kinoleiter, der sich entschuldigte und ankündigte, mit den Mitarbeitern zu reden, damit so etwas nicht nochmal vorkommt.
SHAZAM!
Besetzung: Zachary Levi, Djimon Hounsou, Mark Strong, Jack Dylan Grazer, Asher Angel, Marta Milans, Grace Fulton, Stephannie Hawkins, Cooper Andrews, Lovina Yavari, Natalia Safran, John Glover, Caroline Palmer, Faithe Herman, Ian Chen u.a.
Regie: David F. Sandberg
Drehbuch: Henry Gayden
Produzent: Peter Safran
Ausführende Produzenten: Jeffrey Chernov, Dany Garcia, Hiram Garcia, Geoff Johns, Dwayne Johnson
Kamera: Maxime Alexandre
Schnitt: Michel Aller
Musik: Benjamin Wallfisch
Produktionsdesign: Jennifer Spence
Casting: Rich Delia
132 Minunten
USA 2019
Promofotos Copyright Warner Bros und DC Entertainment