Das ist ein Film, wie Roland Emmerich ihn gerne gemacht hätte. Falsch, Roland Emmerich hat schon viele dieser Filme gemacht. Aber Roland Emmerich hat dennoch bei SAN ANDREAS garantiert eine riesige Freude. Es bereitet aber auch ein diebisches Vergnügen, wenn Städte in Schutt und Asche gelegt werden, solange es gut gemacht ist. Schon 1936 taumelte Clark Gable durch die Trümmer von SAN FRANCISCO, als die Launen der San-Andreas-Verwerfung Schwierigkeiten machten. Mit Sensurround-Sound wurde 1974 Los Angeles von einem ERDBEBEN dem Erdboden gleich gemacht. Lex Luthor will 1979 in SUPERMAN mit Hilfe von Atomraketen sogar die Reibung der zwei Kontinentalplatten dazu nutzen, die Westküste im Meer versinken zu lassen. So allerlei billige Filme tummeln sich dazwischen, und lange danach, die Los Angeles mit dem ‘Big One’ auslöschen wollten. Ein seit ziemlich langer Zeit überfälliges, aber von Wissenschaftlern erwartetes Beben, welches irgendwo entlang der Verwerfung das stärkste, jemals gemessene sein würde. SAN ANDREAS zeigt dann auch gleich den ganzen Vorgängern, wie man es richtig krachen lässt. Tut sich aber schwer, bei Emmerichs 2012 gleich zu ziehen.
Wer dem Marketing gefolgt ist, der wird eine gewisse Vorstellung davon haben, was ihn erwarten dürfte. Und man wird gewiss nicht enttäuscht. Hier sind die tadellosen visuellen Effekte natürlich Hauptdarsteller, die alles andere ausspielen. Wenngleich an einigen Stellen die Aufmerksamkeit von Schnitt und Continuity nicht bei der Sache waren. Wenn glamourös eingestürzte Gebäude in der folgenden Einstellung gerne wieder aufrecht stehen, oder Szenen von flüchtenden Darstellern zweimal genutzt werden. Aber darüber kann man leicht hinwegsehen, denn das Spektakel an sich zählt, und das ist zu einhundert Prozent gegeben. Wesentlich schwerer ins Gewicht fällt hier die dünne Geschichte, welche die atemberaubende Action immer wieder unterbricht. Ein frisch getrenntes Paar, die Scheidungspapiere liegen bereit, und dazwischen steht eine Tochter, die keine Seite bevorzugt. Was wird wohl passieren? Die Tochter lernt bei einem Vorstellungsgespräch einen jungen Mann kennen, verschämt werden Telefonnummern ausgetauscht. Was wird wohl nach den ersten Beben passieren? Endlos kaut die Handlung Plattitüden durch, die sich schon vor Jahrzehnten leer gelaufen haben. Die Dialoge sind dabei nicht wirklich hilfreich, sondern verstärken das Ärgernis nur.
Regisseur Brad Peyton hat sich einen Namen damit gemacht, dass er zum Beispiel JOURNEY 2: DIE GEHEIMNISVOLLE INSEL inszenierte hatte. Ebenfalls mit Dwayne Johnson, aber mit ebensowenig Inhalt. Dafür stimmte das optische Element der Effekte. Brad Peyton ist es gegeben, dies mit SAN ANDREAS zu wiederholen. Es ist ein außerordentliches Spektakel mit grandiosen Schauwerten, welches durch diverse Handlungselemente im harmonischen Verlauf immer wieder unterbrochen wird. Doch zum Glück hat Peyton eine Darstellerriege zur Verfügung, die selbst einfachste Klischees aufzufangen weiß. Johnson und Gugino sind einfach das zu perfekte Paar, welches durch ein Drehbuch getrennt wurden. Und Alexandra Daddario ist einfach die zu perfekte Tochter, als das sie nicht die entfremdeten Eltern wieder zusammen bringen könnte. Und so etwas sieht sich durch den ganze Film. Als Wissenschaftler kann sich Paul Giamatti endlich behaupten, und das alles natürlich im Namen seines besten Freundes und Kollegen, der zuvor sein Leben auf dramatische, aber äußerst spektakuläre Weise verlieren musste.
Aber tatsächlich kann man die gegebenen Schwachpunkte von SAN ANDREAS auch überaus leicht ignorieren. Denn trotz der augenscheinlichen Mängel hat Regisseur Peyton den eigentlichen Fluss des Filmes vollkommen im Griff. Die ersten Auswirkungen des ersten Bebens in Los Angeles zeigt der Film aus größer Höhe heraus aus einem Helikopter. Es sind einstürzende Autobahn-Überführungen, die man kaum wahrnimmt. Der Schrecken beginnt fast unspektakulär, wirkt damit allerdings noch eindringlicher. Peyton versteht es ausgezeichnet, die Action vom Tempo zu trennen. Vielmehr wird das Drama durch seine Entschleunigung noch verstärkt. Viele Sequenzen sind sogar in Zeitlupe inszeniert, um die Acton nicht durch Tempo im Schnitt wirken zu lassen. Die Zerstörung durch die verschiedenen Beben entfaltet sich wie bei einer Arie, erst mit der Sogwirkung durch die Herausnahme von Schnitttempo und dem konzentrierten Blick auf das Ausmaß der Zerstörung.
SAN ANDREAS funktioniert, weil die Inszenierung die Gewichtung überaus sorgsam auf das eigentliche Kernelement legt. Johnson, Gugino und Daddario sind ein geglücktes Beiwerk, welche die Klischees weniger lachhaft machen, obwohl sie es eigentlich wären. Als musikalischer Begleiter durch den Film, ist Sias Neuinterpretation von »California Dreaming« ein durchweg gelungenes Element, welches den emotionalen Eindruck der Geschehnisse zu verstärken weiß. Man darf bei einem Film dieses Ausmaßes einfach nicht die Beziehungen zu realen Konditionen in Frage stellen. Auch SAN ANDREAS bricht mit allen Regeln der Physik, und bricht auch mit allen Regeln des menschlichen Verstandes. Aber er hat anderen Filmen ähnlichen Charakters eine Menge voraus. Regisseur Brad Peyton weiß, worauf es ankommt. Dass man Charakterzeichnung und Handlungselemente diesem unterwirft und dabei vernachlässigt, wäre durchaus ein Kritikpunkt den man nachbessern könnte. Doch letztendlich ist SAN ANDREAS doch die Unterhaltung geworden, die man nach dem heftigen Marketing auch erwartet hatte. Oberflächlich betrachtet ist SAN ANDREAS ein verunglücktes Versatzstück an Klischees. Doch im Gesamten ist der Filme die perfekte Choreographie von Show-Effekten im Einklang an die Erwartungshaltung.
SAN ANDREAS
Darsteller: Dwayne Johnson, Carla Gugino, Alexandra Daddario, Ioan Gruffud, Archie Panjabi, Paul Giamatti u.a.
Regie: Brad Peyton
Drehbuch: Carlton Cuse
Kamera: Steve Yedlin
Bildschnitt: Bob Ducsay
Musik: Andrew Lockington
Produktionsdesign: Barry Chusid
114 Minuten
USA 2015
Bildrechte: Warner Bros.