MORTAL ENGINES – Endzeit-Steampunk auf Turbo-Laudanum

Als bekannt wur­de, dass Peter Jack­son mit WETA Work­shop eine Umset­zung der MORTAL ENGINES-Roman­rei­he von Phil­ip Ree­ve plant, war das schon bemer­kens­wert, denn bei den Büchern han­delt es sich um ein Gen­re, das zwar im nach wie vor noch eher einen Geheim­tipp dar­stellt, aber auf der ande­ren Sei­te bei­na­he im Main­stream ange­kom­men ist, zumin­dest wenn man sich die Aus­la­ge im Kar­ne­vals­la­den ansieht. Im Bereich Lite­ra­tur fas­sen die gro­ßen deut­schen Ver­lag das The­ma nicht mehr an, nach­dem sie es mit Ver­öf­fent­li­chun­gen ver­brannt haben, die mit Steam­punk so viel zu hat­ten, wie 50 SHADES OF GREY.

Und jetzt kommt Jack­son und macht einen sei­ner bekannt opu­len­ten Fil­me aus einer Steam­punk-Vor­la­ge. Dabei ist das Gen­re doch mau­se­tot, wie mir vie­le Schlau­mei­er in den ver­gan­ge­nen Jah­ren immer wie­der erläu­tern woll­ten.

Ich habe eben­so immer wie­der gelacht wenn man mir das sag­te und nach dem Anse­hen die­ses gran­dio­sen Films lache ich noch viel mehr. Neben dem soeben Geschrie­be­nen auch des­we­gen, weil die zahl­lo­sen Vic­to­ria-Feti­schis­ten unter den hie­si­gen Steam­punks hier nicht unbe­dingt bedient wer­den – und weil MORTAL ENGINES zeigt, dass das Gen­re eben auch in einer fer­nen Zukunft ganz pri­ma funk­tio­nie­ren kann.

Ganz kurz zur Prä­mis­se (über den Inhalt wer­de ich aus Grün­den der Spoi­ler­ver­mei­dung ohne­hin nicht viel erzäh­len kön­nen und wol­len):

In einer eher nahen Zukunft bombt die Mensch­heit ihre Zivi­li­sa­ti­on mit einem Krieg wei­test­ge­hend in den Orkus. Tau­send Jah­re spä­ter fah­ren gigan­ti­sche Städ­te auf rie­si­gen Pan­zer­ket­ten durch die Ein­öde, auf der Suche nach Roh­stof­fen und Res­sour­cen, dabei wer­den klei­ne­re Städ­te von den grö­ße­ren gejagt und … »inha­liert«. Ins­be­son­de­re ist man auf der Suche nach Hin­ter­las­sen­schaf­ten der Alt­vor­de­ren, soge­nann­ter »Old Tech«. Zu die­sen post­apo­ka­lyp­ti­schen Ver­satz­stü­cken mische man eini­ge wei­te­re, die zwar alle­samt für sich genom­men eigent­lich nicht beson­ders ori­gi­nell sind, die sich aber mit dem Hin­ter­grund und ins­be­son­de­re mit dem äußert opu­lent umge­setz­ten Set­ting poten­zie­ren und mehr wer­den, als die Sum­me der Ein­zel­tei­le.

Der Film wird einem rechts und links um die Ohren gehau­en, ruhi­ge Momen­te gibt es, aber es sind weni­ge. Im Rest der Zeit wird ein Füll­horn an abge­fah­re­nen und äußerst sehens­wer­ten gigan­ti­schen und klei­nen Details auf­ge­bo­ten, dass es eine hel­le Freu­de ist. Ich bemü­he den leicht abge­grif­fe­nen Begriff »sen­se of won­der« eher sel­ten, aber für mich pass­te er bei die­sem Film wie bei lan­ge kei­nem mehr. Immer wie­der bekommt man schier atem­be­rau­ben­de Sze­na­ri­en vor­ge­setzt, spä­tes­tens wenn ihr die Wol­ken­stadt zu sehen bekommt, wer­det ihr wis­sen, was ich mei­ne, aber auch ansons­ten sind die Schau­wer­te gewal­tig. Das ist lupen­reins­tes Pop­corn­ki­no, so will man das in 3D auf einer rie­si­gen Lein­wand gou­tie­ren. Denkt nicht mal dar­an, das auf dem Pan­tof­fel­ki­no sehen zu wol­len, die­ser Film ist fürs Kino gemacht.

Zu die­sem »sen­se of won­der« trägt ganz sicher bei, dass sich die Macher des Film nicht von angeb­li­chen Gen­re-Gren­zen ein­schrän­ken las­sen. Ich den­ke, dass die­ser Film, der stel­len­wei­se wie ein Gigant-Mad-Max-End­zeit-Steam­punk auf Tur­bo-Lau­da­num daher kommt, bei den Hard­core-Fans des Gen­res ver­mut­lich nicht auf Gegen­lie­be sto­ßen wird. Dabei lebt er gera­de auch dadurch, dass er Gen­re-Gren­zen, die in den Köp­fen viel­leicht exis­tie­ren, bricht. Und er gewinnt eben außer­or­dent­lich dadurch, dass er sich nicht beschrän­ken lässt, dass er viel wei­ter, viel bun­ter und viel gran­dio­ser fabu­liert, als es vie­le, vie­le ande­re Ver­tre­ter des Steam­punk-Gen­res tun. Denn: Ja, es han­delt sich ganz ein­deu­tig und völ­lig frag­los um einen Steam­punk-Film, auch wenn ich sicher davon aus­ge­he, dass gewis­se Ver­däch­ti­ge das weit von sich wei­sen wer­den. Sol­len die von mir aus vor sich hin meckern, das tut MORTAL ENGINES ganz sicher kei­ner­lei Abbruch und ich hof­fe, dass er in sei­ner abge­fah­re­nen Art einer sta­gnie­ren­den Sze­ne neue Impul­se ver­leiht.

Her­aus­ra­gen­de schau­spie­le­ri­sche Leis­tun­gen soll­te man sicher nicht erwar­ten, das macht aber nichts und die Schau­spie­le­rei geht auch tat­säch­lich völ­lig in Ord­nung. Her­aus­he­ben möch­te ich Hugo Wea­ving als Thad­de­us Valen­ti­ne: Wea­ving neigt ja bekann­ter­ma­ßen zum Over­ac­ting, hier jedoch spielt er den Ant­ago­nis­ten auf äußerst gebrems­te, distin­gu­ier­te Art. Am Ende beim Show­down dann natür­lich nicht mehr, aber das liegt in der Natur der Din­ge. Auch die bei­den Haupt­per­so­nen Hera Hil­mar und Robert Shee­han spie­len ihre Rol­len gut und mit der Leich­tig­keit von (rela­ti­ven) New­co­mern, ich bin sicher, dass wir von denen in Zukunft noch mehr zu sehen bekom­men wer­den.

Ich hat­te oben erwähnt, dass MORTAL ENGINES eine Men­ge bereits bekann­te Ver­satz­stü­cke neu ver­mischt und mit äußerst sehens­wer­ten opu­len­ten Bil­dern ver­mischt. Erfreu­lich kommt hin­zu, dass die Hand­lung immer wie­der über­ra­schen kann, zum einen bei sen Sze­na­ri­en, aber ins­be­son­de­re auch was bestimm­te … Cha­rak­te­re angeht. Ich sage hier nur: Shri­ke, dem eini­ge Facet­ten abge­won­nen wer­den, mit denen ich so anfangs auf gar kei­nen Fall gerech­net hät­te. Groß­ar­tig. (Ich hör­te zuerst »Schwe­jk«, hät­te auch gepasst).

Erwäh­nens­wert auch der Sound­track von Tom Hol­ken­borg (ali­as Jun­kie XL), der mit sei­nem orches­tra­len und chora­len Bom­bast die äußerst opu­len­ten Bil­der pas­send unter­malt. Im Gegen­satz zu vie­len ande­ren aus­tausch­bar klin­gen­den Films­ound­tracks der letz­ten Jah­re mein­te ich hier auch Stü­cke mit Wie­der­hör­wert ent­de­cken zu kön­nen, ich wer­de in den nächs­ten Tagen mal ein Ohr auf den Sound­track wer­fen. Auf jeden Fall waren erkenn­ba­re The­men zu ent­de­cken, etwas das Fil­men der letz­ten Jah­re oft fehlt. Von Hol­ken­borg möch­te ich in Zukunft gern noch öfter Film­mu­sik hören. (Ich sehe gera­de, dass man den OST erst Mit­te Janu­ar kau­fen kann. Ver­dammt. Ich hät­te das sofort getan!)

Klin­ge ich begeis­tert? Ja, das bin ich. MORTAL ENGINES ist für mich ein ganz groß­ar­ti­ges Steam­punk-Aben­teu­er, dass sich nicht um ver­meint­li­che Gen­re-Gren­zen schert und deut­lich auf­zeigt, was Steam­punk kann, wenn man ein­fach mal die Phan­ta­sie flie­gen lässt. Der Film zeigt, dass sich Dreck und Ele­ganz nicht aus­schlie­ßen müs­sen (auch wenn hier der Fokus auf End­zeit-Dreck liegt – aber auch das Kos­tüm­de­sign in Lon­don muss man sich mal genau­er anse­hen, und wie hier Altes mit neu­em ver­knüpft wird, denn das ist bemer­kens­wert). Ja, es gibt ein paar Logik­lö­cher und es wird auch bestimmt wer was zu Mäkeln fin­den, viel­leicht sogar anmer­ken, dass man­ches bei STAR WARS abge­kup­fert wir­ken könn­te. Völ­lig wum­pe, das Gesamt­bild macht’s und das ist ein in mei­nen Augen äußerst sehens­wer­ten, bun­tes, unter­halt­sa­mes Steam­punk-Gemäl­de, das man auf gar kei­nen Fall im Kino ver­pas­sen soll­te.

Atem­be­rau­bend. Ich gebe zehn von zehn alte, ame­ri­ka­ni­sche Göt­ter und ver­nei­ge mich vor ihnen (grins).

Halt – ich habe doch einen win­zi­gen Kri­tik­punkt (nein, nicht die Logik­lö­cher, die sind mir schnurz­egal): Humor war nicht abwe­send, aber er hät­te ein wenig stär­ker ver­tre­ten sein dür­fen. Das ist ver­mut­lich in der epi­schen Hand­lung ein wenig unter­ge­gan­gen. Aber das ist Geme­cker auf hohem Niveau. Für mich einer der beein­dru­ckends­ten und ori­gi­nells­ten Phan­tas­tik-Fil­me der letz­ten Jah­re. Ich hof­fe, dass die rest­li­chen Bücher auch noch ver­filmt wer­den, wobei das Ende glück­li­cher­wei­se so gestal­tet wur­de, dass das nicht zwin­gend gesche­hen muss.

p.s.: Ich möch­te so einen leuch­ten­den Bob­by-Hut. Oder wenigs­tens einen leuch­ten­den Orden!

p.p.s.: Ich hat­te den Ein­druck die Syn­ch­ro war sub­ter­ran.

MORTAL ENGINES
Beset­zung: Hera Hil­marRobert Shee­hanHugo Wea­vingJihaeRonan Raf­teryLei­la Geor­gePatrick Mala­hi­deSte­phen LangColin Sal­monMark Mitchin­sonRegé-Jean PageMenik Goo­ne­rat­neFran­kie AdamsLei­fur Sigur­dar­son, u.v.a.m.
Regie: Chris­ti­an Rivers
Dreh­buch: Fran WalshPhil­ip­pa Boy­ens und Peter Jack­son, basie­rend auf dem Buch von Phil­ip Ree­ve
Pro­du­zen­ten: Peter Jack­sonDebo­rah For­teAman­da Wal­kerFran Walsh und Zane Wei­ner
Aus­füh­ren­de Pro­du­zen­ten: Phil­ip­pa Boy­ens und Ken Kamins
Kame­ra: Simon Raby
Schnitt: Jona­than Wood­ford-Robin­son
Musik: Tom Hol­ken­borg ali­as Jun­kie XL
Pro­duk­ti­ons­de­sign: Dan Hen­nah
Cas­ting: Amy Hub­bard und Liz Mul­la­ne
128 Minu­ten
USA 2018

Pro­mo­fo­tos Copy­right Uni­ver­sal Pic­tures Ger­ma­ny

Bespre­chung des ers­ten Romans beim Wür­fel­held

5 Kommentare zu „MORTAL ENGINES – Endzeit-Steampunk auf Turbo-Laudanum“

  1. Dan­ke für die Bespre­chung, Ste­fan. Die lite­ra­ri­sche Vor­la­ge von Philpp Ree­ve emp­fand ich als recht höl­zern und platt, mir fehl­te der epi­sche Tief­gang.

    Wie ver­hal­ten sich Buch und Ver­fil­mung zuein­an­der?

  2. Avatar-Foto
    Stefan Holzhauer

    Ich hab das Buch (die Bücher) noch nicht gele­sen. Ich hat­te kurz drü­ber nach­ge­dacht es vor­her noch zu tun, aber ich woll­te mir den Film nicht ver­der­ben. :) Man soll­te aber mei­ner Ansicht nach nie ver­ges­sen, dass die Ziel­grup­pe der Buch­rei­he Kin­der und Jugend­li­che sind. Tief­gang sucht man im Film sicher ver­geb­lich, das ist aber auch nicht des­sen Inten­ti­on (als ein­deu­ti­ges Pop­corn­ki­no, das letzt­lich mit bekann­ten Ver­satz­stü­cken arbei­tet). Aber Epik gibts mehr als reich­lich.

    Ich gehe mal davon aus, dass die Schau­wer­te des Films die Hand­lung auf­wer­ten könn­ten.

  3. Ich sehe ihn mir auf­grund dei­ner Hym­ne mal an, in Ber­lin läuft er in 3‑D.

    Rei­hen wie Har­ry Pot­ter haben auch Tief­gang und spre­chen Kin­der und Jugend­li­che an. Das schließt sich m. E. nicht aus.

  4. Habe mir das Teil heu­te in 3‑D rein­ge­zo­gen und stim­me dir mit der Cha­rak­te­ri­sie­rung als »lupen­reins­tes Pop­corn­ki­no« zu.

    Eine lan­ge Brenn­dau­er in der Erin­ne­rung wird der Strei­fen zumin­dest bei mir nicht haben.

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