Ich habe einen Kommentar zu meinem gestrigen Rant bekommen, den ich hier nochmal prominenter platzieren möchte, Ich gehe mal davon aus, dass »Flex« echt ist, auch wenn er oder sie die Identität verbirgt. Bei den Details kann ich das aber nachvollziehen. Besonders interessant finde ich die Aussagen zu MARA. Nehmt es als so etwas Ähnliches wie eine Gegendarstellung, auch wenn ich etliche Anmerkungen aufrecht erhalte. Ich habe natürlich keine Möglichkeit, die Aussagen zu prüfen.
Hallo Stefan,
ich bin soeben via Facebook auf deinen Artikel aufmerksam geworden.
Erst habe ich mich geärgert, allerdings habe ich mir den Artikel dann nochmal ein zweites mal durchgelesen und möchte nun ein paar Dinge richtig stellen.
Viele deiner Ansichten erscheinen durchaus logisch, wenn man über die Kinobranche in Deutschland nur soviel weiß, wie ein Kunde eben über die Kinobranche wissen kann.
Ich selbst bin ein kleiner Kinobetreiber und möchte zu ein paar Punkten Stellung nehmen:
1. Mara:
Was man als Kunde nicht wissen kann, ist das der Film aus anderen Gründen grandios gefloppt ist als man auf den ersten Blick denken würde:
Stell dir vor du hast zwei Kinosäle zur Verfügung und bekommst Mara vom Filmverleiher angeboten, allerdings zu Konditionen die von dir Voraussetzen den Film in JEDER Vorstellung in deinem größten Kinosaal zu zeigen den du hast und das ganze (vertraglich festgelegt) mit einer Laufzeit von drei Wochen!
Zurecht beschwerst du dich, das der Film in deiner Gegend nur zu arbeitnehmerunfreundlichen Zeiten läuft! Wieso?
Weil Mara aufgrund der Verleihkonditionen unspielbar gemacht wurde! Als Kinobetreiber beobachtest du das Starumfeld des Filmes und wenn du mitbekommst, dass der Film nicht beworben wird und du dazu gezwungen bist, bei nur zwei Sälen einen Kinosaal für drei Wochen komplett zu blocken überlegst du dir einen Film wie Mara (unbeworben) ins dein Programm aufzunehmen.Avengers 2:
Die Medien verraten dir nicht alles!
Klar kannst du Avengers2 im nächsten Multiplex sehen und musst nicht ins kleine Dorfkino gehen. Und das tolle daran, du musst nicht mal mehr dafür bezahlen!
Wurde dir gesagt wieso die Ketten beim Boykott nicht teilnehmen? Für Kinoketten gelten Sonderkonditionen, sie bezahlen für Filme weniger als die kleinen Dorfkinos und haben den großen Vorteil, dass sie bei weitem nicht die selben Auswertungsfenster haben wie die kleinen Einzelhäuser, sie müssen die Filme nämlich nicht so lange spielen wie die kleinen Einzelhäuser auf dem Land!Was man als Kinobesucher nicht wissen kann:
Die deutschen Kinos wurden in den letzten Jahren dazu gezwungen ihre Kinotechnik auf »Digital« umzustellen. Zwar wird es so dargestellt, als ob dies freiwillig passiert wäre, dem war aber nicht so.
In den vergangenen Jahren wurde man als Einzelhaus einfach nicht mehr mit einem Film beliefert, weil die damals noch gebräuchlichen 35mm Kopien immer weiter zurückgeschraubt wurden. Das Angebot an analogen Filmkopien wurde künstlich verknappt, wenn man Überleben wollte und neue Filme zeigen wollte musste man auf die »neue« Technik umrüsten.
Für ein Einzelhaus (abhängig von der Projektorenanzahl und der Saalanzahl) kamen da immense Kosten von (bei uns 200.000€) zusammen. Viele Filmverleiher haben erkannt das man durch die neue Technik Geld sparen kann (Keine Kopien mehr erstellen= pro 35mm Kopie ca. 500€ sparen, geringerer Filmversand, anstatt 30Kg schwer Filmkopie muss nur noch eine HDD verschickt werden, etc…) und haben die Kinos bei der Umrüstung unterstützt.Die Walt Disney hat dies zu keinem Zeitpunkt getan und verlangt nun von vielen Kinos in Deutschland höhere Abgaben bei der Filmmiete.
Übrigens, was in den Zeitungsartikeln verschwiegen wird: Die Walt Disney fordert einen Nachweis, das ihre Filme (egal ob man sie spielt oder nicht) aktiv durch alle Kinos die einen Walt Disney Film zeigen beworben werden. Hierfür müssen wir unsere »Playlists« einschicken, die Walt Disney sieht also wie unser Kinoprogramm gestaltet wird, ein Fakt der vielen Kinos zurecht nicht schmeckt.Wenn es zu der Filmauswahl in deutschen Kinos kommt:
Die Walt Disney fordert seit einiger Zeit eine »komplett Auswertung« ihrer Filme: Ein Kinderfilm mit einer FSK 0 muss also auch in der Spätvorstellung laufen! Wie es den Kinobetreibern geht ist dabei nebensächlich. Zwar wissen wir, dass der interessante Actionfilm mit einer FSK 18 um 23:00 mehr Besucher ansprechen würde als der Kinderfilm, nur ist unsere Programmgestaltung nicht so einfach!
Wenn man um 14:00, 16:00 und 18:00 jeweils 200 Besucher im Kinderfilm hat und den FSK 18 Film erst ab 20:00 im Kino einsetzen darf überlegt man sich halt was man wie einsetzt.Als Besucher denkt man grundsätzlich, das die Kinos in Filmauswahl und Programmgestaltung frei wäre! Dem ist nicht so!
Übrigens: Bei einer Verleihabgabe von 53% sowie der Abgabe an die SpiO sowie den üblichen Nebenkosten bleibt vom Kinoticket nichts mehr in der Kinokasse übrig: Einer der Gründe warum Popcorn und Getränke im Kino so teuer sind.
Den Boykott der kleinen Kinos anzuprangern ist wirklich einfach wenn man die Faktenlage nicht zu 100% nicht kennt (aber wie soll man das auch können?)
So oder so haben die großen Ketten, die am wenigsten für die kulturelle Vielfalt im Kino tun gewonnen: Sie zahlen weniger und wenn die kleinen Kinos (die sich noch um ein individuelles Programm kümmern) nicht spielen haben sie auch noch mehr Besucher!
Übrigens: Den Gigantensound und die Megaleinwand in den Multiplexx-Kinos hast du der Marktmacht zu verdanken!
Viele Grüße!
Flex
Bild KINO von Kirk, aus der Wikipedia, CC BY-SA
@PhantaNews Das finde ich toll, dass du das veröffentlichst.
»Als Besucher denkt man grundsätzlich, das die Kinos in Filmauswahl und Programmgestaltung frei wäre! Dem ist nicht so!«
Sorry, das ist das typische Gejammer von Leuten, die sich erst völlig rückgratlos selbst versklaven und ihre miese Situation dann damit rechtfertigen, daß man ja gar nicht anders konnte. Man kann immer anders. Und wenn sich genügend »Kleine« anders verhalten, und dabei auch solidarisch sind, weil das Problem eben auch viele gleichzeitig in dieser Form betrifft, dann verändert sich auch etwas. Aber in Deutschland ist Opportunismus eben verbreiteter als Solidarität.
Vielen Dank für diese »Gegendarstellung«. Das ist mal eine gute Sicht auf die andere Seite der Medaille. Respekt auch davor, dass diese »Gegendarstellung« hier so publiziert wird, die FAZ-online und andere Online-Blätter sollten sich hiervon ein paar Scheiben abschneiden!
Interessant. So etwas weiß man als normaler Kinogänger ja wirklich nicht. Galt die Regelung, dass Mara im größten Saal gezeigt werden _muss_ denn aber auch nur für die kleinen Kinos? Bei uns wurde der Film in einem der kleinsten Kinosäle des ganzen Kinos gezeigt. War ein Cineplex.
»Als Besucher denkt man grundsätzlich, das die Kinos in Filmauswahl und Programmgestaltung frei wäre! Dem ist nicht so!«
Nö, denke ich nicht. Und – interessiert mich auch nicht. Es interessiert mich auch bei einem Buchladen nicht, der mir sagt: »Es ist nicht so, dass wir in der Buchauswahl frei sind«.
Ich als Kunde will ein bestimmtes Buch bzw. einen bestimmten Film – und wenn das Kino bzw. der Buchladen mir da nicht helfen kann/will, gehe ich zu einem anderen.
Aber dann weine ich demjenigen, der meinen Wunsch nicht erfüllte, auch nicht nach …
Kann sich einer der hier schreibenden kleinen Kinobetreiber denn Mal darüber äußern, wie Disney den Boykott aufnimmt? Und wie soll es dann weitergehen? Also, einen Film zu boykottieren der bisher gerade 1,5 Milliarden Dollar weltweit eingespielt hat, da sehe ich irgendwie die Verhandlungsgrundlage weg schwimmen.
Und, entschuldige bitte, dass man Kinos erst »zwingen« muss, auf digitale Technik umzurüsten, ist eigentlich eine Frechheit. Das Kino ist den Künstlern gegenüber dazu verpflichtet. Denn selbst unabhängig produzierte Filme werden mit modernster Technik realisiert, und da erwarte ich als Filmemacher, dass dieser Film auch entsprechend vorgeführt wird.
Wir haben unser Kino aufgegeben, weil wir den technischen Ansprüchen der Filme und dem Publikum gegenüber einfach nicht mehr gerecht wurden. Traurig, ist aber so. Aber entweder stehe ich zu der Institution Kino, oder nicht. Auch wenn es die Existenzgrundlage ist, muss einem der Geschäftssinn sagen, ob und wie es weiter gehen kann. Ein fünfundfünfzigjähriger Metallarbeiter, der aus betriebstechnischen Gründen gefeuert wird, hat diese Möglichkeit nicht.
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Lieber Flex, nicht die Filmverleiher kamen auf die Idee, dass 35mm-Kopien Geld kosten. Sondern die Filmindustrie stieg deswegen auf Digital um. Das sollte man als Kinobetreiber aber wissen.
Und dich als Kinobetreiber muss man fragen dürfen, Ist ein 35mm-Format, oder eine digitale DLP-Projektion für den Sehgenuss besser?
1928 gegen den Tonfilm. Dann gegen den Farbfilm. Später gegen das Großformat. Und plötzlich gibt es ruckelfreies Digital. Was für ein Entsetzen.
Lieber Flex, ich kenne die Faktenlage der kleinen Kinos leider nur zu gut. Aber warum, bitte schön, muss ich als Konsument darauf Rücksicht nehmen? Grundsätzlich lehne ich 3D ab, nur gibt es in der Region keine Kinos welche ’normale Vorführungen’ anbieten. Soll ich boykottieren? Ich will das Produkt aber sehen, also muss ich mich entscheiden. Ein Boykott schlägt nur mir persönlich entgegen. Bei 1,5 Milliarden Dollar für AVENGERS 2 vor dem Boykott denke ich nicht, dass Disney sich Sorgen machen wird.
@ Bandit:
»Also, einen Film zu boykottieren der bisher gerade 1,5 Milliarden Dollar weltweit eingespielt hat (…)«
»Bei 1,5 Milliarden Dollar für AVENGERS 2 vor dem Boykott denke ich nicht, dass Disney sich Sorgen machen wird.«
Wie kommst du auf die 1,5 Milliarden Dollar? Der Film ist in noch keinem einzigen Land dieser Erde gestartet, hat also bis dato noch keine müde Mark eingenommen. Er WIRD die Milliarde knacken, das sollte sicher sein, aber deine beiden Sätze klingen so, als hätte er schon anderthalb Milliarden eingespielt. Oder steh ich grad auf dem Schlauch und du redest von was ganz anderem? ;)
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Sorry TheOtherSideOfFilm, ich habe mich da emotional etwas gehen lassen. Allgemein ist das Ganze eine sehr emotionale Diskussion. Natürlich hat AVENGERS 2 noch kein offizielles Einspielergebnis. Ich traumatisiere da selbst vor mich hin. Eigentlich war ich gedanklich bei FURIOURS 7 und seinem traumhaften Einkünften. Aber soviel anders wird es in den nächsten Tagen bei AVENGERS 2 nicht sein.
Sollte sich die Prognose in eine andere Richtung bewegen, werde ich reuevoll zurückkehren, und Abbitte leisten. Aber ehrlich, wird AVENGERS 2 schlechter abschneiden? Und noch dazu auf die kleinen kommunalen Kinos angewiesen sein? Leider, und das meine ich so, leider glaube ich das nicht.
Alles gut, nichts passiert. ;)
‘Avengers: Age Of Ultron’ Sets Records With $9.5M In First Overseas Bows
http://deadline.com/2015/04/avengers-age-of-ultron-international-box-office-opening-1201414945/
Zitat der Pressemitteilung von Disney zum Rekordstart von The Avengers 2:
»Der spektakuläre Blockbuster aus den Marvel-Studios ist bundesweit in 500 Kinos auf mehr als 840 Leinwänden angelaufen.
Der Vorgänger-Film MARVEL´S THE AVENGERS war 2012 auf 660 Leinwänden mit rund 99.000 Zuschauern am ersten Tag gestartet«
Trotz Boykott also 180 Leinwände mehr – Boykott also krachend gescheitert.
Dennoch sollte man den Boykott nicht so abtun, denn andere boykottieren nicht sondern erhöhen die Preise (und sind dann auch wieder die dummen, die vom Konsumentenals raffgierig beschimpft werden). Mich hat die Kinowelt als Kunden längst verloren. Als Familie trotz Family-Sonntag 40 Euro für einen Pixar-Film ausgeben? Nee danke Disney, da kauf ich mir 4–6 Monate später die Blu-Ray für 1/4 und schau sie mir an wann ich will und so oft ich will.
Meiner Meinung nach schaufelt sich die Kino-Industrie ihr eigenes Grab, wenn a) der Kinopreis immer weiter steigt und b) die Filme immer schneller auf Disc erscheinen, teilweise dauert das ja sogar nur noch 3 Monate.
Die »Stadtkinos« müssen die Preise nicht erhöhen, die zahlen ohnehin schon die 53%.
Ein Boykott soll dem Boykottierten schaden. Disney wird die Aktion in den weltweiten Einnahmen aber vermutlich gar nicht bemerken. Mit dieser Art von Boykott schaden die Kinos in erster Line sich selbst und den Kunden, die den Film sehen wollen. Da müssen die sich schon was besseres einfallen lassen. Ich habe ja ein gewisses Verständnis für die Situation der Dorfkinos, aber diese Boykottaktion ist einfach nur unausgegoren und fehlgeleitet.
Die Besprechung von AOU folgt am Montag. Der wird vermutlich noch mehr einspielen, als der erste.