Innerhalb kürzester Zeit hat sich Eli Roth an die Spitze des Horror-Genres inszeniert. Irgendwie scheint Roth omnipräsent im Kino vertreten zu sein. Tatsächlich hat der Regisseur seit 2002 lediglich fünf Kinofilme gemacht, wobei CABIN FEVER der erste war. Viel umtriebiger ist er hingegen als Produzent. Doch genau wie seine Regiearbeiten treffen die von ihm mit produzierten Filme nicht immer den sicheren Geschmack. Eher das Gegenteil. Mal werden seine Filme milde belächelt, manchmal als Unsinn abgetan, oder sie sind in ihren Motivationen fragwürdig. Was natürlich nicht bedeutet, der Filmemacher hätte nicht auch eine treue Anhängerschaft. Doch wie man das Skalpell auch drehen und wenden mag, Eli Roth ist hier, er bleibt, und ist immer wieder im Gespräch. Und jetzt hat er erstmalig einen Thriller gedreht.
Evan Webber ist erfolgreicher Architekt, liebevoller Vater und treusorgender Gatte. Um einen dringlichen Auftrag in Ruhe und ungestört zu Ende zu bringen, wird Frau und Sohn über das Wochenende in ein Hotel am Strand geschickt. Doch die Ruhe wärt nicht lange, als mitten in der Nacht die wegen des Regens vollkommen durchnässten Genesis und Bel vor der Tür stehen. Auf dem Weg zu einer Party haben sie sich wohl in der Straße geirrt. Nur widerwillig lässt Evan die nach einem Telefon bettelnden Mädchen herein. Aber was soll schon passieren? Evan wird es schnell heraus finden.
(Ab hier werden Handlungsabläufe verraten) Zuerst einmal fällt das Produktionsdesign auf. Die Liebe der Familie Webber zueinander wird damit unterstrichen, dass an allen Wänden im Haus Bilder der dreiköpfigen Familie hängen. Dass die Bilder allesamt nicht mit der Zeit gewachsen sind, sondern Vater, Mutter, Sohn im aktuellen Alterszustand zeigen, scheint merkwürdig. Allerdings stört das weniger, als dass die Vielzahl der Bilder an sich den Eindruck vermitteln, die Webbers seien extrem selbstverliebte Menschen. Doch die Probleme des Films fangen damit erst an.
Eli Roth und seine Filme, ob inszeniert oder produziert, zeichnen sich meist dadurch aus, dass sie eine extrem lange Anlaufzeit haben. Wie bei dem 90 Minuten dauernden AFTERSHOCK, wo es 40 Minuten bedarf, bis etwas passiert, was den Besucher eigentlich in den Film gelockt hat. Auch KNOCK KNOCK nimmt sich diese Zeit. Vielleicht denkt sich der Filmemacher immer wieder, dass er mit seinen Alltagssituation so etwas wie Realismus erzeugen kann. Das gelingt natürlich nur bedingt, weil der geneigte Zuschauer weiß, warum er gekommen ist. Doch das, warum der Zuschauer gekommen ist, ist nicht wirklich gelungen.
Die hilfesuchenden Genesis und Bel sind natürlich nicht die unschuldigen Lämmer, welche sie vorgeben zu sein. Auch das weiß man im Vorfeld. Doch hier prallen verschiedene Schwachpunkte aufeinander, die allesamt eine Katastrophe ergeben. Ein gestandener Mann wie Evan Webber soll nicht in der Lage sein, sich gegen Girlies wie Genesis und Bel erwehren zu können? Keanu Reeves’ Charakter stolpert damit in die absolute Unglaubwürdigkeit. Der Zuschauer kann diesen Aspekt der Geschichte schon einmal überhaupt nicht ernst nehmen. Im wirklichen Leben hätte ein Kerl wie Evan die Mädchen nach spätestens einer Stunde einfach aus dem Haus geschmissen. Im Film verwandelt er sich in einen hilflosen Trottel, und tappt in die albernste Falle, die sich jemand ausdenken kann. Keanu Reeves ist ja schon einige Zeit von guten Rollen verschont geblieben, und dies wäre eine gute Gelegenheit gewesen sich wieder einmal zu rehabilitieren. Doch da macht ihm Drehbuch und Regie einen gewaltigen Strich durch die Rechnung.
Viel schlimmer sind schließlich Lorenza Izzo und Ana De Armas als Genesis und Bel, sowie Eli Roth’ Unvermögen die Situation glaubwürdig und nachvollziehbar zu erzählen. Die letzten 45 Minuten gehören einem unerträglichen Tenor von hysterischen Auswüchsen. Es wird geschrien, es wird zerstört, die Figuren verlieren jeden Bezug zur Realität. Und Eli Roth will immer wieder klar machen, dass dieses Szenario natürlich aus sich selbst heraus gewachsen ist. Und das ist eben falsch. Die ganze zweite Hälfte des Films atmet fast schon röchelnd die Atmosphäre von künstlich erzeugter Spannung, die nicht spannend ist, sondern in ihren Auswüchsen einfach nur nervtötend.
1997 hat Michael Haneke den überaus unbequemen Film FUNNY GAMES gedreht, in dem es um unmotivierte Gewalt gegen eine Familie ging. Haneke hat verstanden, wie man diese Prämisse schonungslos, aber auch realistisch an den Zuschauer bringt. Eli Roth hat dieses Gespür nicht. Unvorbehaltlos glaubt er mit Überspitzung, Realitätsferne, und sich selbst überschätzenden Figuren eine glaubwürdige Spannung aufbauen zu können. Nun mögen Lorenza Izzo und Ana De Armas durchaus ansehnliche Darstellerinnen sein, aber ihre Charaktere leiden dann doch an erheblicher Selbstüberschätzung, wenn sie glauben, einen man wie Evan Webber damit kompromittieren zu können. Und dass diese unrealistische Rechnung auch noch aufgeht, macht den Charakter von Evan Webber nur noch untragbarer. Eli Roth hatte eine Chance. Er hat sich aber nicht genutzt.
KNOCK KNOCK
Darsteller: Keanu Reeves, Lorenza Izzo, Ana de Armas u.a.
Regie: Eli Roth
Drehbuch: Eli Roth, Nicolás Lopéz, Guillermo Amoedo
Kamera: Antonio Quercia
Bildschnitt: Diego Macho Gómez
Musik: Manuel Riviero
Produktionsdesign: Marichi Palacios
99 Minuten
Chile – USA 2015
PÜromofotos Copyright Universum / SquareOne / 24Bilder