Der Name Butcher kommt einem merkwürdig bekannt vor, wenn es um Urban Fantasy geht. Und das auch nicht ganz zufällig, ist Jim Butcher doch der Autor der vermutlich erfolgreichsten Genre-Reihe überhaupt, die Dresden Files um den Chicagoer Magier Harry Copperfield Blackstone Dresden.
Der hat einen Sohn. Der hat nicht etwa ein Pseudonym gewählt, das seine Herkunft verschleiert, sondern schreibt als James J. Butcher. Was aus Verlags‑, oder vermutlich eher Marketingsicht, sicherlich eine Menge Sinn ergibt, sorgt natürlich auch dafür, dass große Fußspuren auszufüllen sind.
Und auch James J. Butchers Romandebut DEAD MAN’S HAND ist im Genre Urban Fantasy anzusiedeln, was bei dem Vater vielleicht nicht sonderlich verwundern mag. Wenn der dir von klein auf von Harry und seinen Abenteuern erzählt, dann ist das vermutlich prägend. Allerdings schreibt James nicht im selben Universum, sondern hat will sich offenbar eine eigene Urban Fantasy-Nische schaffen, was auch vermutlich ein eher guter Plan sein dürfte.
Werbetext:
On the streets of Boston, the world is divided into the ordinary Usuals, and the paranormal Unorthodox. And in the Department of Unorthodox Affairs, the Auditors are the magical élite, government-sanctioned witches with spells at their command and all the power and prestige that comes with it. Grimshaw Griswald Grimsby is…not one of those witches.
After flunking out of the Auditor training program and being dismissed as “not Department material,” Grimsby tried to resign himself to life as a mediocre witch. But he can’t help hoping he’ll somehow, someway, get another chance to prove his skill. That opportunity comes with a price when his former mentor, aka the most dangerous witch alive, is murdered down the street from where he works, and Grimsby is the Auditors’ number one suspect.
Proving his innocence will require more than a little legwork, and after forming a strange alliance with the retired legend known as the Huntsman and a mysterious being from Elsewhere, Grimsby is abruptly thrown into a life of adventure, whether he wants it or not. Now all he has to do is find the real killer, avoid the Auditors on his trail, and most importantly, stay alive.
Grimshaw Griswald Grimsby ist das, was man wohl einen Antihelden nennen würde, denn er hat die Aufnahme in diese ominöse Hexenpolizeieinheit verkackt und man kann ihn als gescheiterte Existenz betrachten. Er kann nur so halbgut bis wenig zaubern und musste nach seinem Rausflug bei den Auditoren einen Job als Kinderbespaßer in einem Schnellrestaurant annehmen, das nicht nur eine oberflächliche Ähnlichkeit mit McDonald’s hat. Außerdem hat er mit Traumata aus der Vergangenheit zu kämpfen.
Als dann eine der Oberhexen der Auditoren umgebracht wird (die auch an seiner Ablehnung als Auditor beteiligt war) und die Hinweise eindeutig in seine Richtung zeigen, wird er zum Gejagten.
Glücklicher, oder vielleicht auch unglücklicherweise tut er sich bei der Aufklärung des Mordes mit dem alten Haudegen Leslie Mayflower zusammen, der für die Hexe bisweilen Aufträge erfüllt hat.
Was sich dann entspannt kann man vielleicht am besten als Urban Fantasy im Noir-Stil beschreiben. Der Plot entspannt sich zwischen humorigen Einlagen und Grusel und als eine Art Zusammenraufen zwischen dem unerfahrenen, eher ängstlichen Grimsby und dem hartgesottenen Mayflower, der den ganzen Scheiß eigentlich gar nicht mehr machen will.
Das ist eine schöne Zusammenstellung und es ist auch schön zu lesen, wie die beiden sich über den Verlauf des Romans beim Versuch den Tod der Hexe aufzuklären zusammenraufen und insbesondere ist es schön zu sehen, wie der Hauptcharakter eine Wandlung durchmacht, an dem wächst, was ihm so alles passiert.
Problematisch finde ich, dass der Autor nahezu nicht aufs Worldbuilding eingeht. Man muss das alles einfach mal so hinnehmen, die Hintergrundinformationen bleiben äußerst spärlich und das ist deswegen in meinen Augen ein wenig problematisch, weil es, anders als bei Harry Dresden, eben nicht unsere »normale« Welt ist, in das Paranormale einbricht, sondern das Übernatürlich ist ein ganz normaler Teil der Welt in der das handelt. Da hätte ich mir zur besseren Einschätzung schon ein wenig mehr Hintergrundinformationen gewünscht. Aber vielleicht bekommt man die in Fortsetzungen, denn es ist abzusehen, dass wir über Grimsby noch mehr zu lesen bekommen werden. Zu viele lose Enden wurden nicht verknüpft und das Ende schreit nach einer Fortsetzung. Außerdem hat der Verlag den gleich mal ans Band eins einer Reihe angekündigt.
Der Schreibstil ist für einen Erstling völlig in Ordnung, ich sehe durchaus noch Entwicklungspotential, das sollte bei einem Debut allerdings nicht wundern. Mir fehlt allerdings ein wenig die schreiberische Tiefe.
Am Ende hat James J. Butcher einen kurzweiligen, eigenständigen Urban Noir Grusel Fantasy-Roman abgeliefert, den ich in einem Rutsch weggelesen habe. Im Detail sehe ich Verbesserungspotential, aber man muss ehrlich sagen, dass es sich um einen sehr respektablen Erstling handelt.
Kann man mal lesen, insbesondere Freunde düsterer Urban Fantasy mit Gruseleinschlägen dürften daran Gefallen finden.
Fragwürdig ist es natürlich, dass der Verlag das Ding wie beim Vater erstmal als Hardcover herausbringt und dafür gleich stolze 29 Dollar ansagt. Das geht vielleicht bei Jim, aber allein wegen des Namens gleich mal Bestsellerpreise anzusagen halte ich dann bei James doch für etwas gewagt. Glücklicherweise gibt es eBooks.
DEAD MAN’S HAND
The Unorthodox Chronicles Book 1
James J. Butcher
Urban Fantasy Roman
11. Oktober 2022
384 Seiten
Hardcover:
ISBN: 978–0593440414, ca. EUR 29,00
eBook:
ASIN: B09Q86HHTZ, ca. 12,00 Euro
Ace
Coverabbildung Copyright Ace