Heißer Ritt mit COWBOYS & ALIENS

Ein auf den Kopf gestell­ter Schau­fel­rad­damp­fer mit­ten in der Wüs­te und 500 Mei­len vom nächst­mög­li­chen Fluss ent­fernt, auf dem er fah­ren könn­te. Die­ses Sze­na­rio ist sinn­bild­lich für die Absich­ten der Film­ma­cher. Es ent­zieht sich ein­fach jed­we­der Erklä­rung. Es könn­te ein Hom­mage an Spiel­bergs Wüs­te-Gobi-Sze­nen aus CLOSE ENCOUNTERS sein. Viel­leicht ist es aber auch ein­fach nur ein unheim­lich coo­les Bild. Wer bei COWBOYS & ALIENS lan­ge fragt, wird sehr lan­ge irr gehen. Es ist ein Film, der sich allein durch sei­nen Titel erklärt. Das tut SPARTACUS auch, und SATURDAY NIGHT FEVER erst recht, aber bei COWBOYS & ALIENS kommt tat­säch­lich nichts mehr hin­ter dem Titel. »Just con­cept, no con­tent«, brül­len Kri­ti­ker in aller Welt, weil sie es ja am bes­ten wis­sen müs­sen und weil sie nichts ver­stan­den haben.

Das »Kon­zept« ist das gol­de­ne Kalb in Hol­ly­wood, der »Inhalt« hin­ge­gen das rote Tuch. Wer will denn schon etwas ver­mit­teln, wenn er auch ein­fach nur das Geld kas­sie­ren kann? Dass sich gleich sechs Köche an COWBOYS & ALIENS ver­schrie­ben haben, hat den Brei nicht unbe­dingt ver­dor­ben. Denn wie sich der Film letzt­end­lich zeigt, könn­te dies durch­aus eben­falls zum Kon­zept gehö­ren, den Inhalt mal sanft bei­sei­te zu schie­ben. 1968 haben fin­di­ge Pro­du­zen­ten in Hol­ly­wood Ideen zusam­men gewor­fen, der eine sag­te »irgend­was mit Cow­boys«, und der ande­re rief dazwi­schen »oder was mit Dino­sau­ri­ern«. Das ergab GWANGIS RACHE, ein Wes­tern, wo tap­fe­re Cow­boys gegen einen Dino­sau­ri­er antre­ten müs­sen. Jetzt hat man gar nicht solan­ge hin und her über­le­gen müs­sen, denn die Vor­la­ge gab es schon – und der Titel war Konzept.

Vie­les in Jon Fav­re­aus Film pas­siert, weil es ein­fach so pas­sie­ren muss. Der stoi­sche Anti-Held, der ohne Erin­ne­rung in der Wüs­te erwacht und umge­hend drei fie­se Typen umle­gen muss. Wir wis­sen sofort wie wir mit ihm dran sind. Gleich dar­auf ler­nen wir den Dorf­pfar­rer des Kaffs Abso­lu­ti­on ken­nen, der dem wort­kar­gen Frem­den bereit­wil­lig hilft. Fron­ten geklärt. Dann der jun­ge Dolar­hyde, der maro­die­rend mit dem Namen sei­nes Vaters hau­sie­ren geht. Und so geht es wei­ter und wei­ter. Jede Sze­ne ist Expo­si­ti­on und auch Sta­tus Quo. Zumin­dest bis zu einem gewis­sen Grad. Aber die Ent­wick­lung einer Figur ist kei­ne direk­te Fol­ge der vor­an­ge­gan­ge­nen Ereignisse.

Mas­ter und Com­man­der. Fav­reau (rechts) zeigt Craig wie es geht.

Aber Jon Fav­reau kann genau mit die­sem Kon­zept das Bes­te anfan­gen. Er beherrscht die Kli­schees, er bedient sich unent­wegt dar­aus, und kann sie auch effek­tiv nut­zen. Und wer Wes­tern kennt, wird dafür mit stän­di­gen Lachern belohnt. Gera­de weil die Cha­rak­te­re oft­mals so vor­her­seh­bar han­deln, die Kli­schees bedient wer­den, funk­tio­niert der Film in sei­nem gesam­ten ange­dach­ten Kon­zept. COWBOYS & ALIENS eben. Doch wo bei einem typi­schen Wes­tern der stoi­sche Held ent­we­der gegen einen mie­sen Vieh­ba­ron antre­ten muss oder in einem ande­ren Film eine gan­ze Ban­de von Die­ben und Räu­bern zur Stre­cke gebracht wer­den müs­sen, gibt es in die­sem Ver­tre­ter des Gen­res gleich die gesam­te Band­brei­te. Die Räu­ber­ban­de, der Vieh­ba­ron, ein India­ner­stamm, die auf­rech­ten Bür­ger von Abso­lu­ti­on. Sie gemein­sam sind der Wil­de Wes­ten, die Essenz des­sen, was frü­her groß­ar­ti­ges Kino aus­mach­te. Der titel­ge­ben­de Geg­ner muss im Kol­lek­tiv besiegt wer­den. Und Jon Fav­reau war die bes­te Wahl für die­sen Job.

So ein Unter­fan­gen steht und fällt mit sei­nen Dar­stel­lern. All­zu oft bewe­gen sich die Cha­rak­te­re auf einem sehr schma­len Grat. Gera­de Craig und Ford als Lon­er­gan und Dolar­hyde hät­ten sehr schnell ins Lächer­li­che abrut­schen kön­nen. Doch COWBOYS & ALIENS stellt unter Beweis, dass Craig mit Cha­ris­ma und sei­ner rau­en Ener­gie einen Film außer­halb sei­nes eigent­li­chen Bekannt­heits­gra­des füh­ren kann. Und Ford? Er hat schon Lucas´ fürch­ter­li­che Dia­lo­ge zu einem Hoch­ge­nuss gewan­delt. Das ist die Rol­le in der man ihn sehen möch­te, die er aus­fül­len kann, und aus der er das Best­mög­li­che her­aus­holt. Das Schö­ne dabei ist, das sich bei­de Dar­stel­ler-Grö­ßen nie­mals im Weg sind oder sich mit ihrer über­ra­gen­den Prä­senz gegen­sei­tig sper­ren. Zwei so unter­schied­li­che Cha­rak­te­re kön­nen sich mit ihrer stim­mi­gen Che­mie so wun­der­bar ergän­zen. So wie die bei­den den Film nicht domi­nie­ren, son­dern anrei­chern, weckt das weh­mü­ti­ge Erin­ne­run­gen an die Paa­run­gen von BUTCH CASSIDY AND THE SUNDANCE KID und DER CLOU.

Gut, man muss zumin­dest zuge­ben, dass das Design der Außer­ir­di­schen alles ande­re als ori­gi­nell ist. Was sie an Aus­se­hen und Wesens­art zu bie­ten haben hat man alles schon ein­mal gese­hen. Aber das kann man einem Film ver­zei­hen, der aus so wenig, so viel macht. Ange­fan­gen von den her­aus­ra­gen­den Dar­stel­lern bis hin zu der straf­fen Regie. Und natür­lich nicht zu ver­ges­sen Matthew Liba­ti­ques gran­dio­se Bil­der. Da springt das Herz vor Freu­de bei die­sen kla­ren Bil­dern, die vom Kon­trast­um­fang und der Farb­sät­ti­gung dem Gen­re mehr als gerecht wer­den. Nur in den Rück­blen­den erlaubt sich Liba­tique leich­te Ver­frem­dun­gen, ansons­ten blei­ben die Sze­nen klas­sisch kadriert und in der Gestal­tung im per­fek­ten Kon­trast­be­reich, was man heu­te lei­der nur noch sel­ten sieht. Und wenn dazu Har­ry Gregson-Wil­liams über­ir­di­sches Jake-Lon­er­gan-The­ma erklingt, dann ist der Fan­boy ange­kom­men wo er sich hinwünschte.

Alles zusam­men macht das eigent­lich einen per­fek­ten Film. Aber ohne Inhalt. Es schei­den sich die gro­ßen Köp­fe, ob dem Kon­zept tat­säch­lich Inhalt fol­gen muss. Es darf eigent­lich nicht sein, dass sich immer grö­ße­re Pro­duk­tio­nen auf immer weni­ger redu­zie­ren. Im Hau­se Bruck­hei­mer und Bay zum Bei­spiel ist dies Pro­gramm, und viel­leicht liegt hier die zwie­ge­spal­te­ne Akzep­tanz von COWBOYS & ALIENS. Wo immer mehr als 100 Mil­lio­nen Dol­lar für einen Film spen­diert wer­den, erwar­tet man zwangs­läu­fig auch höher gestell­te Ansprü­che an den Inhalt des Films. Doch seit Jah­ren wird über­se­hen, dass dies ein Wider­spruch in sich ist. Es ist das eigen­ar­ti­ge Phä­no­men, dass das Prin­zip des kal­ku­lier­ten Block­bus­ters Stan­dard gewor­den ist, aber vom Zuschau­er von Film zu Film igno­riert wird.

Fra­gen tun sich auf, und Fra­gen blei­ben unbe­ant­wor­tet. Man möch­te von einem Produzenten‑, Autoren und Regie-Team die­ser Liga ger­ne etwas mehr erwar­ten. Aber die­ses »mehr« kann bei die­sem Film nicht defi­niert wer­den, weil er funk­tio­niert, so wie er ist. Das möch­te so man­cher nicht wahr­ha­ben. Doch man muss einem Film zuge­ste­hen, auf Inhalt ver­zich­ten zu kön­nen, wenn dies schlicht und ergrei­fend zum Kon­zept gehört. Da braucht es kei­ne zwin­gen­de Erklä­rung, war­um ein Schau­fel­rad­damp­fer mit­ten in der Wüs­te liegt, solan­ge es nur ein unheim­lich coo­les Bild ist. Oder ist er am Ende viel­leicht ein Hin­weis auf eine mög­li­che Fort­set­zung. Denn eines ist sicher, irgend­wie muss der ja in die Wüs­te gekom­men sein – und die Ali­ens aus die­sem Teil waren es nicht.

COWBOYS & ALIENS
Dar­stel­ler: Dani­el Craig, Har­ri­son Ford, Oli­via Wil­de, Adam Beach, Paul Dano, Sam Rock­well, Keith Car­ra­di­ne, Clan­cy Brown u.a.
Regie: Jon Favreau
Dreh­buch: Rober­to Orci, Alex Kurtzman, Damon Lind­l­of, Mark Fer­gus, Hawk Ostby
Kame­ra: Matthew Libatique
Bild­schnitt: Dan Leben­tal, Jim May
Musik: Har­ry Gregson-Williams
Pro­duk­ti­ons­de­sign: Scott Chambliss
USA 2011 – zir­ka 118 Minuten
Dream­Works Pic­tures, Uni­ver­sal Pic­tures (United Sta­tes), Para­mount Pic­tures (Inter­na­tio­nal)

 

Kino­pla­kat und Pro­mo-Fotos Copy­right Dream­Works Pic­tures, Uni­ver­sal Pic­tures (United Sta­tes), Para­mount Pic­tures (Inter­na­tio­nal)

2 Kommentare zu „Heißer Ritt mit COWBOYS <span class="amp">&</span> ALIENS“

  1. Vor­ges­tern auf DVD geschaut und so wirk­lich weiß ich noch nicht, was ich von dem Film hal­ten soll. Sicher­lich war er bes­ser als der Titel, der mich doch leicht abschreck­te, wes­we­gen ich damals auch nicht im Kino war. Ich wür­de jetzt spon­tan sagen: Kein super Film, aber aus­rei­chend für einen Abend als net­te Unter­hal­tung. Nicht mehr und nicht weniger.

  2. Durch Dei­ne letz­ten bei­de Sät­ze, ist der Film bei dir viel bes­ser weg gekom­men, als bei vie­len ande­ren Leu­ten. Tat­säch­lich hat mir gera­de die Optik zuge­sagt, denn damit hat der Film auf der Lein­wand noch eini­ges dazu­ge­won­nen. Da ist dir eini­ges ent­gan­gen, behaup­te ich. Aber Dei­ne Beweg­grün­de sind durch­aus nach­voll­zieh­bar. Per­sön­lich hof­fe ich auf eine Fort­set­zung, und zwar mit rich­tig Hand­lung. Ansons­ten soll­te es das gewe­sen sein.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Nach oben scrollen

Durch die weitere Nutzung der Seite stimmst du der Verwendung von Cookies und von eingebundenen Skripten Dritter zu. Weitere Informationen

Die Cookie-Einstellungen auf dieser Website sind auf "Cookies zulassen" eingestellt, um das beste Surferlebnis zu ermöglichen. Wenn du diese Website ohne Änderung der Cookie-Einstellungen verwendest (Navigation) oder auf "Akzeptieren" klickst, erklärst Du Dich damit einverstanden. Dann können auch Cookies von Drittanbietern wie Amazon, Youtube oder Google gesetzt werden. Wenn Du das nicht willst, solltest Du entweder nicht auf "Akzeptieren" klicken und die Seite nicht weiter nutzen, oder Deinen Browser im Inkognito-Modus betreiben, und/oder Anti-Tracking- und Scriptblocker-Plugins nutzen.

Mit einem Klick auf "Akzeptieren" werden zudem extern gehostete Javascripte freigeschaltet, die weitere Informationen, wie beispielsweise die IP-Adresse an Dritte weitergeben können. Welche Informationen das genau sind liegt nicht im Einflussbereich des Betreibers dieser Seite, das bitte bei den Anbietern (jQuery, Google, Youtube, Amazon, Twitter *) erfragen. Wer das nicht möchte, klickt nicht auf "akzeptieren" und verlässt die Seite.

Wer wer seine Identität im Web schützen will, nutzt Browser-Erweiterungen wie beispielsweise uBlock Origin oder ScriptBlock und kann dann Skripte und Tracking gezielt zulassen oder eben unterbinden.

* genauer: eingebettete Tweets, eingebundene jQuery-Bibliotheken, Amazon Artikel-Widgets, Youtube-Videos, Vimeo-Videos

Schließen