Brad Miskas Konzept einer Horror-Anthologie scheint aufgegangen zu sein. Trotz einem eher zweifelhaften Erfolg, zumindest im finanziellen Rahmen von gerade 100.000 Dollar im eingeschränkten Verleih, haben es die Macher dennoch geschafft, wieder eine Riege aufstrebender Regisseure zusammenzutun. Und wie es bei Anthologien ebenso ist, die Qualität der Geschichten, der Inszenierung, und technischen Umsetzung variieren, dabei nicht immer zum besten. Im Rahmen einer sogenannten »Glaubwürdigkeit« muss sich auch jedes Segment in Ton und Handlung stark von den anderen Teilen abheben. Eingehüllt ist S‑VHS in eine dünne Rahmenhandlung, in der zwei Detektive einen Studenten suchen, und dabei in seiner verlassenen Wohnung auf einige sehr merkwürdige Video-Bänder aufmerksam werden. Wie schon in V/H/S zuvor, kann man sich den Inhalt der Videos ungefähr vorstellen. Es sind verstörende, unheimliche Geschichten jenseits jedes rationalen Verstandes. Doch ebenso wie bei dem Vorgänger, stiehlt sich auch S‑VHS aus einer erzählerischen Verantwortung, in dem er groß das Label von Found-Footage vor sich herschiebt. Was du siehst ist was du kriegst. Keine Erklärungen, nur unbefriedigende Auflösungen. Es ist wie es ist. Es ist der Augenblick der zählt.
Die Macher haben schlaue Entwürfe umgesetzt. Im ersten Segment ist es ein künstliches Auge, das wegen medizinischer Auswertungen alles aufzeichnet. Bei einem Radausflug durch den Park ist es eine an den Fahrradhelm angebrachte GoPro. Der Besuch bei einer indonesischen Sekte wird von einem Fernsehteam begleitet. Und wenn Außerirdische ins Land-Idyll einfallen, ist es der Familienhund, der eine kleine Petcam am Halsband trägt. Also alles digital, schade, der Titel verspricht anderes. Am spannendsten ist Sánchez’ und Hales RIDE IN THE PARK gelungen, eine kurz und knackige Zombiegeschichte. Den meisten Raum hingegen nimmt SAFE HAVEN ein, der auch mit die verstörendsten Bilder der Anthologie das Publikum bei Laune hält. SAFE HAVEN ist auch der Teil, der mit einem einigermaßen zufriedenstellenden, aber auch überraschenden Ende überzeugt. Ziemlich wahllos zusammengestückelt wirkt hingegen die Rahmenhandlung TAPE 49, die vielleicht skurril sein sollte, wenn Menschen sterben, welche die einzelnen Bänder hintereinander ansehen. Aber tatsächlich macht es den Eindruck von willkürlicher Abhandlung, um zum Ziel, sprich dem Ende, zu kommen. Found-Footage bleibt eben Found-Footage. Eine gute Ausrede, nicht nur um billig zu produzieren, sondern selbst halbgare Geschichten servieren zu können. S‑VHS ist ein netter Ausflug, vielleicht nicht langweilig, aber weit ab von jeder Originalität.
EUROPA REPORT – ab 22. Oktober 2013 auf DVD
Eine nicht unbekannte Form von Found-Footage findet sich bei EUROPA REPORT wieder. Es sind die unzähligen Überwachungskameras des Raumschiffs Europa One, die einzig ehrliche und plausible Möglichkeit, Found-Footage vernünftig zu erklären. Mit dem Material der Überwachungskameras konzentriert sich die Bildgestaltung weitgehend auf die Auswertung, chronologische Ordnung, und dramaturgische notwendige Umschnitte innerhalb einzelner Vorkommnisse. Gelegentlich wird der Film mit Nachrichtensendungen von den Vorbereitungen und dem Start der Expedition unterschnitten. Doch das Schicksal der Europa One wird ausschließlich über das Schiff-interne Material erzählt. Das Set-Design ist überwältigend, das Spiel der Darsteller könnte gar nicht realistischer sein. Und hier beginnt EUROPA REPORT seine Spannung zu verlieren. Denn, umso realistischer sich die Reise zum Jupitermond Europa gestaltet, desto weniger wird der Zuschauer emotional eingebunden.
In der ersten Hälfte ist EUROPA REPORT ein faszinierender Einblick in den realistischen Ablauf einer mehrmonatigen Weltraumexpedition. Am Anfang herrscht noch aufgeregte Euphorie. Nach Monaten der Annäherung an den Mond Europa, sind die Motivationen abgestumpft. Die aufgabenfreie Zeit an Bord des Schiffes fordert ihren Tribute. Doch mit einem Mal müssen die Forscher wieder von Null auf Hundert funktionieren. Nicht weniger als das Aufspüren von eventuellem Leben fordert mehr, als die Crewmitglieder am Ende wirklich leisten können. Aus der ermüdenden Reise und der daraus resultierenden Lethargie, entwickelt sich eine seltsame Dynamik, als die anstehenden Aufgaben die Forschergruppe tatsächlich zu überfordern beginnen.
Der strenge Realismus dem sich EUROPA REPORT unterziehen musste, nimmt dem Film viel von seinen möglichen Spannungsmomenten. Die Astronauten sind absolute Profis und so agieren und reagieren sie auch in Krisensituationen. Identifikationsmomente sind schwer auszumachen. Zu diesem gestrengen Realismus gesellt sich die Auseinandersetzung mit den Entwicklungen, die sich letztlich auf Europa ergeben. Dies sind nicht Jack Arnolds außerirdische Humanoiden, oder Dan O’Bannons abstrakte Alien-Entwürfe. Irgend etwas ist auf Europa, aber es entzieht sich der allgemein gültigen Vorstellung von außerirdischem Leben. So faszinierend nahe sich EUROPA REPORT an einer möglichen Realität bewegt, so wenig gibt er dem Zuschauer die Möglichkeit, sich durch emotionale Versatzstücke diesem Abenteuer anzunähern. Sharlto Copley ist hinreißend, Michael Nyqvist umwerfend, und Anamaria Marinca einfach faszinierend. Das Set-Design könnte nicht überzeugender sein. Und die Schnittfolge der vier Cutter bringt es dramaturgisch auf den Punkt. Aber EUROPA REPORT versagt in seinen ehrlichen Absichten. Denn für den Zuschauer wird nie wirklich klar, genauso wie für die Figuren im Film, mit was sie letztendlich zu tun haben. Dem Zuschauer ist sicherlich von Anfang an bewusst, dass die Expedition von Europa One ein anderes Ende nehmen wird, wie es sich die Figuren vorgestellt haben. Aber der Weg dorthin ist sehr nüchtern, und mitunter verwirrend. Doch wenn man vom Bild des altbackenen Aliens abrückt, kann EUROPA REPORT auch eine sehr intensiven Auseinandersetzung mit einer möglichen Wirklichkeit sein.
V/H/S/2 alias S‑VHSHH / 27 AUG / 23.45 UHR / CINEMAXX
M / 06 SEP / 23.30 UHR / CINEMA
S / 01 SEPT / 19.15 UHR / METROPOL
S / 03 SEPT / 23.30 UHR / METROPOL
F / 06 SEPT / 23.30 UHR / METROPOLIS
K / 12 SEPT / 19.15 UHR / CINEDOM
N / 11 SEPT / 23.45 UHR / CINECITTA’
N / 12 SEPT / 19.15 UHR / CINECITTA’
Darsteller: Lawrence Michael Levine, Kelsy Abbott, Adam Wingard, Jay Saunders, Fachry Albar, Rebecca Babcock u.v.a.
Regie: Simon Barrett, Jason Eisner, Gareth Evans, Gregg Hale, Eduardo Sánchez, Timo Tjahjanto, Adam Wingard
Drehbuch: Timo Tjahjanto, Simon Barrett, John Davies, Jason Eisner, Gareth Evans, Jamie Nash, Eduardo Sánchez
Kamera: Tarin Anderson, Abdul Dermawan Habir, Stephen Scott, Seamus Tierney, Jaff Wheaton
Bildschnitt: Jason Eisner, Gareth Evans, David Geis, Bob Rose, Adam Wingrad, Eduardo Sánchez
Musik: James Guymon, Steve Moore, Aria Prayogi, Fajar Yuskemal
zirka 96 Minuten
Kanada – Indonesien – USA 2013
M / 01 SEP / 19.15 UHR / CINEMA
S / 31 AUG / 19.15 UHR / METROPOL
F / 06 SEPT / 19.15 UHR / METROPOLIS
K / 08 SEPT / 19.30 UHR / CINEDOM
N / 07 SEPT / 19.15 UHR / CINECITTA’
Darsteller: Christian Camargo, Embeth Davitz, Anamaria Marinca, Michael Nyqvist, Sharlto Copley, Daniel Wu, Karolina Wydra, Dan Fogler, Isiah Whitlock Jr. u.a.
Regie: Sebastián Cordero
Drehbuch: Philip Gelatt
Kamera: Enrique Chediak
Bildschnitt: Alex Kopit, Craig McKay, Livio Sanchez, Aaron Yqnes
Musik: Bear McCreary
Produktionsdesign: Eugenio Caballero
USA / 2013
zirka 90 Minuten
Promofotos Copyright Magnet Releasing, Rosebud Entertainment