FantasyFilmFest 2013 – BYZANTIUM und 100 BLOODY ACRES

Poster FFF2013

BYZANTIUM – Bun­des­start 23. Janu­ar 2014

Fast drei­ßig Jah­re nach ZEIT DER WÖLFE, mit dem Neil Jor­dan erst­mals wirk­lich Auf­merk­sam­keit erreg­te, offe­riert er wie­der eine auf den Kopf gestell­te Welt des bekann­ten Phan­tas­ti­schen. So wie Jor­dan sei­ner­zeit das Mär­chen vom Rot­käpp­chen neu inter­pre­tier­te, nutzt er Moira Buf­fi­nis Vor­la­ge A VAMPIRES STORY, um das Gen­re um eine neue Vari­an­te von unsterb­li­chen Blut­saugern zu berei­chern. Es gelingt ihm nur teil­wei­se. Manch­mal ste­hen dem Regis­seur Kalen­der­blatt-Phra­sen in Dia­log­form im Weg, manch­mal auch der feh­len­de Sub­text. Die Erleb­nis­se von Ele­a­n­or und Cla­ra sind eine ziem­lich gerad­li­nig erzähl­te Geschich­te von zwei Frau­en, die sich nicht nur gegen eine har­te Män­ner­welt behaup­ten müs­sen, son­dern zudem seit 200 Jah­ren stän­di­ger Ver­fol­gung aus­ge­setzt sind. Auch wenn sich die Hand­lung von der Neu­zeit aus­ge­hend äußerst ver­schach­telt über Rück­blen­den erklärt, bleibt BYZANTIUM in sei­ner Erzäh­lung ein sehr linea­rer Film. Das ist es, was der Geschich­te der zwei Vam­pir-Frau­en tat­säch­lich fehlt, näm­lich eine erwei­ter­te Ebe­ne, die einen phi­lo­so­phi­schen Ansatz aus der Tris­tesse des All­tags ihres Lebens erken­nen lässt.

Ele­a­n­or wur­de im jugend­li­chen Alter zum Vam­pir, und selbst nach 200 Jah­ren, hängt ihr die­se ver­lo­re­ne Jugend durch ritu­el­le Selbst­re­fle­xio­nen nach. Für ihre Mut­ter Cla­ra, von erzwun­ge­ner Pro­sti­tu­ti­on geprägt, sind Män­ner ledig­lich Werk­zeu­ge für das eige­ne Über­le­ben. Simon Elliotts Pro­duk­ti­ons­de­sign defi­niert sich durch trost­lo­se Beton­bau­ten in der Neu­zeit, und einer selbst­ver­ständ­lich anmu­ten­den Atmo­sphä­re schmut­zi­ger Loka­li­tä­ten in der Ver­gan­gen­heit. Die Fas­zi­na­ti­on des ewi­gen Lebens ver­flüch­tigt sich in die­sem Ambi­en­te schnell zu einem unbe­que­men Rah­men für zwei ohne­hin gequäl­te, aber unsterb­li­che See­len. Bei­de Frau­en wer­den Män­ner ken­nen­ler­nen, die eine, die jeman­den braucht um mit ihm ihr Schick­sal tei­len zu kön­nen, die ande­re, um ledig­lich dem eigen­nüt­zi­gen Erhal­tungs­trieb zu fol­gen. Jeden Anflug von roman­ti­schen Atti­tü­den ent­le­digt, wird bei Neil Jor­dan der Vam­pir wie­der zu einer getrie­be­nen Gestalt, einem unge­lieb­ten Schein­we­sen, einem bedau­erns­wer­ten Geschöpf. Gleich­zei­tig unschul­dig und doch unbe­re­chen­bar, sen­si­bel aber uner­bitt­lich. Über zwei Jahr­hun­der­te wer­den die zwei weib­li­chen Vam­pi­re von einem Clan männ­li­cher Unsterb­li­cher ver­folgt, weil Cla­ra und Ele­a­n­or unrecht­mä­ßig das ewi­ge Leben erhiel­ten. Eine weit mehr als lebens­lan­ge Zeit der Ver­fol­gung, der jede Spur von moder­nem Idea­lis­mus im Vam­pir­ki­no voll­kom­men abgeht.

Neil Jor­dans Film ist kein heil­los pes­si­mis­ti­sches Werk. Doch BYZANTIUM ist ehr­li­cher, aber auch weni­ger exo­tisch, als die Anne Rice’ Ver­fil­mung von INTERVIEW WITH A VAMPIRE, wo Jor­dan noch dem Lehr­buch des Vam­pi­ris­mus fol­gen muss­te. Hier sind die einst licht­scheu­en Gestal­ten von der Angst vor Tages­licht befreit. Anstel­le von Fang­zäh­nen haben sie mes­ser­schar­fe Dau­men­nä­gel, die sehr bequem Arte­ri­en öff­nen. Moira Buf­fi­nis Annä­he­rung an die Gestal­ten der Nacht ist weit vom obli­ga­to­ri­schen Hor­ror­film ent­fernt, und Neil Jor­dans Insze­nie­rung hat eher mit sei­ner ver­dreh­ten Rot­käpp­chen-Ver­si­on zu tun, als dem exzel­len­ten, aller­dings her­kömm­lich inter­pre­tier­ten INTERVIEW. Die Bil­der von Sean Bobitt, der sich ger­ne nüch­ter­ner und ruhi­ge­rer Dar­stel­lun­gen bedient, wie in SHAME oder PLACE BEYOND THE PINES, kommt Jor­dans Vor­stel­lung von rea­lis­ti­schem Touch sehr ent­ge­gen. Ledig­lich auf jener Insel, die Men­schen zu unsterb­li­chen Krea­tu­ren macht, und die Cla­ra und spä­ter auch Ele­a­n­or ver­bo­te­ner­wei­se auf­su­chen, gönnt der Regis­seur dem Publi­kum einen Hauch Mys­ti­zis­mus, wenn sich die Was­ser­fäl­le bei jeder Wand­lung rot fär­ben. Ein Bild, das Jor­dan öfters ver­wen­det, wenn ein­fa­ches Was­ser die Kon­sis­tenz und Far­be von Blut anzu­neh­men scheint. Durch und durch bleibt BYZANTIUM eine sehr eigen­stän­di­ge Erfah­rung. Mal sinn­lich, oft sehr bru­tal, aber stre­cken­wei­se auch ver­stö­rend. Aber getra­gen von zwei der­art ein­neh­men­den Dar­stel­le­rin­nen, das alle Schwä­chen vom Dreh­buch, und even­tu­ell auch in der Insze­nie­rung, wie weg­ge­bla­sen wir­ken. Gem­ma Arterton hat sich schon lan­ge als wan­del­ba­res Natur­ta­lent bewie­sen, aber Sao­ir­se Ronan ist ohne Über­trei­bung der emo­tio­na­le Mit­tel­punkt. Eine sinn­lich zer­brech­li­che Gestalt, die alles dar­stel­len und zu ver­mit­teln ver­mag. Gera­de wenn es dar­um geht, das gewohn­te Bild des Vam­pirs auf den Kopf zu stellen.

100 BLOODY ACRES – ab 1. Okto­ber 2013 in Ame­ri­ka auf DVD / Blu-ray, und als US-Import in Großbritannien

Mit 100 BLOODY ACRES betritt wie­der ein aus­tra­li­sches Brü­der­paar den Fes­ti­val­zir­kus, um mit einer poin­ten­rei­chen Splat­ter-Komö­die das Publi­kum zu begeis­tern. Vor exakt zehn Jah­ren waren es die Spie­rig-Brot­hers, die mit UNDEAD die Fan­ta­sy- und Hor­ror­fes­ti­vals erfreu­ten. Die Brü­der Came­ron und Colin Cair­nes schi­cken eben­falls ein Brü­der­paar durch das aus­tra­li­sche Hin­ter­land, um ihren ordent­li­chen Geschäf­ten nach­zu­ge­hen. Man kann nur hof­fen, dass die Regis­seu­re und Autoren in Per­so­nal­uni­on, ihre Prot­ago­nis­ten nicht nach eige­nem Vor­bild erschaf­fen haben. Reg und Lind­say haben eine klei­ne Fir­ma, die orga­ni­sche Dün­ge­mit­tel her­stellt. Wich­tig ist im Moment nur, wann end­lich das ers­te Mal ihr selbst pro­du­zier­ter Wer­be­spot im Radio zu hören sein wird. Die­sen konn­ten sie sich end­lich leis­ten, weil dank einer neu­en Rezep­tur, die Geschäf­te immer bes­ser lau­fen. Und der wesent­li­che Bestand­teil der neu­en Rezep­tur sind Men­schen, mit Haut und Haa­ren. Reg ist der ver­trot­tel­te Bru­der, der ganz nach dem Kli­schee der hin­ter­wäld­le­ri­schen Dumpf­ba­cke funk­tio­niert. Und Lind­say ist genau das Abbild des bru­tal fins­te­ren Prag­ma­ti­kers ohne Herz. Die Cair­nes Brü­der spie­len gekonnt mit die­sen Ver­satz­stü­cken, gera­de wenn sie die drei als Opfer dekla­rier­ten Jugend­li­chen ins Ren­nen schi­cken. Sophie könn­te die betö­ren­de Jung­frau, James der beson­ne­ne Held, und Wes­ley der zum Schlach­ten frei­ge­ge­be­ne Ham­pel­mann sein.

100 BLOODY ACRES funk­tio­niert Dank der prä­zi­sen Leis­tung von Came­ron und Colin Cair­nes her­vor­ra­gend. Stim­mung und Ton sind auf den Punkt, und zeigt, das es nicht immer die Hatz durch dunk­le Wäl­der sein muss, um eine mör­de­ri­sche Atmo­sphä­re zu erzeu­gen. Jetzt wird der Freund von frei­ge­leg­ten Inne­rei­en viel­leicht den Man­gel an Blut­ge­halt kri­ti­sie­ren, die Splat­ter-Momen­te sind tat­säch­lich spär­lich ein­ge­setzt. Dafür gibt es eine Sze­ne mit Reiß­wolf, die hän­gen blei­ben wird, nicht nur wegen ihrer Grau­sam­keit, son­dern auch wegen der absur­den Situa­ti­on, in die sie eige­bet­tet wur­de. Wer weit mehr expli­zi­te Dar­stel­lun­gen erhofft hat­te, wird den­noch nicht ent­täuscht. Der Humor ist boden­stän­dig und nicht über­zo­gen, das Tem­po passt, und die Cha­rak­te­re erwei­sen sich als etwas beson­de­res. Denn die Cair­nes haben zwar ihre Figu­ren nach bekann­ten Mus­tern ange­legt, doch anstatt als Ste­reo­ty­pe ihre Rol­len zu erfül­len, gibt es mar­kan­te Ver­än­de­run­gen im Ver­lauf der Hand­lung. Hier ver­steht 100 BLOODY ACRES über den Tel­ler­rand sons­ti­ger Hor­ror-Komö­di­en hin­aus zu über­zeu­gen und bes­tens zu unter­hal­ten. Denn schließ­lich ist da noch der Wer­be­spot im Radio, der wie ein roter Faden die Geschich­te beglei­tet. Ein soli­des, sehr eigen­stän­di­ges Regie-Debut, das Lust auf mehr macht. Viel­leicht dann auch mit ein biss­chen mehr Gekröse.

byzantium

BYZANTIUM

F / 07 SEPT / 21.15 UHR / METROPOLIS
F / 11 SEPT / 15.00 UHR / METROPOLIS
K / 07 SEPT / 21.30 UHR / CINEDOM
K / 10 SEPT / 23.30 UHR / CINEDOM
N / 08 SEPT / 21.30 UHR / CINECITTA

Dar­stel­ler: Sao­ir­se Ronan, Gem­ma Arterton, Dani­el Mays, John­ny Lee Mil­ler, Caleb Landry Jones, Bar­ry Cas­sin, Sam Riley, David Heap, War­ren Brown u.v.a.
Regie: Neil Jor­dan
Dreh­buch: Moira Buffini
Kame­ra: Sean Bobbitt
Bild­schnitt: Tony Lawson
Musik: Javier Navarette
Pro­duk­ti­ons­de­sign: Simon Elliott
zir­ka 118 Minuten
Groß­bri­tan­ni­en – Irland – USA 2012

Pro­mo­fo­to Copy­ight IFC Films / StudioCanal

100BloodyAcres

100 BLOODY ACRES

F / 09 SEPT / 21.30 UHR / METROPOLIS
K / 09 SEPT / 23.30 UHR / CINEDOM
K / 10 SEPT / 19.45 UHR / CINEDOM
N / 10 SEPT / 21.30 UHR / CINECITTA
N / 12 SEPT / 15.00 UHR / CINECITTA

Dar­stel­ler: Damon Herri­man, Angus Sampson, Anna McGa­han, Oli­ver Ack­land, Jamie Kris­ti­an, John Jar­rett u.a.
Regie & Dreh­buch: Came­ron Cair­nes, Colin Cair­nes
Kame­ra: John Brawley
Bild­schnitt: Joshua Waddell
Pro­duk­ti­ons­de­sign: Tony Cronin
zir­ka 91 Minuten
Aus­tra­li­en 2012

Pro­mo­fo­to Copy­right Hopscotch Films / Music Box Films

Pos­ter FFF 2013 Raind­ance Productions

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