WHITE HOUSE DOWN geht unter

White House Down

WHITE HOUSE DOWN – Bun­des­start 05.09.2013

Die elf­jäh­ri­ge Emi­ly emp­fängt früh mor­gens eine Text­nach­richt, dass der ame­ri­ka­ni­sche Prä­si­dent auf dem Rück­weg zum Wei­ßen Haus sei. Mit glü­hen­den Augen erspäht sie gleich dar­auf Mari­ne One im röt­li­chen Mor­gen­licht. Wir wis­sen bei einem Film von Roland Emme­rich, in dem es um das Wei­ße Haus geht, dass die­ses Mäd­chen wich­tig wer­den wird. Gleich dar­auf wird Prä­si­dent Sawy­er einen Flug­be­fehl geben, der allen Pro­to­kol­len wider­spricht, aber den­noch umge­setzt wird, weil es eben ein Film von Roland Emme­rich ist. Kurz dar­auf tritt James Woods ins Bild, ein schein­bar loya­ler Mit­ar­bei­ter des Prä­si­den­ten. Es gibt zu die­sem Zeit­punkt noch kei­nen kri­mi­nel­len Draht­zie­her des zu erwar­ten­den Sze­na­ri­os, und dann ist da James Woods. Das nimmt dann ein wenig von der Span­nung, denn es ist ein Film von Roland Emme­rich. Dann gibt es die­sen Sicher­heits­po­li­zis­ten Cale, der sich erfolg­los für den Secret Ser­vice bewirbt, um für den Prä­si­den­ten zu arbei­ten, aber für die­sen Job unge­eig­net scheint. Cale ist die Haupt­fi­gur, was also wird pas­sie­ren? Ach ja, Cale ist der ent­frem­de­te Vater von Emi­ly, die mit ihrem Vater zufäl­lig eine Tou­ris­ten­tour durch das Wei­ße Haus macht, als ganz uner­war­tet Ter­ro­ris­ten denn Amts­sitz stür­men. Wer denkt, dass die jun­ge Emi­ly spä­ter noch eine Hil­fe für die vie­len best­aus­ge­bil­de­ten Sicher­heits­leu­te sein wird, der muss wohl glau­ben, dies sei ein Film von Roland Emmerich.

Deut­sche Regis­seu­re haben schon immer die für das ame­ri­ka­ni­sche Publi­kum patrio­tischs­ten Fil­me gemacht. AIR FORCE ONE, IN THE LINE OF FIRE, und Emme­rich zum Bei­spiel mit THE PATRIOT und vor allem INDEPENDENCE DAY. Was Emme­rich aller­dings mit WHITE HOUSE DOWN umge­setzt hat, dass spot­tet allen Beschrei­bun­gen von patrio­ti­schen Fil­men. Aber, denn es ist eben doch ein Film von Roland Emme­rich, es spot­tet allen For­men und Kli­schees des rei­nen Pop­corn-Kinos, wel­ches der Baden-Würt­ten­ber­ger in die­sem Aus­maß letzt­end­lich nicht uner­heb­lich mit beein­flusst hat. Man darf nichts sagen, gegen sinn­ent­leer­te Unter­hal­tung mit puren Schau­wer­ten. Dazu ist Kino auch erfun­den und wei­ter­ent­wi­ckelt wor­den. Und Jahr für Jahr wer­den Fil­me auf den Markt gewor­fen, wel­che die Intel­li­genz eines inter­es­sier­ten Publi­kums mit Füßen tre­ten. Aber soge­nann­te Tent­po­le-Fil­me, hoch bud­ge­tier­te Pres­ti­ge-Pro­jek­te soll­ten auf einer ande­ren Ebe­ne funk­tio­nie­ren. Sie soll­ten den Unter­hal­tungs­wert hoch­hal­ten, ohne die Intel­li­genz des Publi­kums in Fra­ge zu stel­len. Sie müs­sen auf einer puren Ebe­ne von Erwar­tungs­hal­tung und ‑Erfül­lung inter­agie­ren. Wie DAY AFTER TOMORROW, wo das Sze­na­rio genug Spe­ku­la­ti­ons­frei­raum für das Publi­kum ließ.

WHITE HOUSE DOWN dreht sich nicht um eine spe­ku­la­ti­ve Natur­ka­ta­stro­phe, auch nicht um eine, natür­lich, fik­ti­ve Ali­en-Bedro­hung. Es geht um das Wei­ße Haus, um das Fun­da­ment der frei­en Welt, das Sinn­bild von Demo­kra­tie und Recht­schaf­fen­heit. Vor allem geht es um das best­ge­schütz­te Anwe­sen der Welt, schon lan­ge vor dem elf­ten Sep­tem­ber. Natür­lich muss auch hier nicht die Rea­li­tät in uner­träg­li­cher Här­te ange­wen­det wer­den. Aber könn­te man dem Zuschau­er nicht den­noch das Gefühl ver­mit­teln, dass man ihn ernst nimmt, oder zumin­dest nicht für voll­kom­men ver­blö­det hält. Die Ein­gangs­mi­nu­ten von WHITE HOUSE DOWN zei­gen noch im von Musik geschwän­ger­ten Pathos, wie unvor­stell­bar auf­wen­dig, aber auch effek­tiv die Sicher­heits­vor­keh­run­gen nicht nur um den Amts­sitz, son­dern in ganz Washing­ton funk­tio­nie­ren. Und dann über­neh­men fünf als Haus­meis­ter ver­klei­de­te Ter­ro­ris­ten mit han­dels­üb­li­chen Hand­feu­er­waf­fen das Wei­ße Haus.

Der Ärger dar­über bleibt nicht aus, etwas das man in einem bil­li­gen Fern­seh­film nicht erwar­ten wür­de, in einer 130 Mil­lio­nen Dol­lar Pro­duk­ti­on aller­dings vor­ge­setzt bekommt. Kein Grund ist zu dumm, um den Prä­si­dent nicht in der Gewalt der Ter­ro­ris­ten zu las­sen. Wie in der gepan­zer­ten Limou­si­ne, mit der das Staats­ober­haupt und sein Ret­ter in vol­ler Fahrt auf den Zaun zuhal­ten, und damit ganz schnell in Sicher­heit wären. Aber wäh­rend alle Sicher­heits­vor­keh­run­gen fehl­schla­gen, böse Jungs drau­ßen zu hal­ten, wird ganz schnell eine obsku­re Sicher­heits­vor­keh­rung gefun­den, durch die nichts und nie­mand das Gelän­de des Wei­ßen Hau­ses ver­las­sen kann. Ehrlich?

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Kein Fra­ge, Roland Emme­rich hat das Tem­po und die Akti­on per­fekt im Griff. Ohne Atem­pau­se geht es von einer tadel­los insze­nier­ten Action­se­quenz in die nächs­te, auch wenn die­se nur der rei­nen Unter­hal­tung unter­wor­fen sind, und zu kei­nem Zeit­punkt der Logik. In Zusam­men­ar­beit mit dem Set-Design und der Aus­stat­tung, konn­te Emme­rich auf einen nicht uner­heb­li­chen Cha­rak­ter zurück­grei­fen, der wirk­lich in allen Belan­gen über­zeugt. Es ist die Kulis­se des Wei­ßen Haus selbst. Ja, Emme­rich kann insze­nie­ren, auch wenn dem letz­ten biss­chen Rea­li­tät in den Arsch getre­ten wur­de. Und so hat er es geschafft, die mehr als zwei­hun­dert Zim­mer des Prä­si­den­ten­hau­ses zu einem fast orga­nisch anmu­ten­den Cha­rak­ter mit eige­ner Iden­ti­tät zu machen, in dem die sich bekämp­fen­den Figu­ren wie Geschwü­re durch ein Laby­rinth von resis­ten­ten Orga­nen bemü­hen. Und erneut muss ein Ja gezollt wer­den, wenn es um den gelun­ge­nen Unter­hal­tungs­wert von Emme­richs Stil geht.

Doch wer viel Gutes in Roland Emme­richs Absich­ten sehen möch­te, dem lege man die Qua­li­tät der visu­el­len Effek­te nahe. Seit Anbe­ginn sei­ner Kar­rie­re hat sich der nach Hol­ly­wood ver­wur­zel­te Emme­rich sei­ner Ursprün­ge in Baden-Würt­ten­berg bedient, und auf­stre­ben­den Stu­den­ten aus der Lud­wigs­bur­ger Film­aka­de­mie eine sehr eigen­nüt­zi­ge Chan­ce im Bereich der Com­pu­ter-gene­rier­ten Bil­der geschaf­fen. Was bis zu INDEPENDENCE DAY aus dem Schwa­ben-Länd­le noch Sta­te-of-the-Art für den Hol­ly­wood-Stan­dard bedeu­te­te, erin­nert bei WHITE HOUSE DOWN eher an unge­len­ken Fin­ger­übun­gen für Aka­de­mie-Abgän­ger. Ob Apa­che-Gegen­an­grif­fe, oder der Abschuss von Air For­ce One, aber auch die fina­le Bom­bar­die­rung des Regie­rungs­sit­zes zei­gen die opti­sche Qua­li­tät eines visu­el­len Fort­schrit­tes von Com­pu­ter gene­rier­ten Bil­der aus dem letz­ten Jahr­tau­send. Noch immer die qua­li­ta­tiv bes­te Mög­lich­keit einer Umset­zung von Com­pu­ter-Effek­ten des letz­ten Jahr­hun­derts, aber in drei­zehn Jah­ren hat sich in die­sem Bereich doch mehr als genug getan.

Die Insze­nie­rung passt, die Geschich­te in kei­ner Wei­se. Als das Drei­er­ge­spann von all­zu offen­sicht­lich mit dem Com­pu­ter erschaf­fe­nen Abfang­jä­gern am Ende auf das Wei­ße Haus zuhält, um es in Schutt und Asche zu legen, kommt Emi­ly mit einer geschwenk­ten Prä­si­den­ten-Stan­dar­te in den Gar­ten des Wei­ßen Hau­ses gelau­fen, um den Angriff abzu­weh­ren. Das muss funk­tio­nie­ren, weil es ein ame­ri­ka­ni­sches Mäd­chen mit elf Jah­ren ist. Und das über­stimmt natür­lich erwach­se­ne Jet­pi­lo­ten, die knall­hart auf sol­che Situa­tio­nen trai­niert wur­den. Es geht aber auch wirk­lich nichts über eine geschwenk­te Prä­si­den­ten-Stan­dar­te. Nicht nur, weil es ein Film von Roland Emme­rich ist. Oder viel­leicht doch? Man soll­te in Betracht zie­hen, dass die­ser Film nicht das Gerings­te mit Emme­richs bis­he­ri­gen Insze­nie­run­gen gemein hat, weil er unver­schäm­ter, rea­li­täts­fer­ner, unre­flek­tier­ter und unehr­li­cher mit den Erwar­tun­gen des Publi­kums spielt. Das gro­ße Kino ver­dich­tet sich zum Ego-Lauf eines von sich über­zeug­ten Fil­me­ma­chers, der los­ge­lös­tes Pop­corn-Kino nicht mehr wirk­lich versteht.

Eben­falls zum Anfang von WHITE HOUSE DOWN fragt die Prä­si­den­ten­gat­tin ihren Mann, ob er denn noch sei­ne alte Taschen­uhr bei sich tra­ge. Wenn Jamie Foxx, der bru­tal viel Barack Oba­ma in sei­ne Rol­le ein­flie­ßen lässt, dar­auf ant­wor­tet, dass er besag­te Taschen­uhr direkt rechts neben sei­nem Her­zen trägt, dann  muss der cine­phi­le Kino­gän­ger ein­fach fra­gen, ob die­se Anspie­lung für den wei­te­ren Ver­lauf der Hand­lung wich­tig sein könn­te. Herr­gott, es ist ein Film von Roland Emme­rich. Natür­lich wird die­se Uhr, die direkt neben dem Herz des Prä­si­den­ten ruht, auch des­sen Leben vor einer Kugel ret­ten. Und wer sich an die­ser Stel­le über Spoi­ler beschwert, der soll­te, bit­te schön, öfters ins Kino gehen. Oder zukünf­ti­ge Fil­me von Roland Emme­rich meiden.

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WHITE HOUSE DOWN
Dar­stel­ler: Chan­ning Tat­um, Jamie Foxx, Joey King, Mag­gie Gyl­len­haal, Jason Clar­ke, James Woods, Richard Jenkins, Nico­las Wright, Micha­el Mur­phy, Rachel­le Lefe­vrw u.v.a.
Regie: Roland Emmerich
Dreh­buch: James Vanderbilt
Kame­ra: Anna Foster
Bild­schnitt: Adam Wolfe
Musik: Harald Klo­ser, Tho­mas Wander
Pro­duk­ti­ons­de­sign: Kirk M. Petruccelli
zir­ka 131 Minuten
USA 2013

Pro­mo­fo­tos Copy­right Colum­bia Pic­tures / Sony Pic­tures Releasing

AutorIn: Stefan Holzhauer

Meist harm­lo­ser Nerd mit natür­li­cher Affi­ni­tät zu Pixeln, Bytes, Buch­sta­ben und Zahn­rä­dern. Kon­su­miert zuviel SF und Fan­ta­sy und schreibt seit 1999 online darüber.

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