Nach ALIENS und BLADE RUNNER kratzt Ridley Scott als Regisseur immer wieder das Attribut Meisterwerk nur an. Auch wenn BLACK HAWK DOWN ein gerne zitierter Film ist, geht es um spannende und mitreißende Action. Immer verstecken sich diese kleinen »aber«. Mit AMERICAN GANGSTER kam er vielleicht seinem Ruf als Ausnahmeregisseur wieder einmal am nächsten, wenngleich KÖNIGREICH DER HIMMEL weit mehr Aufmerksamkeit erregte. Und danach ausgerichtet scheint auch die Produktion von EXODUS. Nicht nur vom opulenten Spektakel her, sondern ganz intensiv in der Optik. Slawomir Idziak hat bei BLACK HAWK DOWN auf sehr starke Kontraste gesetzt, und eine auffallend nach unten gezogene Gammakorrektur, die das Bild dunkler, aber immer noch sehr deutlich erscheinen lässt. John Mathieson hat das mit Ridley Scott für KÖNIGREICH DER HIMMEL erfolgreich übernommen. Bei Dariusz Wolskis Bildgestaltung für EXODUS, zeigt sich dieses Markenzeichen Scotts schon etwas abgetragen, allein schon deshalb, weil der Look unweigerlich und immer wieder an KÖNIGREICH DER HIMMEL erinnert. Und gleichbedeutend darauf hinweist, welcher der bessere Film von beiden ist.
Achtung! Ab hier wird auf Handlung und Handlungsverläufe eingegangenFindelkind Moses und Thronprinz Ramses sind nicht nur als Brüder erzogen, sondern fühlen sich auch vom Herzen her verbunden. Gemeinsam ziehen sie in Schlachten und verteidigen Ägypten vor möglichen Feinden. Ramses selbstredend als Heeresführer und Moses als sein Adjutant. Da kommt eine Prophezeiung sehr ungelegen, dass ein Anführer von einem Gefolgsmann gerettet wird, der daraufhin selbst zum Anführer werden soll. Der Thronerbe verliert die Liebe zu seinem Bruder nicht, wird aber immer misstrauischer gegenüber Moses, als dieser Ramses bei einer Schlacht tatsächlich das Leben rettet. Durch Spione wird zudem bekannt, dass Moses’ Ursprung hebräisch ist, worauf Ramses keine andere Wahl bleibt, als ihn aus dem Land zu jagen. Schließlich sind die Hebräer seit hunderten von Jahren das Sklavenvolk der Ägypter, unterjocht, gequält, geschunden, und tyrannisiert. Moses findet derweil ein neues Leben, heiratet, und bekommt einen Sohn. Bis er eine weit bedeutendere Begegnung hat, und die wahre Aufgabe in seinem Lebens erfährt.
Man kann nicht sagen, dass sich Ridley Scott beim Erzählen Zeit lässt. Es gibt genügend optische Schauwerte und gehaltsschwangere Dialoge in der ersten von zweieinhalb Stunden, dass man annehmen muss, Scott will den Zuschauer vergessen machen, eigentlich in einem Bibelfilm zu sitzen. Aber das wird der Zuschauer schwer übergehen können, wenn er in dieser ersten Stunde immer wieder den Namen Moses hört. Und von denen gab es in der Geschichte nicht sehr viele. Zwischen vielen Ahhs und Ohhs schleicht sich immer wieder die Frage, wann denn die Geschichte einsetzt, die man sonst immer zu hören bekommt. Gleichzeitig fällt auf, dass die Kampfszenen weit weniger imposant und aufregend inszeniert sind, wie sie einen in KÖNIGREICH DER HIMMEL zum Staunen brachten. Zudem schafft es der Film nicht, dem Zuschauer eine Übersicht über den Verlauf der Schlacht zu vermittelt. Vieles scheint willkürlich zu passieren – und eine ansteigende Dramatik lässt Scott dabei vermissen.
Eine Neuverfilmung älterer Stoffe rechtfertigt sich immer in der Regel dadurch, dass man neue Aspekte und moderne Ansichten mit einfließen lässt, oder bestenfalls die alte Erzählung in einen geschichtlich aktuellen Kontext setzt. An letzterem versucht sich Billy Richs Drehbuch erst gar nicht. Aber mit seinem göttlichen Auftrag, erhält Moses auch eine bisher unbekannte Wesensänderung. Denn er weigert sich hartnäckig, zu glauben tatsächlich hebräischer Abstammung zu sein, und schwankt so zwischen seiner göttlichen Berufung, und seinem anerzogenen Glauben. Immer wieder streitet er mit Gott, stellt ihn in Frage, und fordert ihn heraus. Das ist wirklich nicht sehr tiefgründig, aber immer wieder spannend, weil man versucht zu erahnen, was auf eine dieser Auseinandersetzungen folgen könnte. Wie die Macher die Darstellung Gottes umsetzten, ist sicher nicht die originellste aller Ideen, aber durchaus effektiv und in gewisser Weise nachvollziehbar. Allerdings richtet sich die deutsche Synchronisation in ihrer lächerlichen Umsetzung an dieser Stelle komplett gegen den Film.
Dass Moses mit einer Handvoll hebräischer Aufständischer erst einmal in Guerilla-Manier die Pharaonenstadt heimsucht, ist dann wieder sehr gewöhnungsbedürftig. Das erweckt ausschließlich den Eindruck, sich dem Zeitgeist anzupassen, anstatt eine wirkliche Neuinterpretation wagen zu wollen. Raffiniert wird es mit dem Beginn der sieben Plagen. Sind diese nach biblischer Überlieferung natürlich Gottes eigenes Werk, setzt das Drehbuch dieser These einen Berater des Pharaos entgegen, der die Plagen und ihren Zusammenhang immer wieder auf logische Weise, gewissermaßen wissenschaftlich, erklären kann. Immer wieder versucht die Handlung realistische, von Religion unbeeinflusste, Wege zu finden, um somit ganz klar den biblischen Charakter von einem missionarischen Eifer zu trennen. Was nur streckenweise gelingt, ist der Auszug der Hebräer aus Ägypten eben einer der bekanntesten Geschichten des Alten Testaments im allgemeinen Wissensschatz. Und selbst unter der Regie eines Ridley Scott, bleibt eine Bibelverfilmung ein Bibelfilm.
Der Film, also solcher wunderbar anzusehen und zu genießen, leidet an ganz anderen Mängeln. Das ist sein unsteter Verlauf, und die Ungleichgewichtung der Handlung. So weitet sich zum Beispiel der Spannungsbogen um die Teilung des Roten Meeres, viel zu unverhältnismäßig lange aus. Und wenn die Fluten über der Armee des Ramses zusammen schlagen, wäre das Volk der Hebräer eigentlich endgültig frei und in Sicherheit. Aber anstatt hier ein vernünftiges Ende zu finden, versucht der Film noch einen glücklosen Abriss der folgenden vierzig Jahre, in denen die Hebräer die Wüste durchstreifen. In dessen Verlauf gibt Gott Moses die zehn Gebote mit auf den Weg, und diese Szene gehört eigentlich zu einer der besten und eindringlichsten im Film, wenn es um die Auseinandersetzung mit Gott geht. Allerdings ist sie in einen Teil von EXODUS gepresst, den der Film eigentlich gar nicht mehr bräuchte. Oder die Macher hätten sich eine halbe Stunde mehr gegönnt, um die entbehrungsreiche Suche nach dem gelobten Land angemessen zu interpretieren. Was bleibt, ist allerdings nur überhastetes Stückwerk, das die Geschichte vollendet, aber für den Kern des Films irrelevant bleibt.
Nein, dies ist nicht KÖNIGREICH DER HIMMEL, und es fehlt die künstlerische Komplexität von BLACK HAWK DOWN oder AMERICAN GANGSTER. Von ALIEN und BLADE RUNNER sollte man gar nicht erst reden. Aber am Ende von EXODUS hat man dennoch das Gefühl, eine alte Geschichte wirklich im neuen Gewande erlebt haben zu dürfen. Am Meisterwerk wird allerdings auch hier wieder nur vorbeigeschrammt. Aber es ist kein Film, für den man Geld sinnlos ausgibt. Außer für den Aufpreis von 3D, weil es auch hier, wie in 95% aller Blockbuster, keinerlei Nennwert hat. Aber in Zeiten wie diesen, wo es sich einer Modeerscheinung gleich ausnimmt, sich aus Prinzip gegen das Konzept eines Gottes zu stellen, einen hochpreisigen Blockbuster zu generieren, das zeugt von viel Mut und Selbstvertrauen. Ein Selbstvertrauen, welches alle Beteiligten nutzten, um einen zu keinem Zeitpunkt langweiligen Film zu schaffen, der mit bestens besetzten Darstellern und überzeugenden Produktionsaufwand sein Publikum bei Laune halten kann. Was man hier als Makel und Schwäche anmerken kann, wäre bei vergleichbaren Projekten anderer Firmen eine Selbstverständlichkeit. Aber EXODUS ist von Ridley Scott.
EXODUS
Darsteller: Christian Bale, Joel Edgerton, Aaron Paul, Ben Kingsley, Sigourney Weaver, Indira Varma, John Turturro u.v.a.
Regie: Ridley Scott
Drehbuch: John Adam Cooper, Bill Collage, Jeffrey Caine, Steve Zaillian
Kamera: Dariusz Wolski
Bildschnitt: Billy Rich
Musik: Alberto Iglesias
150 Minuten
USA – Großbritannien – Spanien 2014
Promofotos Copyright Twentieth Century Fox of Germany