Der Erwartungshaltung war ebenso groß wie die Skepsis, als vor einiger Zeit angekündigt wurde, es werde einen neuen ASTERIX geben, der nicht vom Erfinder und Zeichner Albert Uderzo gestaltet werden würde, sondern von den beiden Franzosen Jean-Yves Ferri (Autor) und Didier Conrad (Zeichner). Konnte das gutgehen? Das fragte ich mich als Leser der ersten Stunde, ich erhielt meinen ersten ASTERIX Ende der 1960er – noch bevor ich lesen konnte. Auf der anderen Seite waren die Ideen Uderzos – wie oben beschrieben – schon lange nicht mehr das Gelbe von Zaubertrank und schlimmer konnte es kaum noch kommen. Oder?
ASTERIX BEI DEN PIKTEN, Band 35 der Reihe, ist am 24.10.2013 erschienen.
Und in meinen Augen ist das Konzept tatsächlich aufgegangen. Ich habe auf der Frankfurter Buchmesse eine Pressekonferenz des Egmont Ehapa-Verlags besucht, auf der Zeichner und Autor samt Übersetzer vorgestellt wurden. Die beiden Macher des Heftes plauderten aus dem Nähkästchen und man nahm ihnen unbesehen ab, dass sie sich wirklich um eine adäquate Umsetzung und Modernisierung des neuen Asterix bemühten. Und auch darüber, dass es selbstverständlich nicht ganz einfach ist, eine solche Ikone der Popkultur aus den Händen eines ihrer Schöpfer zu übernehmen. Und selbstverständlich hatte Uderzo während der gesamten Zeit seine Finger auf der Entstehung und musste zu vielem gefragt werden – was wohl auch nicht immer ganz einfach war. Erschwerend kam hinzu, dass man um dieses Projekt eine ganz große Geheimniskrämerei ausrief und auf gar keinen Fall etwas nach außen dringen durfte. Über den Inhalt zu sprechen war sogar noch bis ganz kurz vor der Veröffentlichung tabu.
Es sei mir hier der Einschub erlaubt, dass ich das für albern und rückständig halte. Heutzutage füttert man seine Fans insbesondere über das Web aber selbstverständlich auch über andere Medien mit Schnipseln und Gimmicks aus dem neuen Werk an und macht nicht ein solches Geheimnisbohei darum.
Wie auch immer: Die beiden Künstler waren definitiv motiviert.
Und das merkt man ASTERIX BEI DEN PIKTEN in meinen Augen auch deutlich an. Ich habe bei der Lektüre mehrfach laut losgelacht, ein paar Mal hatte ich sogar Lachtränen in den Augen. Eine bessere Maßeinheit für Qualität kann es meiner Ansicht nach wohl kaum geben, ich kann also definitiv sagen: er hat mir gefallen. Das mit dem Humor lässt im letzten Viertel etwas nach, das mag aber daran liegen, dass man hier die Geschichte abschließen musste.
Der Zeichenstil entspricht demjenigen, wie man ihn aus den Asterix-Bänden der frühen 1970er kennt. Das ist so auch explizit gewollt gewesen, sagte Zeichner Conrad, man wollte sich auf die wohl erfolgreichste ASTERIX-Zeit beziehen. Und das klappt auch vortrefflich, rein von der Optik her fühlt man sich gleich wie zuhause.
An der Stelle aber auch gleich ein erster Kritikpunkt: die Tafeln am Anfang unter den Charakteren des Comics auf der Vorstellungsseite wirken in der deutschen Fassung ebenso wie die Texttafel unter der bekannten Karte Galliens leider lieblos hingeschludert. Keine besonderen Rahmen und statt eines Handletterings einfach nur gedruckter Text. Ebenfalls unprofessionell, dass die Grüße Uderzos und der Goscinny-Tochter am Anfang in einem Schreibschrift-Font gesetzt wurde, den man kaum vernünftig lesen kann. Wie kommen Layouter auf sowas?
Der Zeichenstil ist, wie gesagt, Nostalgie pur. Und diverse der Gags zünden auch, wie oben schon geschrieben bis hin zu Lachtränen. Im Großen und Ganzen bin ich auch mit der Story zufrieden. Leider hat man dennoch den unterschwelligen Eindruck, dass entweder der Text des Originals oder die Übersetzung hinter den genialen Scherzen der frühen Bände zurück bleiben, und auch die Namensgebung der Pikten hätte an ein paar Stellen treffender und witziger ausfallen können. Man kann derart viele gute Gags mit »Mac« machen …
Hier sehe ich durchaus noch Potential für eine weitere Entwicklung und in meinen Augen darf die deutsche Ausgabe sich dabei auch ruhig ein wenig vom französischen Original entfernen. Ich verstehe die Sprache, in der ASTERIX verfasst wird, nicht und kann deswegen nicht ermessen, ob die stellenweise vorhandenen Eloquenzschwächen auf die Ursprungsfassung oder die Übersetzung zurückzuführen sind. Es bleibt aber die Quintessenz: Hier ist mehr möglich.
Ein weiterer Kritikpunkt ist, dass die »Hörren« Asterix und Obelix sich für meinen Geschmack ein paar Mal zu oft und vor allem etwas unmotiviert anbrüllen. In den alten Heften geschah das begründeter und hier erscheint das ein wenig beliebig und überstrapaziert.
Bevor jetzt aber ein falscher Eindruck entsteht: ASTERIX BEI DEN PIKTEN ist ein höchst unterhaltsamer ASTERIX, der in beinahe alter Form geradezu reinkarniert ist. Man muss den beiden »Erben« in meinen Augen unbedingt die Chance geben noch einen weiteren zu realisieren, denn sie sind definitiv auf dem richtigen Weg, um aus der Serie wieder einen Erfolg zu machen, der an die frühen Zeiten anknüpft. Lasst euch nicht von den Langweilern bei angeblichen Kulturblättern wie beispielsweise der Zeit beeinflussen, welche behaupten, die gesamten Gags wären platt. Die sollen gefälligst bei ihrer eingebildeten Hochkultur bleiben und sich nicht vergeblich bemühen, Popkultur zu verstehen. Natürlich sind etliche der Gags platt, nimmt man aber einen der früheren ASTERIX-Bände zur Hand, dann wird einem dergleichen dort auch begegnen. Dieser ist der erste einer Neuerschaffung, wenn da mal noch nicht alles so rund ist, dann kann man guten Gewissens darüber hinweg sehen, die Macher lernen nämlich noch. Und wenn sie tatsächlich aus ihren Fehlern lernen, dann wird der nächste noch besser, als dieser hier ohnehin schon ist. Und auch den Hardcore-Fans kann man es natürlich nicht recht machen. Das kann man nie.
Fazit: Meiner Ansicht nach können Fans (nicht Fanatiker, die haben eh immer was zu Meckern) bedenkenlos zugreifen. Das ist der bei Weitem beste ASTERIX seit IM MORGENLAND. Ich hoffe sehr, dass Ferri und Conrad noch einmal die Möglichkeit erhalten, einen weiteren Band zu realisieren, denn sie haben diese äußerst schwierige Aufgabe durchaus gut gemeistert und gingen in den Fußstapfen nicht verloren. Einen weiteren ASTERIX bitte, gern auch so schnell wie möglich. Und vielleicht kann es ja helfen, Uderzo weniger Einfluss einzuräumen, auch wenn das respektlos klingen mag – ich habe ein wenig den Eindruck, dass er der George Lucas von ASTERIX sein könnte, was negativen Einfluss angeht …
Ich vergebe acht von zehn Hinkelsteinen. Bitte ausbauen. Beim Teutates!
[cc]
p.s.: Angeblich soll Band 35 als erster Asterix überhaupt auch als eBook vorliegen. Leider war bis zum Redaktionsschluss für diesen Artikel jedoch keine Spur davon zu finden, weder bei Amazon noch auf anderen Plattformen.
p.p.s.: Grund gefunden: zumindest die Kindle-Ausgabe hatte laut der Rezensionen auf Amazon eine derart schlechte Qualität, dass diese offenbar zurückgezogen wurde. Ich kann nur vermuten, dass das auch für die anderen eBook-Ausgaben gilt. Vielleicht hätte man bei der Umsetzung jemanden fragen sollen, der sich mit so etwas auskennt …
ASTERIX BEI DEN PIKTEN
Jean-Yves Ferri (Autor) und Didier Conrad (Zeichner)
Asterix von René Goscinny und Albert Uderzo
Comic
Softcover und Hardcover, 48 Seiten
24.10.2013
EUR 12,00 (Hardcover)
EUR 6,50 (Softcover)
ISBN 978–3770436354 (Hardcover)
ISBN 978–3841364357 (Softcover)
Egmont Ehapa Verlag
Cover ASTERIX BEI DEN PIKTEN und Promografik Asterix und Obelix Copyright Egmont Ehapa Verlag, Bilder von der Pressekonferenz Stefan Holzhauer CC BY-NC-SA
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Wahrlich, du sprichst mir aus der Seele! Ich kann mich dieser Rezi nur anschließen!
(Abgesehen davon, das mir der Sohn des Asterix besser gefällt das das Morgenland ;-)
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