Mit nur geringer Verspätung konnte auch ich mir endlich Peter Jacksons HOBBIT-Interpretation im Kino ansehen. Glücklicherweise wurde der Film hier sogar in HFR angeboten, obwohl er nicht mehr im größten Saal des Cinemaxx lief, sondern in einem der kleineren Kinos.
Es war bereits viel geschrieben worden, über diesen Film, dabei wurde interessanterweise in den meisten dieser Besprechungen nicht auf den Inhalt eingegangen. Möglicherweise, weil man der Ansicht war, es wisse ohnehin jeder, der das Buch gelesen hat, was geschieht. Doch eigentlich ist das angesichts der zahllosen »Extrapolationen« falsch.
Ich habe den HOBBIT das letzte Mal um 1998 herum gelesen, damals handelte es sich um die gruselige Krege-Neuübersetzung. Ich habe dann lange überlegt, ob ich mir das Buch angesichts des Kinofilms nochmal vornehmen soll, habe mich aber dagegen entschieden. Der Grund: ein Film ist niemals eine Nacherzählung, kann das auch gar nicht sein, sondern eine Neuinterpretation. Diese Notwendigkeit ergibt sich allein schon aus dem geänderten Medium. Ein Buch macht Kopfkino, ein Film muss aber Bilder liefern. Um nicht vom Buchinhalt beeinflusst zu werden, sah ich davon ab, meine Erinnerungen aufzufrischen.
Jackson und seine Drehbuch-Mitstreiter haben die Kunst beherrscht, den Inhalt des nicht sonderlich voluminösen Buches auszuschmücken, indem sie Passagen erheblich erweiterten oder Geschehnisse der Vergangenheit, die in der Buchversion nur kurz Erwähnung finden, episch aufbereiteten und einfügten. Das ist in meinen Augen auch durchaus legitim: DER HOBBIT ist ein Kinderbuch, die Kinofassung darf aber durchaus mehr sein, und sich am HERRN DER RINGE bedienen. Dass Jackson und seine Co-Autoren Anspielungen auf das dräuende Böse einbauen, das dann in der Ring-Trilogie die Handlung ausmacht, ist mehr als legitim.
DER HOBBIT – EINE UNERWARTETE REISE ist mit seinen 170 Minuten nicht eben kurz. Allerdings habe ich mich in keiner Minute gelangweilt. Ich bin auch nicht der Ansicht, dass die ersten 45 Minuten langatmig seien, wie das diverse andere Kritiker bemängeln. Im Gegenteil halte ich es sogar für höchst angenehm, wenn der Film sich die Zeit nimmt, die Protagonisten erst einmal in Ruhe einzuführen, ohne gleich in die Vollen zu gehen.
48 Frames
Auch über HFR mit seiner Bildwiederholrate von 48 Frames war viel geschrieben und philosophiert worden. Manche langjährige Kinogänger vermissen den »Filmlook«. Dabei muss man sich allerdings vor Augen führen, dass der sogenannte »Filmlook« allein durch eine veraltete Technik hervor gerufen wird, bei der es zu Verwischeffekten kommt, weil man nur 24 Bilder pro Sekunde zu sehen bekommt. Wie man allerdings angesichts der grandiosen knackscharfen Szenerien, die nahezu ohne jegliche Bewegungsunschärfen daher kommen, von »zu realistisch« oder »man kann nicht in der Fantasy-Welt versinken« schwadronieren kann, ist mir völlig unverständlich. Tatsache ist, dass HFR die ideale Ergänzung zu 3D darstellt, weil sowohl der plastische Effekt unterstützt, wie auch das Bild einfach viel realistischer wird, weil Flimmereffekte drastisch reduziert werden. Die Unterschied zu einem »herkömmlichen« 3D-Film ist meiner Ansicht nach immens und das Verfahren stellt eine deutliche Verbesserung dar.
Reden wir noch schnell über 3D. Erfreulich, wenn auch zu erwarten, ist, dass man auf überzogene 3D-Effekte weitestgehend verzichtet hat und die Technik sparsam und zielgenau eingesetzt hat. Auch die Tiefenstaffelung und die Ebenenanordnung wurden virtuos eingesetzt, so dass es nicht zu Irritationen kommt, weil das Gehirn des Zuschauers Bilder vorgesetzt bekommt, die so unrealistische 3D-Szenerien darstellen, dass es damit überfordert ist. Die im Cinemaxx verwendete RealD-Technik mit Polfilterbrille tat das ihre dazu, diese ist meiner Ansicht nach der Shuttertechnik weit überlegen. Der Helligkeitsverlust hielt sich in Grenzen, vielleicht hätte man den HOBBIT noch ein wenig heller abspielen können, aber im Prinzip ging das schon in Ordnung.
Misty Mountains
Wenn ich mir Filme ansehe, dann gibt es für mich zwei Arten von Filmmusik: die eine unterstützt die Bilder und die Handlung, aber auf eine eher unauffällige Art und Weise. Diese Soundtracks ordnen sich dem Gesamtkunstwerk unter und verzichten auf allzu auffällige Sequenzen. Die andere Art von Filmmusik ist die, die quasi selbst zu einem Charakter des Films wird und die einem sofort im Kopf bleibt – zumindest was bestimmte Themen angeht. Beispiele hierfür sind das ikonenhafte STAR WARS-Thema oder HE´S A PIRATE von Klaus Badelt aus PIRATES OF THE CARIBBEAN. Howard Shore hat hier definitiv einen Vertreter der letzteren Kategorie geschaffen. Ich habe das MISTY MOUNTAIN-Thema, das zum einen die Zwerge singen, das aber zum anderen auch immer wieder mal in verschiedenen Variationen Verwendung findet, bis heute als Ohrwurm – also immerhin zwei Tage nach dem Ansehen des Films. Das ist mir schon lange nicht mehr passiert. Und das deutet darauf hin, dass auch bei der Filmmusik alles richtig gemacht wurde.
Fazit?
Man könnte an Kleinigkeiten herumkritteln, aber das wäre in meinem Fall unehrlich, weil mir der Film einfach durchweg gefallen hat. Auch über die kleineren und größeren Gags, die eingestreut wurden, kann man sicherlich unterschiedlicher Meinung sein, mir haben die kleineren Grinser bis zu den größeren Schenkelklopfern gefallen, und ich bin durchaus nicht der Ansicht, dass Radagast der Braune als Figur oder in der Darstellung überzogen war.
DER HOBBIT – EINE UNERWARTETE REISE ist einfach großes Kino, das man als Phantastik-Fan unbedingt gesehen haben muss. »Normale« Kinogänger mögen mit den vielen kleinen, liebevollen Details und den grandiosen Landschaftsbildern und ‑Überflügen vielleicht überfordert sein, aber wenn man genau hinsieht, ist der Film für die gar nicht gedacht. Für mich persönlich wird es spannend sein, zu sehen, ob er beim zweiten Ansehen Längen haben wird.
Wer sich darauf einlässt, bekommt grandiose Fantasy-Unterhaltung in State-Of-The-Art-Technik, die man auf gar keinen Fall im Kino (!) verpassen sollte. Es handelte sich für mich wirklich um eine UNERWARTETE REISE, da der HOBBIT noch viel besser ist, als von mir erwartet.
Ich vergebe 13 von 13 Zwergen.
DER HOBBIT: EINE UNERWARTETE REISE
THE HOBBIT: AN UNEXPECTED JOURNEY
Darsteller: Martin Freeman, Ian McKellen, Richard Armitage, Ken Stott, Graham McTavish, William Kirchner, James Nesbitt, Stephen Hunter, Dean O’Gorman, Aidan Turner, John Callen, Peter Hambleton u.v.m., – sowie Ian Holm, Elijah Wood, Hugo Weaving, Cate Blanchett, Christopher Lee und Andy Serkis
Regie: Peter Jackson
Drehbuch: Peter Jackson, Fran Walsh, Philippa Boyens, Guillermo del Toro
Kamera: Andrew Lesnie
Bildschnitt: Jabez Olssen
Musik: Howard Shore
Produktionsdesign: Dan Hennah
zirka 170 Minuten
Neuseeland 2012
[cc]
Promofotos Copyright 2012 Warner Bros. Entertainment Inc. and Metro-Goldwyn-Mayer Pictures Inc.
Ich sag es auch hier, super Rezi.
Der Film hat mir auch 100% gefallen. Man muss Buch und Film eben als zwei getrennte Tiere betrachten. ;)
Ah, danke, daß Du meine ungestellten Fragen beantwortet hast. ;-)
Es wurde nämlich bislang immer nur viel von der verwendeten Technik berichtet, und kaum davon, wie die erzählte Geschichte denn nun umgesetzt wäre, so als ob das alle über die beeindruckenden Bilder völlig vergessen hätten.Die eigentliche Handlung ist aber das, worauf es mir vor allem bei Filmen ankommt.
Und ja, ich muß ihn mir auch noch ansehen. Notfalls halt auf DVD, technische Gimmicks bedeuten mir nicht ganz so viel (ja, ich bin ein Ketzer *g*).
Ich kann Dir nur wärmstens ans Herz legen, Dir den im Kino anzusehen, und wenn’s irgendwie geht auch in HFR 3D – technische Gimmicks hin oder her. Man kann gar nicht mir Worten beschreiben, wie deutlich sich das von Filmen in »herkömmlicher« Technik unterscheidet. Davon abgesehen haben die Bilder es in ihrer Opulenz verdient, im Kino gesehen zu werden. Das wirkt auf dem Pantoffelkino bestimmt nicht.