DAS ERSTAUNLICHE LEBEN DES WALTER MITTY

Poster "Walter Mitty"

THE SECRET LIFE OF WALTER MITTY – Bun­des­start 01.01.2014

Gera­de ein­mal zwei Sei­ten kurz ist James Thur­bers Geschich­te um den Tag­träu­mer Wal­ter Mit­ty, die 1939 im New Yor­ker erschien. Und Thur­ber war alles ande­re als erfreut über das, was acht Jah­re spä­ter als Ver­fil­mung auf den Markt kam. Sei­ne eher düs­te­re Geschich­te wur­de zu einer beschwing­ten Hol­ly­wood-Komö­die. James Thur­ber hät­te sicher­lich auch kei­nen Gefal­len dar­an gefun­den, was Ste­ve Con­rad unter dem Titel THE SECRET LIFE OF WALTER MITTY als Dreh­buch ver­fasst hat. Ähn­lich der Ver­fil­mung von 1947 sind ledig­lich der Titel und Cha­rak­ter­na­me geblie­ben. Und natür­lich die Tag­träu­me. Der schüch­ter­ne und intro­ver­tier­te Jung­ge­sel­le, der sich die Aben­teu­er sei­nes Lebens erträu­men muss, und wegen sei­ner stän­dig abwe­sen­den Art noch weni­ger ernst genom­men wird. Sieht man sich den gewal­ti­gen Lei­dens­weg die­ser Ver­fil­mung an, bei der über lan­ge Jah­re vie­le ver­schie­de­ne Dar­stel­ler in die enge­re Wahl fie­len, sich min­des­tens fünf Regis­seu­re für das Pro­jekt inter­es­sier­ten, und Dreh­bü­cher etli­che Male umge­schrie­ben wur­den, hät­te jeweils ein ganz ande­rer Film ent­ste­hen kön­nen. Zum Glück ist es dann so gekom­men, wie das End­re­sul­tat nun aus­sieht und erzählt wird.

Das Life Maga­zin wur­de ver­kauft, in weni­gen Wochen soll die letz­te Print­aus­ga­be erschei­nen. Star-Foto­graf Sean O´Connell hat für die­ses letz­te Heft ein ganz beson­de­res Bild vor­ge­schla­gen, das er sei­ne »Essenz« nennt. Doch Wal­ter Mit­ty als Lei­ter des Nega­tiv-Archivs kann das als »Num­mer 25« bezeich­ne­te Nega­tiv nicht fin­den. Mit Unter­stüt­zung von Cheryl, die von Wal­ter heim­lich ver­ehrt wird, ver­sucht der Archi­var mit Sean O´Connell Kon­takt auf­zu­neh­men, um an das Nega­tiv zu gelan­gen. Doch der Foto­graf ist schon wie­der außer Lan­des, und Wal­ter Mit­ty bleibt nichts ande­res übrig, als sei­ne ver­trau­te Umge­bung hin­ter sich zu las­sen. Von da an braucht sich der Tag­träu­mer kei­ne Aben­teu­er mehr ausdenken.

Ben Stil­ler hat sich längst als renom­mier­ter Regis­seur bewie­sen und kann die­sen Ruf mit WALTER MITTY noch stei­gern. Es ist weder ein Remake, aber auch kei­ne wirk­li­che Neu­in­ter­pre­ta­ti­on der Geschich­te oder des Films gewor­den. WALTER MITTY atmet so viel unver­brauch­te Luft, dass er voll­kom­men für sich allei­ne steht, und sich sogar im Gen­re der Komö­die einen ganz eige­nen Stand schafft. Das liegt selbst­ver­ständ­lich nicht allei­ne an Stil­lers siche­rem und gefühl­vol­lem Insze­nie­rungs­stil. Zuerst ein­mal ist es das über­aus raf­fi­nier­te Dreh­buch von Ste­ve Con­rad, wel­ches sehr zeit­geis­tig unse­re moder­ne Medi­en­land­schaft behan­delt, ohne aller­dings mit plat­ter Kri­tik intel­li­gent wir­ken zu wol­len. Und das macht ihn erst im eigent­li­chen Sin­ne wirk­lich intel­li­gent. In Zei­ten des Inter­nets, wo selbst Blät­ter wie das Life Maga­zin auf Online umstel­len, ist es die­se eine Nega­tiv 25, wel­ches beweist, dass das Inter­net noch lan­ge nicht alles erset­zen kann. Aber der Film ver­mei­det strikt, für eine bestimm­te Sei­te zu ten­die­ren. War­um auch. Natür­lich hat es etwas herr­lich Roman­ti­sches, wenn Sean O´Connell der letz­te Star-Foto­graf ist, der noch mit Nega­tiv­film arbei­tet. Aber dar­um geht es im Dreh­buch nicht, und erst recht nicht in Stil­lers Inszenierung.

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Wir müs­sen Mensch blei­ben, meint Stil­ler, wir dür­fen nicht den Blick für unse­re Mit­men­schen ver­lie­ren. Der Mann beim Tele­fon-Sup­port von Wal­ters Part­ner­ver­mitt­lungs­sei­te kann dem zurück­hal­ten­den Tag­träu­mer erst wirk­lich hel­fen, als sich bei­de leib­haf­tig gegen­über­ste­hen. Dass Stil­ler die Komik nicht über­stra­pa­ziert fokus­siert den Zuschau­er ver­stärkt auf die Figu­ren. Selbst dass die neue Füh­rungs­rie­ge des frisch gegrün­de­ten Life-Online alle die sel­be Gesichts­be­haa­rung tra­gen, ist ein Witz, der erst nach und nach auf­fällt, also nicht mit dem Holz­ham­mer prä­sen­tiert wird. Wal­ters Träu­me­rei­en sind flott und über­stei­gert insze­nier­te Action­se­quen­zen, die auf­fal­lend am Com­pu­ter gene­riert wur­den, um den Kon­trast zur Wirk­lich­keit zu ver­deut­li­chen. Sie sind kurz und prä­gnant, und neh­men sehr wenig Zeit von der eigent­li­chen Geschich­te, um dann voll­stän­dig zu ver­schwin­den, wenn Wal­ter sei­ne Hetz­jagd um den hal­ben Glo­bus beginnt. Hier setzt auch die eigent­lich größ­te Über­ra­schung die­ses Films ein, der mit sei­nen aben­teu­er­li­chen Gescheh­nis­sen, sehr viel Poe­sie ent­wi­ckelt. Das hat aller­dings nichts mit Kitsch und Trä­nen zu tun. Aber der Zuschau­er hat zu die­sem Zeit­punkt alles über Wal­ter Mit­ty ver­stan­den, der nie ein über­zeich­ne­ter Spin­ner war, dafür ein lie­bens­wer­ter Son­der­ling, mit dem man fühlt.

Am Ende wird Wal­ter Mit­ty kein ande­rer Mensch sein. Nicht in dem Sin­ne, wie ande­re Komö­di­en die­se Ent­wick­lung umge­setzt hät­ten. Vom Duck­mäu­ser zum gefes­tig­ten Hel­den. Nein, das hät­te aus WALTER MITTY einen ganz ande­ren Film gemacht. Und hät­te auch die­se unver­krampf­te, unauf­ge­setz­te Poe­sie nicht recht­fer­ti­gen kön­nen, mit der Ben Stil­ler den­noch die Komö­die nicht aus den Augen ver­lo­ren hat, mit all den wun­der­ba­ren Aben­teu­ern, die Wal­ter Mit­ty sich nicht erträu­men könnte.

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DAS ERSTAUNLICHE LEBEN DES WALTER MITTY – THE SECRET LIFE OF WALTER MITTY
Dar­stel­ler: Ben Stil­ler, Kris­ten Wiig, Jon Daly, Kath­ryn Hahn, Shir­ley MacLai­ne, Pat­ton Oswald, Terence Ber­nie Hines, Adam Scott, Sean Penn, Ólaf­ur Dar­ri Ólaf­s­son u.v.a.
Regie: Ben Stiller
Dreh­buch: Ste­ve Con­rad, nach der Geschich­te von James Thurber
Kame­ra: Stuart Dryburgh
Bild­schnitt: Greg Hayden
Musik: Theo­do­re Shapiro
Pro­duk­ti­ons­de­sign: Jeff Mann
zir­ka 114 Minuten
USA 2013
Bild­rech­te: Twen­tieth Cen­tu­ry Fox

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