Stefan Holzhauer hat mich unvorsichtigerweise auf sein Blog gelassen. Vielen Dank, Stefan! Hier also meine fünf Cent zur Rasse der Einhörner und was sie über andere denkt.
Ju Honisch
Magie. In den Köpfen der Menschen ist sie seit Anbeginn existent gewesen, und hier soll nicht diskutiert werden, ob zu Recht oder zu Unrecht. Sie war immer da, denn sie symbolisierte »Macht«, die sie jenen, die ihrer kundig waren – oder zu sein vorgaben -, über die Widrigkeiten der Natur aber auch über Menschen gab.
In der Phantastik ist Magie ein nicht wegzudenkender Bestandteil. Ob Gandalf oder Harry Potter, Saruman oder Lord Voldemort. Sie alle übten Macht aus, zum Wohl oder Wehe der Menschen um sie herum.
Auch in Talunys, jenem anderweltlichen Reich, in dem weite Teile meines Romans DIE QUELLEN DER MALICORN spielen, gibt es Magie. Sie wird primär von den Einhörnern praktiziert, die denn auch die Herrscher dieses Reiches sind. Eine ganze Rasse an Magiebegabten und nicht nur – wie in der menschlichen Vergangenheit – Einzelne, die sich der Magie bedienen, um mächtiger oder reicher zu sein als andere.
Von Einhörnern erwartet man – dem klassischen Bild folgend – Friede, Sanftmut und eine gewisse Reinheit des Seins. In DIE QUELLEN DER MALICORN streben tatsächlich manche von ihnen auch genau dies an, ohne sich jedoch der Täuschung hinzugeben, sie wären perfekt. Es sind kunstsinnge Kreaturen mit einem ausgeprägten Sinn für Ästhetik, der mit ihren magischen Künsten im Einklang steht.
Doch in dieser Welt gibt es nicht nur EinhörnerDoch in dieser Welt gibt es nicht nur Einhörner. Auch Menschen hat es nach Talunys verschlagen – wie, das erfährt man im Buch. Sie als Fremde zu bezeichnen, wäre allerdings grundfalsch. Sie sind seit Generationen in Talunys, dort geboren, kennen keine andere Welt. Dennoch sind sie keine indigene Rasse von Talunys.
Sie unterscheiden sich nachhaltig von den hier herrschenden Kreaturen, denn die Menschen beherrschen keine Magie. Da auch ihre technische Entwicklung nicht mit der unserer Welt vergleichbar ist, haben sie der Macht, welche Magie dem Kundigen gibt, nichts entgegenzusetzen. Hier geht es nicht um einzelne machtgierige Kontrahenten. Können oder Nichtkönnen, Macht oder Machtlosigkeit ist hier jeweils einer gesamten Rasse zugeordnet. Dem Machtmissbrauch ist Tür und Tor geöffnet.
Die Menschen sind nur eine kleine Minderheit. Handwerker und Künstler in einem Reich der Magie, aus dem sie nicht fortkönnen, so wie auch wir unsere Welt nicht verlassen können, um in eine andere zu reisen. Uns fehlt die Magie dazu. (Oder das richtige Raumschiff.)
Für die Einhörner ergeben sich grundsätzlich zwei Möglichkeiten, mit der vergleichsweisen »Machtlosigkeit« der Menschen umzugehen, und man würde sich wünschen, die »lieben, reinen« Einhörner würden diejenige wählen, die ihrem Image entspricht.
Manche tun es. Sie haben die Menschen integriert, erfreuen sich an deren künstlerischer Begabung und handwerklichem Können. Sie übernehmen, was sinnvoll und bereichernd ist von den Menschen, während sie ihnen in ihrer Welt das an Schutz und Achtung angedeihen lassen, das sie auch von einander erwarten.
Andere sehen ihren Vorsprung an Macht als legitime Grundlage, die menschlichen Zuwanderer bzw. deren Nachfahren aufs Grausamste zu unterdrücken und auszubeuten. Nicht einzelne, sondern alle – all jene, die der Rasse der Menschen angehören. Weil es geht. Weil es einfach ist. Und weil allzu Simples immer verführerisch ist.
Die Einhörner haben eine gemeinsame Denkweise der »natürlichen Überlegenheit« entwickelt, die ihnen nicht so sehr das Recht gibt, die Menschen zu knechten, als die Notwendigkeit nimmt, über Rechte, die ein anderes Lebewesen haben mag, überhaupt nachdenken zu müssen. In einem Wertesystem, das als einzigen Wert die Macht anerkennt, sind Menschen minderwertig.Diese kollektive Denkweise ist nichts anderes als eine Ideologie – auch wenn jene Einhörner, die diesem Pfad folgen, es so nicht definieren würden. Sie müssen es nicht definieren. Sie haben die Macht, zu tun – und zu lassen – was sie wollen.
Es gab Krieg zwischen den Einhörnern. Der Grund war eben diese unterschiedliche Haltung gegenüber den Schwächeren – den Menschen. Dieser Krieg ist lange schon vorbei. Sieger gab es keinen. Talunys ist unüberbrückbar geteilt.
So gibt es in dem einen Teil der Welt ein Miteinander, in dem man von einander lernt und sich gemeinsam berät. Perfekt ist es auch da nicht, denn auch hier es gibt jene, die haben »nichts gegen Menschen, aber …«
In dem anderen Teil Talunys‘ gibt es Menschen, die kaum noch ihrer Sprache mächtig sind, weil man sie hat verstummen lassen. Die Sinnlosigkeit des Widerstands gegen eine unendlich überlegene Macht hat eine eigene Unkultur der Knechtschaft entstehen lassen, die sich von Generation zu Generation wie ein kulturelles Erbe tradiert.
Una, die weibliche Heldin von DIE QUELLEN DER MALICORN kommt aus unserer modernen Welt in diese in archaischen Mustern erstarrte Situation. Sie hat eine sehr eigene Meinung zu dieser Situation, muss aber erkennen, dass theoretisches Wissen aus dem Sozialkundeunterricht hier nur sehr bedingt hilft. Auch sie kann keine Magie. Auch sie weiß keinen Weg zurück in ihre Welt. Und sie erfährt, wie ein viel mächtigerer Gegner Menschen so vollkommen ausbeuten kann, bis außer verstaubten Leichen nichts mehr von ihnen übrig ist.
Una hat keine Macht. Doch sie hat Mut und Stärke. Ob das allerdings ausreicht, um zu überleben, ist nachzulesen in DIE QUELLEN DER MALICORN.

Links:
DIE QUELLEN DER MALICORN bei Heyne
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Fantasy-News: Liebe Frau Honisch, Einhörner, echt jetzt?
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Cover DIE QUELLEN DER MALICORN Copyright Heyne/Random House
Bild von Ju Honisch von Arne Homborg
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