Am Anfang sitzt Edith Cushing vor dem Schreibtisch eines Verlegers. Das 20. Jahrhundert ist gerade angebrochen, Frauen tun sich als Literaten noch etwas schwerer. »Eine Geister-Geschichte«, raunzt der Verleger etwas gelangweilt, der eine Liebesgeschichte bevorzugen würde. »Nein«, erwidert Edith, »keine Geister-Geschichte, sondern eine Geschichte mit Geistern«. Es stimmt auf das ein, was kommen mag. Und am Ende wird der Zuschauer auch genau verstanden haben, was Edith mit der Erwiderung meinte. Es ist eine Geschichte ersonnen und inszeniert von Giullermo del Toro. Es ist also nicht alles unbedingt so, wie es zu scheinen mag. Dabei besinnt sich del Toro in dieser Inszenierung gerne auf sein RÜCKGRAT DES TEUFELS und PANS LABYRINTH. Nur dass CRIMSON PEAK nicht die Qualitäten von RÜCKGRAT DES TEUFELS erreicht, dafür die Unzulänglichkeiten von PANS LABYRINTH übernimmt.
Edith Cushing wird zum Missfallen ihres Vaters von dem undurchsichtigen Thomas Sharpe hofiert. Sie verfällt dem Erfinder, gegen die klugen Worte ihres Jugendfreundes Alan. Und als ihr Vater stirbt, gibt es für Edith kaum einen Grund, in Amerika zu bleiben. Sie heiratet Thomas Sharpe, und geht mit ihm und seiner Schwester Lucille nach England. Das mächtige Sharpe-Anwesen Allerdale Hall entpuppt sich als ein Ort der dem unausweichlichem Verfall entgegensieht. Der nachgiebige Lehmboden des weit abgeschiedenen Hauses lässt dasselbe immer weiter absinken. Das beunruhigt Edith weit weniger, als eine alte Bekannte, die ihr zuletzt als Kind begegnet ist, und nun in Allerdale Hall eingezogen zu sein scheint.
Zweifellos ist CRIMSON PEAK eine opulentes Ausstattungsorgie. Die Straßenszenen des New Yorks um die Jahrhundertwende lassen staunen und keine Wünsche offen. Allerdale Hall ist ein komplett extra für den Film errichtetes Set, welches tatsächlich einen ganz eigenen Charakter entwickelt. Auf Grund der Handlung ein sehr wirksames Element. Für CRIMSON PEAK hat del Toro auf seinen Stammkameramann Guillermo Navarro verzichtet. Aber Dan Laustsen ist nicht einfach nur ein würdiger Vertreter, er schafft diese ganz besondere Atmosphäre, die regelrecht den Geist der alten Hammer-Filme atmet. Aber Laustsen kopiert nicht einfach, sondern er holt diese Atmosphäre ins 21. Jahrhundert. Mit seiner extrem akzentuierten Lichtsetzung werden die Darsteller förmlich mit den Settings verschmolzen.
(SPOILER) Nach und nach entfaltet sich die Handlung zu einem regelrechten Krimi. Das Drehbuch spielt nicht mit dem Zuschauer, sondern lässt ihn immer gleich erfahren, wer was im Schilde führt. Aber genau daraus entwickelt die Handlung für den Showdown dann doch eine, wenngleich kleine, aber doch überraschende Wendung. Nur zu dumm, dass Guillermo del Toro das Missgeschick passiert, wie schon bei PANS LABYRINTH, die eigentlich zwei Handlungsstränge nicht zusammenzubringen. »Es ist keine Geister-Geschichte«, sagt Edith bereits zu Anfang, »es ist eine Geschichte mit Geistern«. Dass sie dabei auch auf ihre eigene, folgende Geschichte anspielt, wird am Ende schmerzlich bewusst. Denn das übernatürliche Moment von CRIMSON PEAK hat keinerlei Auswirkung auf den Handlungsverlauf. Die Geister, welche Edith heimsuchen, haben keinen Einfluss auf die Geschicke. Dabei können die Erscheinungen nicht einmal als Metapher in irgendeiner Form interpretiert werden. Es mag sicherlich in del Toros Absicht gelegen haben, das Übernatürliche als natürlichen Bestandteil dieser in sich geschlossenen Welt wirken zu lassen. Sinn macht es aber keinen. Denn es werden einfach zu viele Erwartungen mit dieser Prämisse geweckt, ohne das diese Erwartungen erfüllt werden, oder sich mit einem genialen Kniff zu einer erweiterten Erzählform entwickeln. (SPOILER ENDE)
CRIMSON PEAK ist prachtvolles Kino, welches mit äußerst eindringlichem Spiel all seiner Darsteller zu gruseln versteht, aber bei dem man auch Abstriche machen muss. Leider schafft es auch ein als Ausnahmeregisseur geltender Guillermo del Toro nicht, auf schrille Schockmomente zu verzichten. Dabei gibt es gleich zu Beginn eine Szene, die beweist, wie wundervoll schaurig man Geister inszenieren kann, ohne dass diese unerwartet ins Bild springen müssen. Aber CRIMSON PEAK hat genügend andere Qualitäten, die ihn als nicht perfekten Film, aber sehr angenehme Unterhaltung auszeichnen. Ausstattung, Bild, Beleuchtung und hervorragenden Darsteller, besonders mit Jessica Chastain. Aber Vorsicht an alle zartbesaiteten, auch hier hat del Toro wieder sehr wenige, aber dafür sehr fiese Splattereffekte eingebaut.
CRIMSON PEAK
Darsteller: Mia Wasikowska, Jessica Chastain, Tom Hiddleston, Charlie Hunnam, Leslie Hope u.a.
Regie: Guillermo del Toro
Drehbuch: Guillermo del Toro, Matthew Robbins
Kamera: Dan Laustsen
Bildschnitt: Bernat Vilaplana
Musik: Fernando Velázquez
Produktionsdesign: Thomas E. Sanders
119 Minuten
USA 2015
Promofotos Copyright Universal Pictures International