CHAPPIE

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CHAPPIE – Bun­des­start 05.03.2015

Mit EX MACHINA und AUTOMATA ist dies der drit­te Film inner­halb eines Jah­res, der sich mit künst­li­chen Intel­li­gen­zen beschäf­tigt. Und Robo­tern, die ein eige­nes Bewusst­sein ent­wi­ckeln. Behan­delt AUTOMATA mehr die Fra­ge nach dem Recht der Selbst­be­stim­mung von Robo­tern, stellt EX MACHINA die Fra­ge, inwie­weit das ange­nom­me­ne Bewusst­sein nicht doch aus pro­gram­mier­ten Aktio­nen besteht. CHAPPIE hin­ge­gen will alles, und dar­über hin­aus noch viel mehr. Er will Sozi­al­kri­tik ver­tre­ten, ein knall­har­ter Action-Film sein, sich als Dar­stel­ler-Kino prä­sen­tie­ren, und die Aus­wir­kun­gen von künst­li­chen Intel­li­gen­zen beleuchten.
Und damit woll­te Neill Blom­kamp zu viel. In kei­ner sei­ner Absich­ten schafft es der Regis­seur und Co-Autor in die Tie­fe zu gehen, son­dern sich nur in der Brei­te auf­zu­stel­len. Man könn­te mit CHAPPIE den Kar­rie­re­weg Neill Blom­kamps, mit dem von M. Night Shy­a­mal­an gleich­stel­len. Auch wenn Shy­a­mal­an schon zwei klei­ne Fil­me gemacht hat­te, bevor er mit der Kino-Sen­sa­ti­on SIXTH SENSE Zuschau­er und Kri­ti­ker in Eupho­rie ver­setz­te. Hat er seit­dem sie­ben wei­te­re Kino­fil­me gemacht, war die Tal­fahrt eben ver­hält­nis­mä­ßig geruh­sam. Neill Blom­kamp hat sich mit nur drei Fil­men von ganz oben ins Mit­tel­maß und nun nach unten gearbeitet.

Die Hand­lung

Ein­heit 22 ist der Pech­vo­gel bei Johan­nis­burgs Poli­zei, dem ers­ten kom­plet­ten Robo­ter-Ver­band welt­weit. Bei Ein­sät­zen ist es stets Ein­heit 22 der Leid­tra­gen­de, mit Auf­ent­hal­ten in der Werk­statt. Bis ihn eine Pan­zer­faust trifft, wel­che sei­ne Bat­te­rie mit dem Gehäu­se ver­schmilzt. Eine Repa­ra­tur ist unmög­lich, und so schickt Robo­ter-Beauf­trag­ter Deon Wil­son Ein­heit 22 zur Ver­schrot­tung. Wil­son arbei­tet neben­her an einem Pro­gramm, wel­ches künst­li­chen Intel­li­gen­zen ein eige­nes Bewusst­sein geben soll, und wird aus­ge­rech­net noch in die­ser Nacht erfolg­reich. Aber ein Vor­spre­chen bei Michel­le Brad­ley, wel­che den Rüs­tungs­be­trieb lei­tet, endet mit ihrer Ableh­nung. Kur­zer­hand klaut Deon die aus­ge­mus­ter­te Ein­heit 22, wird aber von den Kri­mi­nel­len Nin­ja und Ame­ri­ca ent­führt, und in deren soge­nann­tes Zuhau­se gebracht, wo Yo-Lan­di auf sie war­tet, Nin­jas Freun­din. Deon wird gezwun­gen, 22 wie­der zusam­men zu bau­en, weil sie drin­gend einen Robo­ter für einen Über­fall brau­chen. Soll­te Nin­ja nicht inner­halb einer Woche sei­ne Schul­den bezah­len, wür­de die gan­ze Drei­er-Gang mit dem Leben dafür bezah­len. Doch als Deon dem Robo­ter sein evo­lu­tio­nä­res Pro­gramm auf­spielt, erwacht in 22 ein Kind. Ein Kind, wel­ches erst ler­nen muss, ohne Lebens­er­fah­rung, ohne Sprach­kennt­nis, aber mit Angst und Zurück­hal­tung. Für Nin­ja eine Kata­stro­phe. Aber ein Robo­ter lernt schnell, und das Chap­pie getauf­te Kind lernt schie­ßen, flu­chen und einen coo­len Ghetto-Style.

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Die Cha­rak­te­re

Es gibt in CHAPPIE kei­nen glaub­wür­di­gen und kei­nen sym­pa­thi­schen Cha­rak­ter. Gera­de viel­leicht Ame­ri­ca, ist in sei­ner zurück­hal­ten­den Art erträg­lich. Deon Wil­son sitzt ent­we­der über der Tas­ta­tur, und schwitzt dabei, oder ver­sucht sich unent­wegt unge­schickt mit Nin­ja aus­ein­an­der zu set­zen. Vin­cent Moo­re ist ein all­zu offen­sicht­li­cher Psy­cho­path, der in der Fir­ma Deon als sei­nen Kon­kur­ren­ten ansieht und auf bil­ligs­te Wei­se ver­sucht, sei­ne eige­nen Pro­jek­te durch­zu­brin­gen. Yo-Lan­di gibt sich als beschüt­zen­de Mut­ter für Chap­pie, ist stän­dig wei­ner­lich und setzt sich nur durch, wenn es das Dreh­buch erfor­dert. Nin­ja ist die schlimms­te Fehl­ent­wick­lung, als stän­dig mot­zen­der und dro­hen­der Ein­falts­pin­sel, der über­haupt nichts ver­steht und nicht einen Fun­ken von Rei­fe zeigt. Aber dafür wird Nin­ja im emo­tio­nal ent­schei­den­den Moment eine cha­rak­ter­li­che 180-Grad-Wen­dung machen, die nicht nur unmo­ti­viert ist, son­dern auch voll­kom­men gegen die vor­an­ge­gan­ge­nen 100 Minu­ten steht. Und dann ist da Chap­pie selbst, den man lie­bens­wert ein­schät­zen könn­te, aber sich auch so unkon­stant ent­wi­ckelt, dass er die meis­te Zeit nur nervt, wenn er sich nicht zwi­schen kind­li­chem Trotz, jugend­li­cher Ängst­lich­keit, und ver­un­si­cher­ter Gangs­ter-Men­ta­li­tät ent­schei­den kann. Die Ent­wick­lung bei Chap­pie ist kaum nach zu voll­zie­hen, son­dern unauf­hör­lich schwan­kend, was den Cha­rak­ter über­haupt nicht vor­an bringt. Alle­samt wecken die Figu­ren kei­ne Bin­dung zum Zuschau­er, und ihnen wird auch kei­ne Gele­gen­heit ein­ge­räumt, eine Bin­dung aufzubauen.

 

Die Insze­nie­rung

Blom­kamp weiß, wie er die Hand­lung vor­an trei­ben muss. Er lässt kaum Leer­lauf, bringt sei­ne Sze­nen immer auf den Punkt. Aber wie füllt man die­se Sze­nen? Und das ist dass Pro­blem mit CHAPPIE, Fil­me­ma­cher Blom­kamp weiß nicht, mit die­ser schon mehr­mals ver­wurs­te­ten Prä­mis­sen von Robo­tern in Ver­bin­dung von Bewusst­sein aus einem arti­fi­zi­el­len Intel­lekt, eine noch nicht erzähl­te Geschich­te zu kre­ieren. Alles ist schon ein­mal dage­we­sen, alles wur­de schon ein­mal erzählt. Dann mar­schiert jeder bei der Rüs­tungs­fa­brik ein und aus, als wäre es der nach­bar­li­che Bau­markt. Jeder hat über­all hin Zutritt, wie es die Hand­lung gera­de braucht. Und wenn sich Wil­son und Moo­re ihren Show­down lie­fern, dann ist da auch kein Sicher­heits­dienst. Wann immer es not­wen­dig wird, arbei­tet kei­ne Men­schen­see­le in den Hal­len. Da bedroht ein Mit­ar­bei­ter einen Kol­le­gen mit einer Pis­to­le, vor allen ande­ren Kol­le­gen, und tut dies dann als Scherz ab, ohne wei­ter­rei­chen­de Kon­se­quen­zen. Das alles hin­ter­lässt einen sehr faden Bei­geschmack. Wenn Nin­ja Chap­pie eine Lek­ti­on ertei­len will, möch­te Blom­kamp damit eine sehr emo­tio­na­le Sequenz ein­lei­ten. Doch zu die­sem Zeit­punkt ist alles schon viel zu ver­fah­ren. Anstatt sich auf die Ent­wick­lung des Robo­ters zu kon­zen­trie­ren, ver­schach­telt sich die Hand­lung in ein andau­ern­des Katz und Maus Spiel, wo über­ra­schend der auf­taucht, unver­mit­telt der ande­re etwas wich­ti­ges tut, immer wie­der wirft der Zufall alles hin und her. Das ver­mit­telt natür­lich das Gefühl eines rasan­ten Fil­mes, der er letzt­end­lich auch ist. Aller­dings ver­gisst er dabei eine drin­gend not­wen­di­ge, phi­lo­so­phi­sche Tiefe.

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Die Dar­stel­ler

Viel kann man über Hugh Jack­man natür­lich nicht sagen, der aus­ge­zeich­ne­te Schau­spie­ler muss­te sich eben nur mit einer schlecht geschrie­be­nen und über­zeich­net insze­nier­ten Figur aus­ein­an­der­set­zen. War­um Sigour­ney Wea­ver ihre ein­di­men­sio­na­le und für die Hand­lung voll­kom­men unnüt­ze Rol­le über­nom­men hat, dar­über kann man nur spe­ku­lie­ren. Dev Patel trifft hier das glei­che Schick­sal wie Jack­man, sei­ne Figur ist ein­fach falsch in Sze­ne gesetzt. SLUMDOG MILLIONAIRE ist aus gutem Grund ein so ein­schla­gen­der Erfolg gewor­den, also liegt es sicher nicht an Patel, wenn sich der Cha­rak­ter des Deon Wil­son so unaus­ge­go­ren aus­nimmt. Und dann ist da die Band ‘Die Ant­woord’, die sich hier selbst dar­stel­len und ihre Künst­ler­na­men auf die Film­fi­gu­ren über­tru­gen. ‘Die Ant­woord’ ist in Süd­afri­ka eine ziem­lich bekann­te Rap-Rave-Band, und fie­len inter­na­tio­nal mit dem Musik­vi­deo ENTER THE NINJA auf, des­sen Set-Design für CHAPPIE über­nom­men wur­de. Aber Wat­kin Tudor Jones und Yo-Lan­di Vis­ser sind kei­ne Schau­spie­ler. Sie kön­nen nicht auf­fan­gen, was das Dreh­buch ihnen an schwa­chen Figu­ren zumu­tet. Jones ver­fällt dabei in ein sich stän­dig wie­der­ho­len­des Kli­schee, wäh­rend Vis­ser kei­nen stim­mi­gen Ein­druck macht, der zu dem Milieu pas­sen müss­te. Auch ein Punkt, der viel­leicht dar­stel­le­risch auf­zu­fan­gen gewe­sen wäre.

Das Fazit

Ein jun­ger Mann sitzt am Com­pu­ter und tippt, und tippt. Immer wie­der sieht man eine Bild­schirm­an­zei­ge, dass das Pro­gramm nur zu so und soviel Pro­zent erreicht. Immer wie­der Ver­zweif­lung, immer mehr tip­pen. Dazwi­schen viel Red Bull. Und bevor die Son­ne auf­geht, heißt es auf ein­mal 100 Pro­zent. Der jun­ge Mann hat am Com­pu­ter eine künst­li­che Intel­li­genz geschaf­fen die über ein eige­nes Bewusst­sein ver­fügt. Jetzt ist ja ein mensch­li­ches Bewusst­sein genau das, was einem vom Com­pu­ter unter­schei­det. Wie also, könn­te man so etwas am Com­pu­ter gestal­ten? Nicht dass man erwar­ten soll­te, Neill Blom­kamp zeich­ne die­se Lösung bis in die Details­auf, um sich als der inno­va­tiv genia­le Sci­ence-Fic­tion-Autor zu prä­sen­tie­ren. Aber was bei einem inno­va­tiv genia­len Sci­ence-Fic­tion-Film pas­sie­ren wür­de ist, beim Zuschau­er das Gefühl zu erwe­cken, als hät­te man tat­säch­lich etwas erklärt bekom­men, das weit über das Tip­pen von Zah­len­codes hin­aus­geht. CHAPPIE ist nicht die vol­le Kata­stro­phe, zu der man ihn durch­aus machen könn­te. Aber er ist sehr weit von dem ent­fernt, was er wirk­lich sein könn­te. CHAPPIE ist nichts wei­ter als Unter­hal­tung. Er for­dert nicht her­aus, er hin­ter­fragt nicht. Könn­ten wir tat­säch­lich ein eigen­stän­di­ges Bewusst­sein erschaf­fen? Was wür­de das für die Mensch­heit bedeu­ten? Wel­che Pflich­ten kämen damit auf uns zu? Wor­in lägen die Gren­zen? CHAPPIE aber, setzt uns einen drol­li­gen Robo­ter auf die Lein­wand, dem vie­le unge­rech­te Din­ge pas­sie­ren, und der Zuschau­er soll viel Mit­ge­fühl dabei ent­wi­ckeln. Soweit erfüllt dann auch der Film sei­nen Auf­trag. Genau so weit.

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CHAPPIE
Dar­stel­ler: Stim­me von Chap­pie: Sharl­to Copley
Dev Patel, Wat­kin Tudor Jones, Yo-Lan­di Vis­ser, Hugh Jack­man, Sigour­ney Wea­ver, Jose Pablo Can­til­lo, Ander­son Coo­per u.a.
Regie: Neill Blomkamp
Dreh­buch: Neill Blom­kamp, Ter­ri Tatchell
Kame­ra: Trent Opaloch
Bild­schnitt: Juli­an Clarke
Musik: Hans Zimmer
120 Minuten
Mexi­ko – USA 2015
Bild­rech­te: Sony Pic­tures Releasing

AutorIn: Bandit

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