Bandit bespricht: TOLKIEN

TOLKIEN – Bun­des­start 20.06.2019

Es war Lie­be auf den ers­ten Ton. Weil John Ronald Reu­el Tol­ki­en sie zuerst Musik machen hör­te. Dann sah er sie, und es wur­de Lie­be auf den ers­ten Blick. So zumin­dest beschreibt es Dome Karu­ko­ski in sei­ner Insze­nie­rung. Sie war Edith Mary Bratt und sie war mit ihm seit ihren Jugend­jah­ren bis zum Ende zusam­men. Spä­ter wur­de John Ronald Reu­el es nicht müde, im wah­ren Leben, wie im Film, Edith als sei­ne Inspi­ra­ti­on für die Elben­toch­ter Lúthien Tinú­viel anzu­ge­ben. Jene abso­lu­te Schön­heit mit unver­gleich­li­cher Stim­me, aus dem Begleit­band zu HERR DER RINGE, dem SILMARILLION. Lei­der erteil­te das Tol­ki­en-Estate unter der der­zei­ti­gen Lei­tung von direk­ten Nach­kom­men des Lite­ra­ten kei­ne Abso­lu­ti­on für die Ver­fil­mung und deren Inhal­te. Der Gra­ben zwi­schen tat­säch­li­chen Ereig­nis­sen und dra­ma­tur­gi­scher Ände­run­gen wird dadurch nur noch viel vager.

Was David Glee­sons und Ste­phen Beres­fords Dreh­buch bie­tet ist tat­säch­lich eine offen­sicht­lich ver­ein­fach­te Form der Erzäh­lung. Ist es so gewe­sen oder nicht, man kann es nicht genau sagen. Aber die dra­ma­ti­schen Momen­te sind dünn gesät und wir­ken zudem an man­chen Stel­len wie Füll­werk, als ob die Per­son Tol­ki­en nicht span­nend genug wäre. Her­aus­ge­ho­ben wer­den Situa­tio­nen, wel­che die Phan­ta­sie des sich ent­wi­ckeln­den Schrift­stel­lers sti­mu­lie­ren. Ent­spre­chend ist die Hand­lung in drei sich über­lap­pen­de Tei­le geglie­dert: Das Fun­da­ment und den Rah­men bil­den Sze­nen aus dem Schüt­zen­gra­ben, wo Tol­ki­en im gro­ßen Krieg dien­te. Flam­men­wer­fer und Scharf­schüt­zen mani­fes­tie­ren sich für den Sol­da­ten als Dra­chen oder krie­ge­ri­sche Orcs. Hier lässt er sein bis­he­ri­ges Leben Revue passieren.

Im zwei­ten Teil insze­niert Karu­ko­ski die Bru­der­schaft von Tol­ki­en mit drei ande­ren Exzen­tri­kern sei­ner Schu­le. Jeder von ihnen mit eige­ner krea­ti­ven Schöp­fungs­kraft. Sie ergän­zen sich und for­dern ein­an­der auch her­aus. Sie wer­den nicht umsonst »die Gefähr­ten« genannt. Doch auch die­se Bru­der­schaft, man kann es erah­nen, wird im Ver­lauf auf die Pro­be gestellt. Und dann ist da die gro­ße Lie­be Edith Bratt, mit wel­cher Tol­ki­en hin­ter den Kulis­sen eine sechs­stün­di­ge Auf­füh­rung von Wag­ners Ring-Zyklus erlebt, und mit ihr gleich­zei­tig die Geschich­te nach­stellt. Tol­ki­ens Kind­heit und viel spä­ter sein Zusam­men­tref­fen mit Sprach­wis­sen­schaft­ler Joseph Wright blei­ben von bild­li­chen Ein­flüs­sen und Quer­ver­wei­sen befreit. Aller­dings über­nimmt das Kind die Kunst des Erzäh­lens von sei­ner Mut­ter, wäh­rend Wright den jun­gen Erwach­se­nen in sei­ner Lei­den­schaft für Wort­krea­tio­nen und Spra­chen beflügelt.

Wer Tol­ki­ens bekann­tes­te Wer­ke gele­sen hat, oder sich sogar mit dem Men­schen hin­ter dem Autor selbst befasst hat, könn­te schnell ent­täuscht wer­den. Der han­gelt sich bei TOLKIEN von Sze­ne zu Sze­ne, nur dar­auf bedacht, Bil­der zu inter­pre­tie­ren, und Dia­lo­ge zu deu­ten. Auch wenn die­se unmit­tel­bar mit den Men­schen ver­bun­den sind, gerät das Wesen von John Ronald Reu­el immer wie­der ins Hin­ter­tref­fen. Es ist ein­fach nicht mehr mög­lich, nach Peter Jack­sons Tri­lo­gie, den Namen, die Ent­wick­lung und das Wir­ken von J.R.R. Tol­ki­en von den vor­an­ge­gan­ge­nen iko­no­gra­fi­schen Film­bil­dern zu tren­nen. Jack­son hat zwei­fel­los eine der ein­fluss­reichs­ten und bedeu­tends­ten Film­rei­hen geschaf­fen, doch das Fan­ta­sy-Spek­ta­kel ist zu über­mäch­tig gegen­über einem eher beschei­de­nen Film, der sich als inti­mes Por­trait eines Künst­lers versteht.

Kame­ra­mann Las­se Frank Johan­nes­sen ist gewillt, die ver­schie­de­nen Ebe­nen der Erzäh­lung optisch mit Farb­ge­bung, Brenn­wei­ten und Ein­stel­lungs­grö­ßen zu bestim­men. Das gelingt dem Skan­di­na­vi­er, der mit Regis­seur Karu­ko­ski schon bei TOM OF FINLAND zusam­men gear­bei­tet hat, nur bedingt. Am bes­ten gelingt es Johan­nes­sen Lily Coll­ins als Edith in den Fokus zu rücken und die Umge­bung in leich­te Unschär­fen zu set­zen. Viel­mehr kommt da Har­ri Ylö­nen Schnitt zur Gel­tung, der die Schre­cken des Krie­ges äußerst geschickt mit Tol­ki­ens Phan­ta­sien und Ein­ge­bun­gen unter­streicht. Oder er ver­tieft die Bezie­hung bei der sich auf­bau­en­den Lie­be mit ele­gi­schen Schnittphasen.

Erstaun­li­cher­wei­se blei­ben Nicho­las Hoult als John Ronald Reu­el und Lily Coll­ins als Edith sehr blass, wir­ken in vie­len Sze­nen manch­mal teil­nahms­los. Was durch­aus auch mit den geschlif­fe­nen Dia­lo­gen in Zusam­men­hang ste­hen könn­te, wor­auf der Film baut. In einem Film, bei dem es um einen fast schon fana­ti­schen Lieb­ha­ber von Spra­che und Wort­schöp­fun­gen geht, soll­ten die Dia­lo­ge auch dem Anlass gerecht wer­den. Was sie auch tun, aber auch hier die Dar­stel­ler, wie im Auf­bau der Erzäh­lung, etwas in den Hin­ter­grund tre­ten las­sen. Ledig­lich eine Sze­ne sticht dar­aus her­vor und bringt die ein­zel­nen Per­so­nen, die Bezie­hung zuein­an­der und ihre tief­grün­di­ge Unter­hal­tung auf eine gleich­be­deu­ten­de Ebe­ne. Wenn Tol­ki­en über die Erfin­dung einer neu­en Spra­che refe­riert, wel­che er »Cel­lar Door« nennt, und Bratt immer wie­der sei­ne Inten­tio­nen hinterfragt.

TOLKIEN ist auf­re­gen­des Kino, hat etwas von Kam­mer­spiel, aber auch von tra­gen­den Epos. Glei­cher­ma­ßen kann er aber sicher­lich vie­le Erwar­tun­gen nicht erfül­len und muss ent­täu­schen. Unter­schied­li­cher könn­ten die­ser Film und die Tri­lo­gie gar nicht sein, aber es ist schlicht­weg müh­se­lig sich unter einem der­art gro­ßen Schat­ten, der vor­weg ging, als Licht zu behaupten.

TOLKIEN

Dar­stel­ler: Nicho­las Hoult, Har­ry Gil­by, Lily Coll­ins, Derek Jaco­bi, Colm Meaney, Antho­ny Boyle u.a.
Regie: Dome Karukoski
Dreh­buch: David Glee­son, Ste­phen Beresford
Kame­ra: Las­se Frank Johannessen
Bild­schnitt: Har­ri Ylönen
Musik: Tho­mas Newman
Pro­duk­ti­ons­de­sign: Grant Montgomery
112 Minuten
USA 2019

Pro­mo­fo­tos Copy­right 20th Cen­tu­ry Fox

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