Bandit bespricht: Richard Dreyfuss in ASTRONAUT

ASTRONAUT – Bun­des­start 15.10.2020

Angus Ste­wart ist nicht allei­ne. Jedes Kind träumt davon ins Welt­all zu flie­gen. Jun­ge Men­schen wür­den einen Flug in die unend­li­chen Wei­ten als Her­aus­for­de­rung emp­fin­den. Für Erwach­se­ne wäre es eine Bestä­ti­gung ihrer Frau- und Männ­lich­keit. Angus Ste­wart ist 72, etwas über­ge­wich­tig und trinkt recht ger­ne. Der pen­sio­nier­te Stra­ßen­bau­in­ge­nieur war einer der Bes­ten. Jetzt soll­te er sei­nen Ruhe­stand genie­ßen, doch sei­ne Frau ist auch schon ver­stor­ben. Angus fühlt sich ein­sam und nicht mehr gebraucht, obwohl ihn die Toch­ter zu sich und ihrer Fami­lie ins Haus geholt hat. Es ist ein Lebens­ab­schnitt den wohl sehr vie­le auf die­se Wei­se emp­fin­den. Auf ein­mal ist man allei­ne und wird nicht mehr gebraucht, auch wenn man im Kreis der eige­nen Fami­lie lebt und geliebt wird.

Mit ihrem Spiel­film­de­but zeigt sich Autoren­fil­me­rin She­lagh McLeod als äußerst fein­füh­li­ge, weil sehr boden­stän­di­ge Beob­ach­te­rin. Die­se Lebens­pha­se von Angus schil­dert sie ein­dring­lich aus des­sen Per­spek­ti­ve, führt uns aber gleich­zei­tig die ver­ständ­li­chen und nach­voll­zieh­ba­ren Ansich­ten sei­ner Toch­ter, des Schwie­ger­soh­nes und des Enkels vor Augen. McLeod liegt mit ihrer Lebens­er­fah­rung genau zwi­schen­drin, was man dem Buch und ihrer Insze­nie­rung auch anmerkt. Sie spielt die Gene­ra­tio­nen nicht gegen­ein­an­der aus, erschafft kei­ne Schwarz­weiß­zeich­nung, ver­wei­gert weit­ge­hend sogar Par­tei zu ergrei­fen.

Mit Richard Drey­fuss hat die Fil­me­ma­che­rin zudem den idea­len Dar­stel­ler gefun­den, der unglaub­lich ein­dring­lich zwi­schen Weh­mut, Alters­weis­heit und sehr viel Charme wech­seln kann, ohne das Melo­dram bean­spru­chen zu müs­sen. Die Rei­bungs­punk­te hal­ten sich in einem ver­nünf­ti­gen Niveau, die bit­te­re Selbst­er­kennt­nis von Angus braucht kei­nen Pathos. In sei­nem aus­er­wähl­ten Senio­ren­heim gibt es skur­ri­le Cha­rak­te­re, aber kei­ne über­zo­ge­nen Spaß­ma­cher. Hier kommt McLeods Sen­si­bi­li­tät am bes­ten zum tra­gen, weil sie die Sze­nen im Heim für einen die Insti­tu­ti­on in Fra­ge stel­len­den Rent­ner unwür­dig und absto­ßend dar­stellt, aber im glei­chen Zug das Set­ting immer ein­la­dend und idyl­lisch insze­niert. Was Angus nur sehr lang­sam zu akzep­tie­ren bereit ist.

 

Inner­halb die­ser mar­kan­ten Wei­chen­stel­lung des Lebens ent­sinnt sich Angus eines alten, eigent­lich nie ver­gan­ge­nen Jugend­traums. Und die­ser erwacht wie­der mit der öffent­li­chen Lot­te­rie eines exzen­tri­schen Mil­li­ar­därs, der für sei­nen pri­va­ten Welt­raum­flug einen Co-Pilo­ten sucht. Auch wenn Angus Ste­wart die Kri­te­ri­en für das Aus­lo­sungs­ver­fah­ren längst nicht mehr erfüllt, will er es wenigs­tens ver­such­ten. Und wer an die­ser Stel­le glaubt zu wis­sen, er könn­te die Geschich­te zu Ende erzäh­len, kann es ruhig tun. Sie oder er wer­den nicht spoi­lern.

She­lagh McLeods Geschich­te bewegt sich im letz­ten Drit­tel in eine erfri­schend ande­re Rich­tung wei­ter. Aller­dings tut sie sich, dem Film und dem Zuschau­er mit dem letz­ten Akt in die­ser gewähl­ten Rich­tung kei­nen son­der­li­chen Gefal­len. Hier ver­liert sich die Hand­lung immer wie­der in Unwahr­schein­lich­kei­ten, geküns­tel­ten Zufäl­len und stark kon­stru­ier­ten Ver­flech­tun­gen. Unver­mit­telt ver­fällt ASTRONAUT in einen gefäl­li­gen Stan­dard­film mit vor­her­seh­ba­ren Span­nungs­mo­men­ten und Guter Lau­ne Garan­tie. Ledig­lich die fokus­sier­ten Dar­stel­lun­gen von Drey­fuss, Kris­ta Bridges und dem wie immer cha­ris­ma­ti­schen Colm Feo­re füh­ren den Film zu einem gera­de so erträg­li­chen Ende. Wobei man in der Schluss­se­quenz schon noch ein­mal hef­tig die har­mo­ni­schen, bewe­gen­den und glaub­wür­di­gen ers­ten 60 Minu­ten her­bei wünscht.

Nun hat es ASTRONAUT in sei­ner tech­ni­schen Aus­füh­rung ohne­hin nicht eben leicht. Aus­leuch­tung, Schnitt und Bild­füh­rung wecken eher Erin­ne­run­gen an sorg­sa­me TV-Pro­duk­tio­nen. Ein Gefühl für gro­ßes Kino will sich nicht wirk­lich ein­stel­len. Her­aus­ra­gen­de Hand­lungs­ele­men­te wer­den unver­ständ­li­cher­wei­se gar nicht zu Ende geführt. Nur die behut­sa­me Schau­spiel­füh­rung, die Dar­stel­ler selbst, und das sehr ein­dring­li­che Gespür für die Aus­gangs­si­tua­ti­on und der empa­thi­sche Umgang mit der The­ma­tik machen ASTRONAUT zu einem ergrei­fen­den, den­noch unsen­ti­men­ta­len Erleb­nis.

ASTRONAUT
Dar­stel­ler: Richard Drey­fuss, Lyrig Bent Colm Feo­re, Richie Law­rence, Kris­ta Bridges, Art Hind­le, Gra­ham Gree­ne u.a.
Regie & Dreh­buch: She­lagh McLeod
Sto­ry: Caro­lyn Saun­ders, Mau­re­en Dorey
Kame­ra: Scott McClel­lan
Bild­schnitt: Tif­fa­ny Beau­din
Musik: Vir­gi­nia Kil­ber­tus
Pro­duk­ti­ons­de­sign: Helen Kot­so­nis
97 Minu­ten
Kana­da 2019

Bild­rech­te: JETS Film­ver­leih

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