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Nicht ein einziger Film der sich mit Zeitschleifen und sich unendlich wiederholenden Tagen befasst, kommt um den einen, den unvermeidlichen, Vergleich herum: MURMELTIERTAG! Dabei war Punxsutawney-Phil schon viel länger bekannt, das Ereignis gibt es schließlich schon seit 1887. Und 1993 war sicherlich nicht das Jahr, wo das erste mal ein Film zu diesem Thema der besonderen Zeitreise ins Kino kam. Aber er kam, sah und siegte. Und das zu Recht. Und so zieht man, ähnlich wie alljährlich Murmeltier Phil aus seinem Bau, jedes mal die Harold-Ramis-Komödie heran, wenn sich wieder Filmemacher an diesem längst als »Murmeltiertag« etablierten Sub-Genre vergehen. Und was soll man über PALM SPRINGS sagen – er besteht.
PALM SPRINGS lässt Andy Samberg wieder einmal aus seiner BROOKLYN NINE-NINE Dauerleidenschaft ausbrechen und er darf als gestrandeter Nyles eine Hochzeitsgesellschaft auf Vordermann bringen. Immer und immer wieder, jedesmal mit anderen Absonderlichkeiten, wie er anderen einen perfekten Tag vermiesen kann. Macht ja nichts, am nächsten Morgen ist wieder alles auf Null gesetzt. Für alle anderen ist dieser Tag das erste und letzte Mal, für Nyles das zig tausendste, und eben nicht das letzte Mal. Und weil Nyles zwecks Abwechslung jeden Tag individuell gestaltet, ist beim Einsetzen des Films nicht vorherzusehen, dass ihm heute die Brautschwester Sarah in eine mysteriöse Höhle folgen wird. Sozusagen der Einlass zu der sich täglich wiederholenden Zeitschleife. Fortan können oder müssen sie gemeinsam den Hochzeitstag wiederholen. Und zusammen kann man noch viel mehr Blödsinn anstellen.
PALM SPRINGS‚ Prinzip dieser endlosen Schleifen ist natürlich schwer bis gar nicht zu erklären. Andere Filme tun das auf ganz angestrengte Weise, nur dass sich diese dann mit mehr Erklärungsversuchen noch mehr in die Logikfalle stolpern. Andy Siaras wirklich rundes Drehbuch und Max Barbakows sehr geschmeidige, leichtfüßige Inszenierung erklären nur soviel, dass es für den Zuschauer zum Verständnis des Prozesses genügt. Wie lässt sich auch ein Phänomen vernünftig erklären, wo es wissenschaftlich so viele Thesen dazu gibt, wie Spielfilme mit diesem Thema. Grundsätzlich unterliegen doch Zeitreisen jeder Art nur der Ordnung ihrer eigenen Bedürfnisse.
PALM SPRINGS behandelt in erster Linie die verständlichste, dafür garantiert spaßigste Option im Falle eines solchen Dilemmas. Man lebt die Freiheit richtig aus, weil es ohne Konsequenzen bleibt. Das hat Bill Murray auch schon getan, mit dem Unterschied, dass dieser einer soziologischen Bestimmung folgen musste. Sarah und Nyles weichen von diesem Pfad etwas ab. Es ist offensichtlich, dass die Macher ihr großes Vorbild nicht einfach kopieren wollen. Aber genauso offensichtlich wollen Siara und Barbakow auch wissen lassen, von welcher Quelle ihre Inspiration und Absicht gespeist wurde. Selbst wenn sie möglicherweise Gefahr laufen, am Status eines unangefochtenen Kinodenkmals zu scheitern. Was aber letztendlich ausbleibt.
PALM SPRINGS ist wahnsinnig unterhaltsam und originell erzählt. Sollten Gags tatsächlich einmal etwas flach ausfallen, haben Samberg und Cristin Milioti die Szenen stets mit ihrem umwerfenden Gespür für Situation und Timing im Griff. Der grandios choreografierte Tanz Nyles‘ durch die Hochzeitsgesellschaft. Die zwei überwältigenden Zwischenrufe bei Jena Friedmans Kurzauftritten als Bedienung. Einschläge von Dosenbier im Swimmingpool, die wie in einem Kriegsfilm inszeniert sind. Es prasselt auf das Publikum ein, dass man sich später schwer tut, die besten Einfälle zu rekapitulieren. Seicht und einfallslos wird der Film zu keiner Zeit, dafür nimmt er sein hochtouriges Tempo im dritten Akt zurück, wird besinnlicher und romantischer. Zuerst wird man davon etwas irritiert, beginnt auch den pausenlos schnellen Rhythmus zu vermissen, doch ist es zum Besten von Film und Unterhaltungswert. Es ist letztendlich auch für die emotionale Verbundenheit zwingend. Barbakow und Siara hätten das Feuerwerk an ungebremsten Spaß nicht halten können, oder das Publikum wäre ermüdet worden.
PALM SPRINGS macht seinen Besuchern nichts vor, es läuft natürlich nur auf das eine hinaus. Wo Bill Murray seinen vorgegebenen Weg alleine bestreiten muss, dürfen Andy Samberg und Cristin Milioti auf sehr einnehmende und charmante Weise ihr Ziel gemeinsam erkunden. Und der Spaß, den sie beim Dreh hatten, überträgt sich ungebremst auf die Leinwand. Doch nicht nur an der Humorfront erobert PALM SPRINGS den Zuschauer. Es ist maßgeblich auch die schnitt- und bildtechnische Umsetzung welche einem etwas Besonderes erleben lässt. Max Barbakow kann mit schnellen Schnitten, fein darauf abgestimmten Bildeinstellungen und einer wahren inszenatorischen Choreografie viel erzählen und erläutern, wo man anderorts endlose Dialoge für notwendig halten würde.
PALM SPRINGS ist aber nicht das Abziehbild von sinnbefreiten und nur auf Effekt ausgerichteten Videos von jugendbestimmenden Internet-Plattformen. Er ist sehr viel intelligenter und tiefgründiger als der erste Eindruck vermuten lässt. Und er gibt wirklich ganz gemeine Denkaufgaben mit auf den Weg jenseits des Abspanns. Leider fristet der Film hauptsächlich ein einsames Dasein im Heimkino. Wie unbezahlbar werden hier Filmfestivals, wo einem das große Glück beschienen ist, diesen Film in der Form zu sehen wie es eigentlich gehört – in einem nach den vorgegebenen Regeln gefüllten Kino, mit einer Horde ebenso unterhaltener und lachenden Gleichgesinnter. Das ruft dann gleich einen ganzen Saal auf den Plan: Was sagt die ältere Frau während der Feier zu Sarah? Und gibt es noch Dinosaurier in Palm Springs?
PALM SPRINGS
Darsteller: Andy Samberg, Cristin Milioti, J.K. Simmons, Peter Gallagher, Meredith Hagner, Tyler Hoechlin, Camila Mendes u.a.
Regie: Max Barbakow
Drehbuch: Andy Siara
Kamera: Quyen Tran
Bildschnitt: Andrew Dickler, Matt Friedman
Musik: Matthew Compton
Produktionsdesign: Jason Kisvarday
90 Minuten
Hongkong – USA 2020
Bildrechte: HULU via IMDb