MONARCH: LEGACY OF MONSTERS
Release 17.11.2023 APPLE TV+
Gleich der Einstieg verheißt nichts Gutes. Verfolgt von einem riesigen Spinnengetier hastet John Goodman als Bill Randa durch den Dschungel. Man kennt Bill Randa aus KONG: SKULL ISLAND. Randa wird an einer Felsklippe gestellt, ohne jeden Ausweg wirft er seine Tasche, die mit »Monarch« beschriftet ist, ins tosende Meer. Unerwartet taucht dann eine Monsterkrabbe auf und bekämpft das Spinnendings. Gut gemeint heißt nicht gut gemacht. Die gesamte Szene schreit förmlich nach schlecht umgesetztem Green Screen, die Bewegungen wirken ungelenk unnatürlich, und es hat den Anschein, als ob John Goodman lediglich als schlechtes Deep Fake reproduziert wurde. Es berührt peinlich und ist wirklich nicht gut anzusehen. Und dann … dann wird alles anders.
Dass eine Streaming-Serie andere Maßstäbe ansetzt, liegt in der Natur des Mediums. Wo im Kino immer noch die Schauwerte mit atemberaubenden Titanen zählen, kann man sich am heimischen Bildschirm (oder Tablet) mehr auf Charaktere und ihre Geschichte konzentrieren. Und davon machen Serienentwickler Chris Black und Matt Fraction reichlich Gebrauch, mit sehr gemischten Resultaten. MONARCHs herausragendes Merkmal ist die geteilte Handlungsstruktur auf zwei Zeitebenen. 2015, kurz nach Godzillas großem Hallo in San Francisco, und 1952, als Monarch noch geringeren Stellenwert hatte.
Das gibt den Machern sehr clevere Möglichkeiten, nicht nur die Geschichte der Titanen besser zu beleuchten, sondern mit den Figuren Brücken über die Zeit zu bauen. So ist 1952 Anders Holm die junge Version von John Goodmans Bill Randa, und Anna Sawai spielt in 2015 Cate Randa, die Enkelin von Bill. Cate hat in San Francisco nur knapp Godzilla überlebt, und ist seither traumatisiert. Sie kommt nach Japan, um die Angelegenheiten ihres verschollenen Vaters zu regeln, enthüllt stattdessen sein Doppelleben, inklusive eines unbekannten Stiefbruders Kentaro. Und dass Vater ein Agent von Monarch war.
Monarch ist die geheime, aber staatliche Institution die MUTOs untersucht, Massive Unidentified Terrestrial Organisms. Godzilla war wohl einer der ersten entdeckten MUTOs. In den 1950er ist die Forschung noch nicht sonderlich weit fortgeschritten. Da sind die junge Version des Forschers Bill Randa und seine zukünftige Angetraute, die Wissenschaftlerin Keiko Miura. An ihrer Seite kämpft sich Lee Shaw von der U.S. Army durch das Monstertreiben, der unbestreitbare Geniestreich der Serie. Vater und Sohn Wyatt und Kurt Russell spielen denselben Charakter in den verschiedenen Zeitlinien.
Der Coup der Serie ist allerdings mehr sentimentaler Natur. Selbst wenn sich Wyatt als angehende Schlüsselfigur sehr überzeugend schlägt und auch über das notwendige Charisma eines 50er Jahre-Heroen verfügt, bleibt er im Schatten der übermächtig scheinenden Präsenz von Kurt. Doch auf die Dramaturgie hat das nur marginalen Einfluss, da sich beide ohnehin keine Bildschirmzeit teilen. Gesichert ist, dass jeder für sich ein Gewinn für die Serie ist. Denn allgemein verlässt sich MONARCH leider auf die obligatorischen Konstellationen und Figurenzeichnungen vertrauter Action-Abenteuer.
Bill ist der liebenswerte Enthusiast, Keiko die Powerfrau, die ihrer Zeit voraus ist, und Lee gibt den überlegenen Draufgänger der typischerweise unbedarft in die monströsen Ereignisse hineingezogen wird. Über fünfzig Jahre später gibt es die unbedarfte und überforderte Cate, die sich mit dem besonnen Pragmatiker Kentaro und dem selbstgerechten und spaßbefreiten Universalgenie May zusammenraufen muss. Gegenüber stehen die üblichen skurrilen Typen, die mit zweifelhaften Absichten den Weg der Helden vereiteln möchten. Die Macher bieten also nichts Neues unter dem Mainstream-Himmel.
Letztendlich ist es das Gesamtpaket, welches MONARCH: LEGACY OF MONSTERS zu einem unterhaltsamen Vergnügen macht. Die Auftritte der monströsen Stars sind etwas rar, aber wohldosiert. Eine Serie verpflichtet schließlich auch zu schlüssigem Erzählen mit interessanter Charakterentwicklung. So befremdlich wie Green-Screen-John-Goodman zu Anfang wird es danach nicht mehr. Die visuellen Effekte erreichen nicht ganz Leinwandniveau, aber sie überzeugen am 65-Zöller. Die Größenverhältnisse zu Mensch und Umgebung sind hervorragend getroffen, und Masse wie Dimension der Titanen wird absolut deutlich.
Sehr merkwürdig muten die unterschiedlichen Bildformate an, wo alt getrimmte Aufnahmen auf voller Bildschirmhöhe mit dem Seitenverhältnis 1,33:1 wesentlich wuchtiger wirken, als das mit Balken versehene 2,1:1 Standardmaterial. Visuell lenkt das immer etwas ab, und wirkt auch unverständlich, weil die Kameraleute mit dem Cinemascope-Format eine richtig einnehmende Atmosphäre mit fabelhaften Bildkomposition erzeugen. Allerdings nutzt man die alten Aufnahmen sehr raffiniert um wieder Momente aus den zurückliegenden Kinofilmen in Erinnerung zu rufen.
Die 1950er Zeitlinie stellt Monarch noch als die den Titanen gesinnte Institution dar, wie sie die vier Filme seit GODZILLA 2014 bis hin zu GODZILLA vs KONG 2021 etabliert haben. Doch das Wissen das Bill Randa mit der Tasche 1975 auf Skull Island ins Wasser warf, scheint mit ihrem Fund 2013 eine andere Wahrheit zu implizieren. Immer mehr Ungereimtheiten und Fragen eröffnen sich, bis Cate, Kentaro und May unvermittelt zur Flucht vor einem noch unbekannten Feind gezwungen werden. Und scheinbar kann nur Lee Shaw die Rätsel lösen – Auftritt des lockeren und listigen Helden Kurt Russell.
Die gut gewählten Darsteller können den stereotypen Vorgaben ihrer Figuren noch sehr viel eigenständige Wesenszüge abgewinnen, ohne dabei jemanden besonders hervorheben zu müssen. Außer Kurt. Die Regel, dass Kino für die großen Schauwerte da ist, und Bildschirm für die ausgefeilteren Geschichten, kommt bei MONARCH voll zum tragen. Den Figuren, denen man einen anziehenden Charme dann doch nicht abstreiten kann, folgt man sehr schnell auf dem spannenden Weg. Als Fan der alten Schule, aber gewiss auch als Quereinsteiger, will man unbedingt die Geheimnisse um Monarch ergründen.
Die Drehbücher sind gut gefüllt mit cleverer Verwendung von zeitgeistigen Besonderheiten und Zitaten, wie zum Beispiel die peinliche Situation in einem Fluchtwagen mit Starterknopf anstelle eines Zündschlüssels. Und klugen Erinnerungen an die Vergangenheit, wenn 1952 ein amerikanischer General im Beisein einer Japanerin die geforderte Menge Uran mit der Menge vergleicht die auf »die Japsen« abgeworfen wurde. Solche kleinen Einwürfe sind aber nicht mit dem großen Ausrufezeichen eingebunden, sondern fließen immer wieder mit sehr viel Gespür für die Situation ein.
Nicht ganz so spannend wie LEGACY OF MONSTERS, dennoch interessant, wird die Einbindung in die Monster-Reihe sein. Die Serie steht ja jetzt schon im Kanon der bisherigen vier Filme. Ob sie allerdings Einfluss auf die weiteren Kinofilme nehmen wird, bleibt noch abzuwarten. Ziemlich überraschend kommt 2024 ja schon Adam Wingards GODZILLA vs KONG-Weiterführung GODZILLA x KONG: A NEW EMPIRE in die Lichtspielhäuser. Das ist fabelhaft. Aber ein weiteres aufgeblasenes Monster, dass man heutzutage »Universe« nennt, in dem sich Filme und Serien bis zur Unkenntlichkeit gegenseitig aufblasen, braucht es deswegen nicht auch noch.
MONARCH – LEGACY OF MONSTERS
Darsteller: Wyatt Russell, Anders Holm, Mari Yamamoto, Kurt Russell, Anna Sawai, Kiersey Clemons, Ren Watabe, Joe Tippett, Elisa Lasowski u.a.
Regie: Mairze Almas, Julian Holmes, Hiromi Kamata, Matt Shakman, Andy Goddard
Drehbuch: Chris Black, Matt Fraction, Mariko Tamaki, Milla Bell-Hart, Andrew Colville, Karl Taro Greenfeld, Al Letson
Entwickelt von Chris Black & Matt Fraction
Kamera: Daryl Hartwell, Chris Seager, Jean-Philippe Gossart, Jess Hall, Sam McCurdy
Bildschnitt: Joe Talbot Hall, Mark Hartzell, Nona Khodai, Emily Streetz
Musik: Leopold Ross
Produktionsdesign: Caroline Hanania
Visual Effects Supervisor: Sean Konrad
Japan, USA 2023
45 – 52 Minuten je Episode
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