Bandit bespricht: FATMAN

FATMAN – VOD – Ama­zon Prime / iTunes

Jetzt, wo sich die cine­phi­le Gemein­schaft end­lich geei­nigt hat, dass DIE HARD – STIRB LANGSAM doch ein Weih­nachts­film ist, geht es in eine neue Run­de mit neu­er Kon­tro­ver­se. Auch wenn es the­ma­tisch und mit dem Haupt­cha­rak­ter ziem­lich ein­deu­tig scheint. Wie viel Spaß darf es denn sein, und, muss es über­haupt sein? Man redet schließ­lich nicht über eine belang­los irrele­van­te Figur. Wir reden von der fleisch­ge­wor­de­nen Kathar­sis kind­li­cher Begier­den. Der Weih­nachts­mann muss eigent­lich über alles erha­ben sein. Oder San­ta Claus, wie er auch genannt wird, oder Kris Krink­le, oder hier in die­sem spe­zi­el­len Fall Chris Cring­le. Wenn Sir Richard Atten­bo­rough in WUNDER VON MANHATTAN Kris Krink­le spielt, wis­sen wir das es gütig und besinn­lich wird. Wenn Mel Gib­son Chris Cring­le spielt, darf man auf alles gefasst sein.

Was sich die Brü­der Eshom und Ian Nelms aus­ge­dacht, zu Papier gebracht und ver­filmt haben, ist weni­ger ver­rückt als es sich anhört. Noch dazu, wie ele­gant und hin­ter­sin­nig sie sich ihrem The­ma erst annä­hern und schließ­lich auf­bau­en, darf man durch­aus als raf­fi­niert und intel­li­gent dekla­rie­ren. Das Weih­nachts­fest im Action­film ist nicht neu, auch der Weih­nachts­mann im Hor­ror­film ist schon lan­ge bekannt. Aber geschmückt mit gar nicht so weit her­ge­hol­ten sozio­lo­gi­schen Refle­xio­nen, wird es zum ori­gi­nel­len Fest.

Chris ist müde, des­il­lu­sio­niert, und nahe am Kon­kurs. Ledig­lich sei­ne reso­lu­te, aber für­sorg­li­che Frau Ruth kann ihn men­tal in der Schlit­ten­spur hal­ten. Dass er von sei­ner jüngs­ten Arbeits­nacht mit einer Schuss­wun­de nach­hau­se kommt, ist nicht das ers­te Mal. Der Ame­ri­ka­ner als sol­cher traut nie­man­den, erst recht nicht, wenn man ein­fach durch sei­nen Kamin kommt.

Rich­tig unan­ge­nehm kann es wer­den, wenn das unge­zo­ge­ne Kind anstatt eines erfüll­ten Wun­sches das tra­di­tio­nel­le Stück Koh­le bekommt. Und wenn die­ser ver­wöhn­te Balg dann auch noch über unver­schäm­te finan­zi­el­le Hilfs­mit­tel ver­fügt. Sehr span­nend ist dabei, wie die Nelms-Brü­der ihre Hand­lung auf­bau­en, ohne den kon­ven­tio­nel­len Mythos des Man­nes mit den Ren­tie­ren zu bemü­hen. Erstaun­lich lan­ge bleibt der spi­ri­tu­el­le Aspekt auf Eis. Cring­le und sein alter Ford Pick­up, der Abste­cher in die loka­le Bar, die alte Farm.

 

Gib­son und Mari­an­ne Jean-Bap­tis­te sind das per­fek­te All-Ame­ri­can-Cou­ple aus der unte­ren Mit­tel­schicht. Kei­ner von bei­den muss wirk­lich spie­len, sie sind es. Von den vie­len Prä­sen­ten, die FATMAN aus dem Sack zieht, sind Jean-Bap­tis­te und Gib­son das wert­volls­te. Nicht finan­zi­ell, son­dern substanziell.

Dem ent­ge­gen steht lei­der das Stück Koh­le wofür sich der Film unge­zo­gen zeigt, und das ist die Beset­zung von Walt­on Gog­gins als mani­schen Auf­trags­kil­ler mit per­sön­li­cher Atti­tü­de gegen den »dicken Kerl«. Gog­gins Vita ist geprägt von wir­ren Cha­rak­te­ren, wel­che eher die nicht ernst zu neh­men­de Kom­po­nen­te der Schieß­bu­den­fi­gur abge­ben. Und lei­der gibt sei­ne Aus­strah­lung auch bei FATMAN nicht mehr her. Es schwebt immer das Gefühl mit, wie ange­strengt Gog­gins bemüht ist, einen glaub­haft gefähr­li­chen Psy­cho­pa­then zu mimen.

 

Aber Eshom und Ian haben viel mehr ver­packt, als man letzt­end­lich bei der Besche­rung genie­ßen könn­te. Sie haben sich eini­ges vor­ge­nom­men was immer wie­der Luft aus jeweils ande­ren Tei­len von Hand­lung und ihren vie­len Unter­tö­nen nimmt. Der Aspekt der Elfen kommt dabei eben­so zu kurz, wie Chris‘ Bezie­hung zu sei­nem neu­en Arbeit­ge­ber. Die Action ist dünn gesät, und die blu­ti­gen Effek­te sind zu will­kür­lich und weni­ger kon­se­quent umge­setzt. Unter all dem lei­den die sozia­len und emo­tio­na­len Bezie­hun­gen, die ange­ris­sen wer­den, aber kaum eine tie­fer grei­fen­de Auf­lö­sung erfahren.

Im gesam­ten Ver­lauf des eigent­lich schon über­ra­schen­den Plots fehlt die­ser defi­nie­ren­de Moment des Beson­de­ren. Auch wenn FATMAN immer­zu Orna­men­te von raf­fi­nier­ten Über­le­gun­gen an den Baum hängt, die zum Nach­den­ken anre­gen. Der schwin­den­de Glau­ben an die Essenz des Fes­tes. Oder das Mili­tär als neu­er will­kom­me­ner Auf­trag­ge­ber für San­ta und sei­ne Elfen. Die bezah­len wenigs­tens Rech­nun­gen. Und die ste­te Ver­än­de­rung unse­rer Gesell­schaft, in der alte Wer­te immer mehr wegbrechen.

 

Die raf­fi­nier­ten und unauf­dring­li­chen Unter­tö­ne sind es, die FATMAN durch­aus aus der Men­ge von unge­wöhn­li­chen Weih­nachts­fil­men her­aus­he­ben. Die Insze­nie­rung ist wun­der­bar sub­til, zum Bei­spiel wie selbst­ver­ständ­lich Chris Cring­le nichts wei­ter als ein wei­te­rer respek­tier­ter Bewoh­ner des klei­nen Kaffs North Peak ist. Die­se fast schon unschein­ba­ren Momen­te ver­lei­hen dem Film ein ganz eige­nes Cha­ris­ma, das immer wie­der zu ver­hal­ten­den Lachern verleitet.

In FATMAN steckt wesent­lich mehr, als die Nelms-Brü­der letzt­end­lich ver­pa­cken konn­ten. Nur geht am Weih­nachts­mor­gen beim aus­pa­cken kein erfreu­ter Kin­der­ju­bel durch das Haus. Aber der »dicke Kerl« ist wenigs­tens nicht im Kamin ste­cken geblie­ben, und man zeigt sich doch besinn­lich durch all die wun­der­ba­ren Momen­te des Fes­tes. Und Aus­pa­cken ist grund­sätz­lich immer spannend.

FATMAN
Dar­stel­ler: Mel Gib­son, Mari­an­ne Jean-Bap­tis­te, Chan­ce Hurst­field, Walt­on Gog­gins, Robert Bock­sta­el, Eric Wol­fe, Elli­son Grier But­ler, Micha­el Dys­on u.a.
Regie & Dreh­buch: Eshom Nelms, Ian Nelms
Kame­ra: John­ny Derango
Musik: Mon­do Boys
Pro­duk­ti­ons­de­sign: Chris August
100 Minuten
Groß­bri­tan­ni­en – Kana­da – USA 2020

Bild­rech­te: SPLENDID FILMS / SABAN FILMS

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