Bundesstart 14.02.2019
Natürlich stellt sich selbstredend auch bei ALITA die Frage, ob man das Ausgangsmaterial kennen sollte, oder ein Film für sich alleine stehen muss, wenn man ihn objektiv betrachten will. Ideal ist natürlich ein gesunder Mittelweg, der beim unbedarften Zuschauer keine Fragen aufwirft oder offen lässt, und die lockere Einbindung von Elementen, an denen sich der Fan erfreuen kann. Bei ALITA: BATTLE ANGEL ist genau dies der Fall. Er bietet 122 Minuten Spektakel, mit ein klein wenig Tiefgang, verschont das Publikum mit endlosen Action-Sequenzen, so wie es die Werbung vorgab, sondern setzt diese sorgsam und nicht des Schauwertes willen über den Film verteilt. Und während das, mit Verlaub gesagt, anspruchslosere Samstag Abend-Publikum seinen Spaß hat, spürt man förmlich, das hinter der einen Szene oder dem anderen Dialog sich doch zarte Hinweise verbergen, die einem eingefleischten Fan der Vorlage gerecht werden. Irgendwie das Ideal eines solchen Filmes.
Alita ist ein Cyborg. Eigentlich aus vielen mechanischen Teilen zusammengesetzt, bleibt Alita ihr erhaltener Kopf samt menschlichem Gehirn. Doch Erinnerungen an ihr früheres Leben sind im Dunkeln, bis ein Notfall ihre grauen Zellen nach und nach reaktiviert.
Es dauert eine Weile, bis ALITA in Schwung kommt und der Cyborg sich kampftechnisch austoben kann. Eventuell aufkommende Ungeduld ist ebenfalls das Verschulden einer fehlgeleiteten Werbekampagne. Denn die Hauptfigur braucht ihre Zeit, sie soll verständlich und nachvollziehbar in ihrem Verhalten bleiben. Es scheint wohl ein Element von Mangas zu sein, dass sie sich in schwere Emotionen vertiefen, um sich schließlich in gnadenloser Gewalt zu entladen. Beides ist in ALITA etwas zurückgenommen. Wobei es oftmals in sich hat, was man selbst einem Cyborg alles antun kann, trotz einer FSK 12 Freigabe.
Die Kulissen von Eisenstadt vermitteln zuweilen einen eher dürftigen Eindruck, wo sich der Großteil der Handlung abspielt. Aber zum Glück verzichten die Macher auf eine postapokalyptische Welt, in der nur Gewalt und das Recht des Stärkeren herrscht. 300 Jahre nach dem »Fall« hat sich die Welt am Boden mit ihrem Schicksal arrangiert. Von Himmelstadt hingegen, einer schwebenden Festung mehrere Meilen über der Oberfläche, und Ort der Elitären, sieht man sehr wenig. Es mutet an, dass sich James Cameron und Robert Rodriguez für eine denkbare Fortsetzung in dieser Richtung mehr vornehmen werden. Schließlich macht Alita gegen Ende recht deutlich, dass sie ihren Kampf zukünftig nicht für sich alleine austragen wird.
Ethnische Gruppen haben sich natürlich darüber echauffiert, dass man Hautdarstellerin Rosa Salazar diese für Anime typischen vergrößerten Augen per Computer ins Gesicht gerechnet hat. Es zeichne ein falsches Frauenbild, etc. Aufregung, wo sie eigentlich nur unangebracht sein kann. Verstörender hingegen ist die Entscheidung, auch Alitas Haare mit Motion Capture nachrechnen zu lassen, was den Eindruck des Künstlichen, nicht Realen zuweilen verstärkt.
Man muss anerkennen, dass die Hauptpersonen hinter diesem Film, Rodriguez und Cameron, viel Herzblut in das Projekt gesteckt haben. Es verwundert sogar, das Cameron sein Wunschkind nicht doch selbst inszeniert hat, welches er 1998 für sich entdeckte, immer wieder große Töne von sich gab, um dann doch TITANIC und anschließend AVATAR den Vorzug zu geben. Aber die Manga-Reihe von Yukito Kishiro, die seit 1990 erschien, ist bei diesen beiden kreativen Köpfen gut aufgehoben und repräsentiert einen gelungenen Brückenschlag zwischen traditionellen asiatischen Künsten in Zeichenform und Hollywood mit bewegten Bildern vom Feinsten. ALITA: BATTLE ANGEL ist weder der größte aller Würfe, noch ohne den ein oder anderen Stolperstein in kreativer oder inszenatorischer Hinsicht. Aber es ist gelungene Unterhaltung, die trotz allem, dazu verleiten kann, sich tiefergehend mit dieser Reihe speziell und dieser Kunst im allgemeinen zu befassen.
Interessant wäre aber auch, wo die Entscheidungen lagen, dass Robert Rodriguez lediglich Regie führen und etwas am Drehbuch feilen durfte. Wo es der Texaner eigentlich gewohnt ist, Regie, Schnitt, Kamera, Tonmischung, Buch, Effekte, Musik, und Produktionsdesign in Personalunion zu handhaben. Sein größtes Budget hatte Rodriguez bei SIN CITY mit 40 Millionen Dollar zur Verfügung. Bei ALITA waren es dann 170 Millionen. Bei einem bisherigen Einspielergebnis von noch nicht einmal 55 Millionen, könnte man bei einer eventuellen Fortsetzung die Personalfragen noch einmal überdenken.
ALITA: BATTLE ANGEL
Darsteller: Rosa Salazar, Christoph Waltz, Keena Johnson, Mahershala Ali, Jennifer Connelly, Ed Skrein u.a.
Regie: Robert Rodriguez
Drehbuch: James Cameron, Laeta Kalogridis, Robert Rodriguez
Kamera: Bill Pope
Bildschnitt: Stephen E. Rivkin, Ian Silverstein
Musik: Junkie XL (Tom Holkenborg)
Produktionsdesign: Caylah Eddleblute, Steve Joyner
122 Minuten
USA 2019
Ich hab mir inzwischen Band eins der Mangas gekauft.
Es ist erstaunlich: Das sieht natürlich an vielen Stellen im Film deutlich elaborierter aus, aber es gibt Panels die sind fast eins zu eins in den Film übernommen worden, ebenso andere Elemente.
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Obwohl für Mangas sehr wenig Übrig habe, kam mir tatsächlich in den Sinn, BATTLE ANGEL ALITA zu lesen (?!). Band Eins und Zwei soll im Film behandelt werden. Und aus Band Drei und Vier haben sie Motorball übernommen. Wäre im Rahmen einer Rezension vielleicht gar nicht so uninteressant gewesen. Vertane Chance. Trotzdem prima Kinounterhaltung.