Wenn sich Luc Besson und Robert Mark Kamen zusammen setzen und ein Drehbuch verfassen, dann kann man was erleben. Immerhin war Kamen der Mann, dem die Welt KARATE KID zu verdanken hat, ja leider auch die Fortsetzungen und das Remake, aber dann entschädigt doch wieder LETHAL WEAPON 3. Was Robert Mark Kamen in Kollaboration mit Besson zu Papier bringt, ist eine ganz andere Liga. Da gibt es die komplette TRANSPORTER-Reihe, von der ein neuer Film in Post-Produktion ist, und zwei weitere bereits angekündigt sind. Die anfänglich ansprechende Idee mit ihrer rasanten Umsetzung konnte allerdings kein bisschen Aufwertung in seiner Weiterführung erfahren, wenn man es so großzügig ausdrücken darf. Auch mit 96 HOURS – TAK3N überzeugten sie anfänglich durch die kaltblütige Geradlinigkeit der Handlung, die auf das Wesentlichste reduziert, mit einem verbissenen Liam Neeson verdiente Aufmerksamkeit erhielt. Was sich bereits mit dem zweiten Teil verflüchtigt hatte, wo sich Besson und Kamen bemüßigt sahen, eine haarsträubende Handlung, als ernsthaft filmisches Konstrukt verkaufen zu wollen. Vielleicht bestand eine eherne Absicht, die kurze Reihe wenigstens würdevoll zu Ende zu bringen. Groß prangt auf den Plakaten: »Alles endet hier«. Und das ist auch gut so.
Ex-Agent Bryan Mills und seine ehemalige Frau scheinen sich besser und besser zu verstehen. Die Beziehung zu seiner Tochter ist ein typisches Vater-Tochter-Verhältnis. Eigentlich könnte es nicht besser laufen in Bryan Mills´ Leben. Wäre da nicht unvermittelt ein Mord, welcher der pensionierten Allzweckwaffe zu Lasten gelegt wird. Rasch entzieht sich Mills mit seinen besonderen Fähigkeiten dem Zugriff der Polizei, um dann gleich von zwei Seiten gejagt zu werden. Der überaus einfühlsame und damit auch äußerst gerissene Ermittler Franck Dotzler ist Bryan immer nur einen Schritt hinterher. Und dann mischt sich noch Gangsterboss Malankov mit seinen Schergen unter die Jäger. Bryan Mills muss nicht nur seine Unschuld beweisen, sondern mit einem Mal das Leben seiner Tochter schützen, ohne ihr direkt helfen zu können, damit er nicht geschnappt werden kann.
Wenn man an Teil 2 ein gutes Haar lassen konnte, dann war es Romain Lacourbas’ besonnene Kameraarbeit, die mit gesetzteren Einstellungen den Zuschauer am Geschehen teilnehmen ließ. In dieser Hinsicht ist TAKEN 3 eine optische Katastrophe. Selbst in ruhigen Momenten will die stets übermotivierte Kamera Dynamik vermitteln; dies so auf die Spitze getrieben, dass vereinzelte Motive überhaupt nicht erkennbar werden. Was mit dem unsäglich schnellen Schnitt von Audrey Simonaud und Nicolas Trembasiewicz nur noch verschlimmert wird. Nicht selten bekommt der Zuschauer dadurch das Gefühl, entweder etwas verpasst zu haben, oder dass die kontinuierlichen Anschlüsse innerhalb einer Sequenz fehlen. Das wirft natürlich die Frage auf, warum sich ein Film aufwendige Action-Szenen und ausgeklügelte Stunt-Choreografien leistet, wenn andere Kreativ-Abteilungen diese Leistungen vollkommen verschießen dürfen, und eben diese Leistungen damit herabwürdigen. Das mag einer modernen Sehgewohnheit geschuldet sein, aber dann muss man diese auch angebracht zu nutzen verstehen. TAKEN 3 ist dahin gehend schlichtweg inakzeptabel.
Zieht man einen Schnitt durch die von Bessons EuropaCorp produzierten Filme, dann ist Logik kein Freund dieser Filme. Überhaupt dürfte man sogar behaupten, dass im überzogenen Action-Kino der Logik grundsätzlich wenig Platz eingeräumt werden sollte. Hauptsache es kracht. Aber es darf nicht stinken. Und TAKEN 3 ist ein großer, fauler Fisch. Wenn es in der Prämisse heißt, das einzige Ziel ist die Tochter zu schützen, warum bleibt diese dann nicht einfach im Versteck, sondern wird mit zum Showdown genommen? Und wenn es nur das wäre, könnte man Frieden schließen. Doch was ist mit dem dreifach abgesicherten Aufzug, den es zu überlisten gilt, den die Polizei später ohne jede Art von Freigabe benutzen kann? Und in diesem Zusammenhang sollte man vielleicht auch einmal über amerikanische Polizeiwagen reden, wo der hintere Sitzbereich durch ein Gitter vom Fahrbereich abgegrenzt ist. Grundsätzlich und ausnahmslos. Und ein Mann wie Bryan Mills würde niemals und unter keinen Umständen in einem anderen Fahrzeug transportiert werden. Kleinlich? Nicht, wenn es eine entscheidende und dramaturgisch wichtige Szene ist. Aber am ärgerlichsten ist daran, dass man diese Aufzählung immer weiter führen kann, immer zu, durch die komplette Handlung. Genialität würde bedeuten, dass uns Besson und Kamen zeigen, wie Mills die Sicherheitsvorkehrungen bei einem Polizeiwagen umgeht.
Selbst durch die unsinnigsten Plots konnte sich der sechzigjährige Liam Neeson in den letzten Jahren als einer der glaubwürdigsten Action-Helden im Kino gegen eine Vielzahl von jungen und schönen Publikumslieblingen durchsetzen. Mit einem klügeren Drehbuch und einer vernünftigeren Regie wäre ihm das auch bei TAKEN 3 wieder gelungen. Doch Olivier Megaton hatte da wohl ganz andere Dinge im Sinn, und die gingen ordentlich daneben. Was Neeson braucht, ist einen Typ wie Joe Carnahan, mit dem er den außergewöhnlichen und überraschenden THE GREY gedreht hatte. Filme, die sich durch ihre Einzigartigkeit auszeichnen, und nicht einem vollkommen überholten Geschmack hinterher hecheln. Und da kann auch ein genialer Forest Whitaker nichts daran ändern, der sehr viel dazu beiträgt, dass man nicht vorzeitig das Kino verlässt. So »endet alles hier«, aber man wünscht sich, es wäre auf andere Art geschehen.
96 HOURS – TAKEN 3
Darsteller: Liam Neeson, Maggie Grace, Famke Janssen, Forest Whitaker, Johnny Weston, Dougray Scott, Jon Gries u.a.
Regie: Olivier Megaton
Drehbuch: Luc Besson, Robert Mark Kamen
Kamera: Eric Kress
Bildschnitt: Audrey Simonaud, Nicolas Trembasiewicz
Musik: Nathaniel Méchaly
Produktionsdesign: Sébastian Inizan
108 Minuten
Frankreich 2015
Promofotos Copyright Universum Film (UFA)