RED RIDING HOOD

Neil Jor­dan, wo bist du, wenn man dich braucht? Herr­je, ent­schul­di­ge. Du warst ja längst da, aber man ver­gisst leicht. In der heu­ti­gen Film­welt meint man zu glau­ben, dass Ver­gan­ge­nes nicht ein­fach nur alt ist, son­dern sogleich aus dem Gedächt­nis von Cine­phi­len und der His­to­rie getilgt sein muss. Hät­ten sich die Macher von TWILIGHT nicht den­ken kön­nen, dass sie mit ihrer Adap­ti­on eines Mär­chens nicht nur ver­träum­te Mäd­chen­her­zen anspre­chen, son­dern auch einen nicht uner­heb­li­chen Anteil von fan­ta­sy-affi­nen Kinogängern?

Nun, wenigs­tens lügt die Wer­bung nicht. Wenn auf die­ser Ver­pa­ckung über das rot-beschürz­ten Mäd­chen steht, dass die­ser Film von den Machern von TWILIGHT gemacht wur­de, dann erwar­tet das Publi­kum auch tat­säch­lich ein Film, der mit bru­ta­ler Offen­heit auf ein puber­tie­ren­des Mäd­chen­pu­bli­kum hin kon­zi­piert wur­de, das im Fahr­was­ser einer ande­ren Serie Geld ein­spie­len soll.

Dag­ger­horn ist schon ein raf­fi­nier­ter Name für ein Dorf, das von Ame­ri­ka­nern erfun­den wur­de, um dem deut­schen Ursprung der eigent­li­chen Geschich­te gerecht zu wer­den. Die Figu­ren müs­sen sich mit Vale­rie, Peter, Hen­ry oder Rox­an­ne her­um­schla­gen, nicht sehr inspi­riert für eine Geschich­te, die im Mit­tel­al­ter ange­sie­delt sein will. Aber Dag­ger­horn, das hat etwas Pho­ne­ti­sches. Die­ser Name ist aber wirk­lich das ein­zi­ge Indiz von Ori­gi­na­li­täts­wil­len und Krea­ti­vi­tät. Ansons­ten ist RED RIDING HOOD eine end­lo­se Anein­an­der­rei­hung von cine­as­ti­schen Fehltritten.

Nun, wie bereits Neil Jor­dan in ZEIT DER WÖLFE, hat Autor David John­son aus dem bösen Wolf einen Wer­wolf gemacht. Regis­seu­rin Hard­wi­cke woll­te die­sen ver­meint­li­chen Wer­wolf auch noch von Tay­lor Laut­ner dar­stel­len las­sen, der bereits in der TWI­LIGHT-Serie das behaar­te Mons­ter gibt. Scha­de, dass es Zeit­pro­ble­me gab, es hät­te die unfrei­wil­li­ge Sati­re per­fekt gemacht. Aber auch ohne Tay­lor Laut­ner bleibt der Wer­wolf zen­tra­ler Bestand­teil die­ser bezau­bern­den Ver­al­be­rung von ernst­haft zah­len­den Besu­chern. Und nichts ande­res ist die­ser schlecht ani­mier­te Schat­ten­riss, als ein Affront gegen sein Publi­kum. Es gibt mitt­ler­wei­le Stan­dards in Hol­ly­wood, die eine sol­che Pein­lich­keit auch mit nur 42 Mil­lio­nen Dol­lar Bud­get nicht mehr zulassen.

Auch die mitt­ler­wei­le für den Fan­ta­sy-Film übli­chen Flü­ge über die Land­schaft sind leicht zu erken­nen­de Com­pu­ter­gra­fi­ken. War­um? Gedreht wur­de im kana­di­schen Bri­tish Colum­bia, da wären sol­che Über­flü­ge ein­fach real mög­lich gewe­sen. Und jeder Pro­du­zent weiß, dass Com­pu­ter­bil­der eben nicht bil­li­ger sind als real ver­film­te Sze­nen. Noch dazu, wenn es so belang­lo­se Land­schaf­ten sind, wie man sie dem Zuschau­er in RED RIDING HOOD vor­setzt. Dag­ger­horn selbst schreit an allen Ecken und Enden nach Kulis­se. Rich­tig ein­ge­setzt, kann das ein cine­as­ti­scher Kunst­griff sein. Die gesam­te Bild­ge­stal­tung von Man­dy Wal­ker macht den Ein­druck, als wol­le man ver­su­chen, mit Licht, Schat­ten und beweg­ter Kame­ra die Künst­lich­keit der Bau­ten zu ver­tu­schen. Aber es gibt kei­ne gro­ßen Bil­der, kei­ne ver­nünf­ti­ge Ver­or­tung. Die Set­tings wir­ken will­kür­lich und bekom­men kei­ner­lei Bezug zueinander.

Eben­so unin­spi­riert prä­sen­tiert sich die vor­her­seh­ba­re Geschich­te. Vale­rie liebt Peter, ist aber Hen­ry ver­spro­chen. Peter scheint der Böse, Vale­rie wen­det sich an Hen­ry. Und am Ende erkennt Vale­rie…, aber man soll­te nicht alles platt­tre­ten. Dazwi­schen tötet der Wer­wolf eini­ge Men­schen, bis der Dorf-Mob sagt, jetzt ist genug, und eini­ge Stun­den spä­ter mit dem abge­schla­ge­nen Kopf des ver­meint­li­chen Mons­ters wie­der­kehrt. Nun wird Dag­ger­horn seit Jahr­zehn­ten von dem Mons­ter heim­ge­sucht, da hät­te man auch ein paar Jah­re frü­her sagen kön­nen »jetzt ist genug«. Aber so will es die Dra­ma­tik, auch wenn es nicht dra­ma­tisch ist, son­dern ein seit Jah­ren über­hol­tes Kli­schee bedient.

Nun, kei­ner kann etwas gegen Aman­da Sey­fried sagen, die weni­ger einem Schön­heits­ide­al ent­spricht, aber eine äußerst attrak­ti­ve Erschei­nung ist. Ihr hat man die­sen Film auf­ge­las­tet, den sie mit ihrem Talent durch­aus tra­gen könn­te, doch wird sie von den krea­ti­ven Abtei­lun­gen allein gelas­sen. Denn die­se Pro­duk­ti­on ist kein geschlos­se­nes Gan­zes, son­dern zusam­men­hang­lo­ses Stück­werk von Dreh­buch, Kame­ra und Regie. Mit die­sem Film tut sie dem Publi­kum kei­nen Gefal­len, aber man möch­te ihre Kar­rie­re in ande­ren, bes­se­ren Pro­duk­tio­nen wei­ter verfolgen.

Wer möch­te, kann sich an Julie Chris­tie erfreu­en, die aller­dings nichts wei­ter zu tun hat, als das Publi­kum mit ihrem ein­fluss­rei­chen Namen zu ver­füh­ren. Als Groß­mutter ist sie her­vor­ra­gend, und dass sie am Ende selbst der Wer­wolf sein könn­te, wäre ein durch­aus span­nen­der Aspekt. Doch dann packt das Dreh­buch die bekann­tes­te aller Rot­käpp­chen-Sze­nen in eine schlecht geschrie­be­ne und ohne Inspi­ra­ti­on insze­nier­te Traum­se­quenz, und erhei­tert unfrei­wil­lig den Besu­cher. Hat Groß­mutter wirk­lich so gro­ße Augen, Ohren und Mund?

Die ganz gro­ße Komö­die lie­fert Gary Old­man, der seit zwan­zig Jah­ren immer­fort den­sel­ben durch­ge­knall­ten, über­dreh­ten Typus ver­kör­pert. Natür­lich geht das Agie­ren der Dar­stel­ler auf das Kon­to der Insze­nie­rung, für die wie­der­um die Regie eine Men­ge Geld über­wie­sen bekommt. Bei Nolans BATMAN sieht man, dass es anders auch geht. Aber man ent­schied sich dann doch für eine Cha­rak­ter­zeich­nung, die Old­man bereits zum Über­druss abge­fei­ert hat. Wie ein stän­dig unter Dro­gen ste­hen­der Der­wisch skan­diert er laut­hals über die Gefah­ren, die vom Wer­wolf aus­ge­hen. Und er skan­diert noch lau­ter, wenn das gesam­te Dorf schwei­gend und ergrif­fen lauscht. Man müss­te eine Wei­le suchen, bis man eine Film­fi­gur fin­det, die schnel­ler nervt als Old­mans Salomon.

Die ein­zi­ge wirk­lich über­ra­schen­de Wen­dung in RED RIDING HOOD ist die Offen­ba­rung des Mons­ters. Nur weil das Gesicht von Herrn (Spoi­ler) gera­de danach schreit, der Böse zu sein, will man ihn als sol­chen ein­fach nicht wahr­ha­ben. Denn das wäre … zu blö­de. Ja, letzt­end­lich ist es eben ein­fach zu blöde.

RED RIDING HOOD
Dar­stel­ler: Aman­da Sey­fried, Gary Old­man, Bil­ly Bur­ke, Shi­loh Fer­nan­dez, Max Irons, Vir­gi­nia Madsen, Lukas Haas und Julie Chris­tie u.a.
Regie: Cath­ri­ne Hardwicke
Dreh­buch: David Les­lie Johnson
Kame­ra: Man­dy Walker
Bild­schnitt: Nan­cy Richard­son, Julia Wong
Musik: Bri­an Reit­zell, Alex Heffes
Pro­duk­ti­ons­de­sign: Tom Sanders
USA / 2011 – zir­ka 99 Minuten
War­ner Brothers

Kino­pla­kat und Sze­nen­fo­tos Copy­right 2011 War­ner Bros

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