Dead Witch Walking – Kim Harrison

Cover Dead Witch Walking

»Hex And The City«

Sie über­schwem­men den Markt der­zeit zuhauf, Roma­ne aus dem Bereich »Urban Fan­ta­sy«, oft mit Vam­pi­ren als Prot­ago­nis­ten oder Gegen­spie­lern, aber es gibt noch eine wei­te­re Schie­ne auf der momen­tan schein­bar alles fährt, was tip­pen kann: Pri­vat­de­tek­ti­ve, ange­lehnt an den Film Noir und den klas­si­schen, ein­zel­gän­ge­ri­schen Ermitt­ler, zusätz­lich gewürzt mit Übernatürlichem.

Auch »Dead Witch Wal­king« gehört in die­se Kate­go­rie. Rachel Mor­gan ist eine Hexe, die für eine Son­der­ab­tei­lung der Poli­zei arbei­tet, wel­che sich aus­schließ­lich mit über­na­tür­li­chen Fäl­len befasst. Das ist in die­ser Welt auch nichts unge­wöhn­li­ches, denn das Über­na­tür­li­che und sei­ne Wesen­hei­ten gehö­ren ins ganz nor­ma­le Leben und auch wenn die »nor­ma­len« Men­schen wei­test­ge­hend unter sich blei­ben, so gibt es doch eine gewis­se Ver­mi­schung der Kulturen.

Anmer­kung: Die­se Rezen­si­on erschient ursprüng­lich im Okto­ber 2008, ich habe sie anläss­lich der deut­schen Neu­auf­la­ge bei Hey­ne am 9. Mai 2011 unter dem Titel BLUTSPUR noch mal nach vorn geholt.

Der Roman beginnt damit, dass Rachel, die auf ihrer Arbeits­stel­le von Vor­ge­setz­ten gemob­bed wird, die Bro­cken hin­wirft und sich mit einer Kol­le­gin – zufäl­lig Vam­pi­rin – als Pri­vat­de­tek­ti­vin selbst­stän­dig macht. Doch den Dienst bei der »Inder­land Secu­ri­ty« quit­tiert man nicht ein­fach und ein Aus­tritt kommt einem Todes­ur­teil gleich…

Im Cin­cin­nat­ti von Kim Har­ri­sons Roman exis­tiert ein Stadt­teil namens »The Hol­lows«, der wei­test­ge­hend den »Inder­lan­dern«, also den Über­na­tür­li­chen, vor­be­hal­ten ist. Hier zieht man in eine nicht mehr genutz­te Kir­che und es kann los gehen. Könn­te es, aber dazu spä­ter mehr.

Im Gegen­satz zu Ilo­na Andrews’ Roma­nen (die ich an ande­rer Stel­le auf Phan­ta­News bespro­chen habe) erhält der Leser eine Ein­füh­rung, was mit der Welt geschah und war­um es zu der im Roman beschrie­be­nen Kon­stel­la­ti­on kam:

In den 1960ern gab es gene­ti­sche Expe­ri­men­te – an Toma­ten – die außer Kon­trol­le gerie­ten und in einer Pan­de­mie einen gro­ßen Teil der Welt­be­völ­ke­rung aus­lösch­ten. Die »Para­nor­ma­len« tra­ten als Ret­ter in der Not in die Öffent­lich­keit und waren in der Lage, eine grund­le­gen­de Ord­nung wie­der her­zu­stel­len. Seit­dem leben die »Nor­ma­len« und die »Über­na­tür­li­chen« in einer Art labi­lem Frie­den mit­ein­an­der. Die­je­ni­gen ohne beson­de­re Kräf­te beäu­gen die neu­en Mit­be­woh­ner zwar immer noch etwas miss­trau­isch, man erkannt aber ihre Leis­tun­gen wäh­rend der Kri­se an.

Im Gro­ßen und Gan­zen ist der Hin­ter­grund unse­re heu­ti­ge Welt plus die Gesell­schaft der Über­na­tür­li­chen, Har­ri­sons »Hollows«-Reihe ist also eben­so »Urban Fan­ta­sy« wie alter­na­ti­ve Geschichte.

Nach eige­ner Aus­sa­ge legt Kim Har­ri­son viel Wert auf Cha­rak­te­ri­sie­rung, dem kann ich unein­ge­schränkt zustim­men, lei­der führt das dazu, dass der Plot auf der Stre­cke bleibt. In wei­ten Pas­sa­gen lässt der Roman einen roten Faden ver­mis­sen, der schim­mert zwar immer wie­der mal durch, aber all­zu viel Wert wird auf die Bezie­hung zwi­schen Rachel und der Vam­pi­rin Ivy gelegt, all­zu vie­le klei­ne Zwi­schen­spie­le füh­ren dazu, dass »Dead Witch Wal­king« trotz aller erzäh­le­ri­schen Stär­ken inho­mo­gen und zer­ris­sen wirkt.

Ein wei­te­rer Nach­teil ist, dass der eigent­lich Fall – übli­cher­wei­se ein zen­tra­ler Punkt in einer Detek­tiv­ge­schich­te – nur am Ran­de behan­delt wird und davon abge­se­hen nicht beson­ders glaub­wür­dig daher kommt. Der Leser hat auch nichts zum Mit­rät­seln, da man stän­dig mit der Prot­ago­nis­tin auf Augen­hö­he ist, was das Wis­sen angeht. Wenn die­se Vor­ge­hens­wei­se gut gemacht ist, dann sorgt das für zusätz­li­che Span­nung beim Leser. Hier jedoch gibt es kei­ne Schlüs­se zu zie­hen, weil Rachel die immer zügig selbst zieht und dem Leser das Rät­seln erspart.

Man ver­ste­he mich nicht falsch: »Dead Witch Wal­king« ist durch­aus kein schlech­ter Roman, der Erzähl­stil ist les­bar (wenn auch min­des­tens in der ers­ten Hälf­te nicht immer flüs­sig) und auch der Humor kommt durch die flap­si­gen Sprü­che der Hel­din – die aus der ich-Per­spek­ti­ve berich­tet – nicht zu kurz.

Vie­le klei­ne Details aus der Welt der Über­na­tür­li­chen wer­den eben­so ein­ge­floch­ten, wie Hin­wei­se auf die Geschich­te und auch diver­se sehr ori­gi­nel­le Ideen sind zu fin­den. Lei­der über­treibt Har­ri­son hier an diver­sen Stel­len etwas und man kann ganz klar sagen, dass dem Buch mit sei­nen knapp über 400 Sei­ten etwas Straf­fung gut getan hät­te. 300 wären auch aus­rei­chend gewesen.

In der zwei­ten Hälf­te nimmt die Hand­lung Fahrt auf und der Schreib­stil wird deut­lich flüs­si­ger, so als habe die Autorin in ihre Welt und zu ihren Prot­ago­nis­ten gefun­den. Doch auch hier kommt es immer wie­der zu Mini­dra­men zwi­schen den Hand­lungs­trä­gern, die sich oft auf­ge­setzt und fehl am Plat­ze anfühlen.

Abschlie­ßend muss ich sagen, dass ich mir nicht dar­über im Kla­ren bin, ob ich wei­te­re Roma­ne aus der Serie lesen möch­te. Zum einen ist das Set­ting wirk­lich ori­gi­nell und auch die Haupt­cha­rak­te­re sind inter­es­sant und sym­pa­thisch. Auf der ande­ren Sei­te brau­che ich weder den dau­ern­den »Zicken­ter­ror« zwi­schen Rachel und Ivy, noch unaus­ge­go­re­ne Kri­mi­nal­fäl­le und zahl­rei­che lose Enden in einem Roman, der sich als Detek­tiv­ge­schich­te ver­ste­hen möchte.

Auch die Welt, der Hin­ter­grund, wird nicht kom­plett glaub­wür­dig durch­ge­zo­gen: Trotz der Pan­de­mie mit ihren zahl­lo­sen Toten gibt es zu viel, was wir aus unse­rer heu­ti­gen Welt ken­nen, dar­un­ter Pop­kul­tur (wie bei­spiels­wei­se Star Wars), was nach den Gescheh­nis­sen um die Seu­che eher unglaub­wür­dig erscheint, wenn man betrach­tet, dass die Mensch­heit eini­ge Zeit mit Über­le­ben beschäf­tigt war. Es soll­te deut­li­che­re Abwei­chun­gen zu unse­rer Rea­li­tät geben.

Ich rate nie­man­dem vom Lesen von »Dead Witch Wal­king« ab, dafür gibt es zu vie­le wirk­lich net­te Ideen und Cha­rak­te­re, man muss sich aber auf Inho­mo­ge­ni­tä­ten ein­las­sen kön­nen. Viel­leicht kom­me ich auch nur mit dem Stil nicht klar und ande­re fin­den gro­ßes Gefal­len an den Aben­teu­ern, denn in den Ver­ei­nig­ten Staa­ten scheint die »Hollows«-Reihe bei Lesern wie Kri­ti­kern sehr gut ange­nom­men zu wer­den. Geschmä­cker sind halt ver­schie­den. Viel­leicht ist es auch ein­fach nur ein »Frau­en­buch«… ;o)

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DEAD WITCH WALKING
»The Hol­lows« Band I
von Kim Harrison
Taschenbuch
Mai 2004
416 Sei­ten, ca. 5,30 €
ISBN-10: 0060572965
ISBN-13: 978–0060572969
Har­per Col­lins USA

 

Ab dem 9. Mai 2011 auch als Neu­auf­la­ge der Ver­si­on von 2007 bei Heyne:

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BLUTSPUR
Kim Harrison
Über­set­zung von Alan Tep­per und Isa­bel Parzich
Taschen­buch, Broschur
Mai 2011
592 Sei­ten, 9,99 €
ISBN-10: 3453528530
ISBN-13: 978–3453528536
Heyne

 

AutorIn: Stefan Holzhauer

Meist harm­lo­ser Nerd mit natür­li­cher Affi­ni­tät zu Pixeln, Bytes, Buch­sta­ben und Zahn­rä­dern. Kon­su­miert zuviel SF und Fan­ta­sy und schreibt seit 1999 online darüber.

2 Kommentare for “Dead Witch Walking – Kim Harrison”

Stefan Holzhauer

sagt:

Ich habe dann nichts wei­te­res mehr aus der Serie gelesen… :)

Ursel

sagt:

Ich bin wohl eine unty­pi­sche Frau. *g*
Ich habe von die­ser Roman­rei­he näm­lich auch nur den ers­ten Band gele­sen, weil ich auch nicht so rich­tig damit warm wer­den konn­te (und dabei lie­be ich sonst Urban Fan­ta­sy). Irgend­wie kam ich mit den Cha­rak­te­ren nicht so rich­tig klar, mir erschien trotz allem die Hel­din zu »tough« und zu glatt und zu ober­fläch­lich beschrie­ben. Schwer zu erklä­ren. *nach­denk­lich am Kopf kratz*

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