Texarkana ist eine fast 40.000 Einwohner zählende Zwillingsstadt, die genau auf der Grenze von Texas und Arkansas befindet. Selbstredend getrennt verwaltet. 1946 geschahen hier grausame Morde an jungen Pärchen, die irgendwo im Freien in ihren Automobilen alleine sein wollten. Ein Sprecher klärt uns auf, dass der als Phantom bekannte Mörder nie gefasst wurde. Weiter erzählt der Sprecher, dass 1976 ein Spielfilm vor Ort gedreht wurde, der die Morde und das Phantom zur Grundlage hatte. Anfangs war der Film nur ein mittelmäßiger Erfolg, generierte sich dann doch zum Kult-Klassiker. Und traditionell wird jedes Jahr zu Halloween, THE TOWN THAT DREADED SUNDOWN in Texarkana einem begierigen Publikum vorgeführt. Nur Jami und Corey finden dieses Jahr keinen Gefallen an dem Film, und fahren lieber zum Händchenhalten in die Wälder. Nach 65 ereignislosen Jahren werden sie die ersten Opfers des Phantoms.
Mit WARTE, BIS ES DUNKEL WIRD hat Alfonso Gomez-Rejon einen herrlich nostalgischen Slasher inszeniert, der bei Genre-Freunden sehr viel Freude aufkommen lassen wird. Er bedient dabei natürlich alle Klischees, packt diese allerdings in eine sehr geschickt konstruierte Handlung, die auch Überraschungen bereit hält. Dass der Film deswegen vorhersehbar sein könnte, kann man nicht behaupten. Wo er allerdings wirklich enttäuscht, das ist seine Auflösung. Da waren die Erfinder nicht sehr inspiriert, und wecken zu auffallende Erinnerungen an den Beginn der SCREAM-Reihe. Aber man kann ihnen zugute halten, dass bis zu diesem Zeitpunkt der Unterhaltungsfaktor in Sachen Blut und Schmerz sehr hoch gelegen war. Natürlich gibt es diese kleinen Logiklöcher, wie zum Beispiel ein Polizeischutz allein von der Straße aus funktionieren soll. Aber schließlich geht es nicht darum Menschen zu schützen, sondern sie in Gefahr bringen zu können.
Jamie wird den Angriff vom Anfang überleben und von sich aus Recherchen anstellen. Die Polizei kommt nicht weiter, egal wieviele Jugendliche auch im Verlauf sterben. Die Dienststellen von Arkansas und Texas müssen erst einmal koordiniert werden. In diesem Verlauf werden Größen wie Ed Lauter oder Edward Herrmann leider etwas unter ihren Möglichkeiten etwas verheizt. Vielleicht ist es dem viel zu früh verstorbenen Edward Herrmann mit seinem wirklich letzten Film COACH OF THE YEAR vergönnt, sich mit besseren Eindrücken aus der Filmwelt zu verabschieden. Was widerum nicht den Rückschluss geben soll, WARTE, BIS ES DUNKEL WIRD wäre grundsätzlich ein missratener Film. Nur gibt er Herrmann nicht die Chance, sich in seiner sonstigen Art zu profilieren. Aber Jamie bekommt durch den verschlossenen Stadtarchivar Nick unerwartet aufmerksame Hilfe, in ihren Bemühungen, dass Rätsel um das Phantom und seiner Identität zu lösen. Allerdings mit blutigen Konsequenzen.
Tatsächlich gab es 1976 den Film THE TOWN THAT DREADED SUNDOWN, der sich auf eine unaufgeklärte Mordserie in Texarkana stützte. Und hier ist auch der eigentliche Clou in WARTE, BIS ES DUNKEL WIRD verborgen, der eigentlich ein Remake jenes Filmes wäre. Doch das extrem raffinierte Drehbuch von Roberto Aguirre-Sacasa integriert diesen Vorgängerfilm in die Geschichte, und macht ihn zur Basis des aktuellen Handlungsverlaufes, als eine Art Weiterführung von 1976. Wer also möchte, kann diesen Film als Fortsetzung genauso ansehen, wie als Reboot, oder Remake. Und somit erwehrt er sich allen Vorbehalten. Ein intelligenter Schachzug, der nur ganz wenigen Filmen, besonders Horrorfilmen, gelingt.
Etwas irritierend ist Michael Gois Bildgestaltung, die immer wieder den Eindruck erweckt, als hätte sich der Kameramann nicht entscheiden können. Mal ergötzt er sich in anamorphen Bildeindrücken (ein 2,35:1 Bild wird durch eine anamorphe Linse für ein Seitenverhältnis von 1,66:1 aufgenommen, und umgekehrt projiziert), zum Beispiel John Carpenters bevorzugte Optik. Dann wechselt er oft unmotiviert die Perspektiven von klarer Struktur, zu seitlich gekippten Motiven. Selbst die Körnigkeit und Farbsättigung der Bilder variieren von Szene zu Szene. Ein Sinn lässt sich kaum dahinter erkennen, und entfernt sich dadurch etwas von den scheinbar gehuldigten Klassikern aus den siebziger- und achtziger Jahren. Allerdings trübt es auch nicht das brutale Vergnügen, weil genug Potential an Splatter, Horror und Schock vorhanden ist, um hinreichend von technischen Feinheiten abzulenken.
Wer CALIFORNICATION verfolgt hat, wird Addison Timlin in bester Erinnerung haben. Aber auch in WARTE, BIS ES DUNKEL WIRD hinterlässt sie einen starken Eindruck, hier allerdings von schauspielerischer Qualität. Leider steht sie da ein bisschen einsam, weil es weder Drehbuch, noch Regie gelingt, einen weiteren, interessanten Charakter zu formieren. Lediglich Gary Cole als Chief Deputy schafft es immer wieder, den Zuschauer zu verwirren und damit falsche Fährten zu legen. Der Mangel an besonders originellen Figuren, oder auffälligeren Charakteren kann eine gewisse Befriedigung in WARTE, BIS ES DUNKEL WIRD aber nicht trüben. Ein bis auf seinen Schluss bestens umgesetzter Horror-Thriller, der effektiv seine Prämisse umsetzt, und damit überzeugt. Allein schon mit der Idee, das Original in dieser Form zu integrieren. Sehr schön.
Warum der deutsche Verleih allerdings einen Titel wählten, der gleich dem Thriller-Klassiker mit Audrey Hepburn von 1967 ist, bleibt mehr als unverständlich. Ist wohl anzunehmen, dass in den Marketing-Abteilungen Kinder untergekommen sind, die nur scheinbar einen Job beherrschen, ohne sich allerdings der Materie bewusst zu sein. Getreu dem Motto: »Ich mache auch irgendwas mit Medien«. Traurig.
WARTE, BIS ES DUNKEL WIRD – THE TWON THAT DREADED SUNDOWN
Darsteller: Addison Timlin, Veronica Cartwright, Anthony Anderson, Travis Tope, Joshua Leonard, Gary Cole, Ed Lauter, Edward Herrmann, Andy Abele u.a.
Regie: Alfonso Gomez-Rejon
Drehbuch: Roberto Aguirre-Sacasa
Kamera: Michael Goi
Bildschnitt: Joe Leonard
Musik: Ludwig Göransson
Produktionsdesign: Hannah Beachler
USA / 2014
89 Minuten
Promofoto Copyright Tiberius Film / 24Bilder