THE WARD gehört in Behandlung

Sanf­te Spoi­ler vor­aus: Wenn sich der Gewehr­lauf lang­sam aus dem Fens­ter des lang­sam fah­ren­den Wagens schiebt und im Gegen­schnitt eine unschul­di­ge, ahnungs­lo­se Pas­san­tin im Faden­kreuz erscheint, erreicht John Car­pen­ter die maxi­ma­le Stu­fe des Grau­ens. Aber vor 35 Jah­ren hat Car­pen­ter auch noch fast alles selbst gemacht: Musik, Regie, Dreh­buch, Schnitt. Er war immer dann am bes­ten, wenn er sich selbst mit Stof­fen ver­sorg­te und die künst­le­ri­sche Kon­trol­le über die tech­ni­schen Aus­füh­run­gen behielt. Die Extrem­si­tua­ti­on eines in sich geschlos­se­nen, klaus­tro­pho­bi­schen Umfelds wur­de zu sei­nem ganz per­sön­li­chen The­ma, in dem er spie­le­risch zu erschre­cken ver­stand. Er hat sich Zeit gelas­sen, erneut die Gen­re-Freun­de von der Lein­wand aus zu erfreu­en. Doch der von Hor­ror­fans als Meis­ter aus­ge­ru­fe­ne Car­pen­ter gibt letzt­end­lich wenig Anlass zur Freu­de.

Die jun­ge Kris­ten wird wegen Brand­stif­tung in die North Bend Psych­ia­trie ein­ge­lie­fert. Sie kann sich weder dar­an erin­nern, was mit ihr gesche­hen ist, noch war­um sie ein­ge­wie­sen wur­de. Dafür merkt Kris­ten sehr schnell, dass etwas Unna­tür­li­ches durch die dunk­len, schmut­zi­gen Flu­re der geschlos­se­nen Abtei­lung schleicht. Etwas, für das ver­schlos­se­ne Türen kein Hin­der­nis dar­stel­len. Iris, Emi­ly, Sarah und Zoey, die vier Mit­be­woh­ner auf Kris­tens Sta­ti­on, wis­sen um den Geist eines Mäd­chens; der sie heim­sucht, ver­su­chen es aber aus Angst zu igno­rie­ren. Trotz allem bekom­men die Mäd­chen nach und nach die töd­li­chen Absich­ten der bereits Ver­bli­che­nen zu spü­ren.

Selbst wenn man es wagt, einen ganz kon­ven­tio­nel­len Hor­ror-Thril­ler auf das Publi­kum los­zu­las­sen, soll­te man dabei gewis­se Din­ge beach­ten. John Car­pen­ter hat die For­mel des her­kömm­li­chen Gru­sel­films schon sehr erfolg­reich mit Nebel über Anto­nio Bay her­ein­bre­chen las­sen. Bei THE WARD aller­dings fin­det er mit sei­ner Insze­nie­rung und dem von Micha­el und Shawn Ras­muss­sen ver­fass­ten Dreh­buch kei­nen Halt in dem alt­her­ge­brach­ten Set­ting des Hor­rors in einer Irren­an­stalt. Schon in den ers­ten Minu­ten macht der Film so viel falsch, dass sei­ne wei­te­re Ent­wick­lung immer unin­ter­es­san­ter wird, weil es Car­pen­ter nicht mehr gelingt, aus dem Sche­ma F aus­zu­bre­chen. Er beginnt mit einer Vor­ge­schich­te, die abso­lut will­kür­lich erscheint, weil auf sie bis zum Ende nicht mehr ein­ge­gan­gen wird. Dann gibt es einen sehr beein­dru­cken­den, weil beun­ru­hi­gen­den Titel­vor­spann, der aber in kei­ner Wei­se hält, was er mit sei­nen Bil­dern zu ver­spre­chen ver­sucht. Hin­zu kom­men dann noch nach Hil­fe schrei­en­de Kli­schees von Kli­nik­per­so­nal. Und gekrönt wird das Gan­ze von Amber Heard, die sich zu kei­nem Zeit­punkt mit Make-up und Fri­sur in das Bild der sech­zi­ger Jah­re ein­passt, und erst recht nicht als men­ta­les Wrack in eine geschlos­se­ne Abtei­lung.

Eini­ge der Schwach­punk­te lösen sich im Lau­fe von THE WARD auf, ande­re wie­der­um erklä­ren sich oder wen­den sich zum ent­schei­den­den Detail in der eigent­li­chen Auf­lö­sung. Aber da hat John Car­pen­ter zumin­dest sei­ne ihn ehren­de Anhän­ger­schaft schon längst ver­lo­ren. Wer nur mit sich end­los wie­der­ho­len­den, krei­schen­den Ton­ef­fek­ten Schock- und Über­ra­schungs­mo­men­te insze­niert, dem fehlt irgend­wo der Zugang zur Atmo­sphä­re des eige­nen Films. Es ist nicht Car­pen­ters eige­nes Mate­ri­al, und lei­der hat man stän­dig das Gefühl, dies zu mer­ken. Abkömm­lich ist jede Spur von Ori­gi­na­li­tät, die der Film in sei­ner über­hol­ten Art drin­gend benö­tigt hät­te. Selbst der Rhyth­mus in der Erzäh­lung ist sprung­haft unent­schlos­sen, anstatt span­nungs­voll anzu­stei­gen.

Es gibt zwei sehr beein­dru­cken­de Sze­nen, die den Wunsch nach mehr ver­stär­ken, die Schwä­chen in der Insze­nie­rung aller­dings nur noch wei­ter unter­strei­chen. Zum einen ist es der Span­nungs­auf­bau wäh­rend der Dusch­sze­ne, aller­dings nicht sei­ne Auf­lö­sung, zum ande­ren das abrup­te Ende des aus­ge­las­se­nen Tan­zes der Mäd­chen im Auf­ent­halts­raum. Hier wer­den Stim­mun­gen geschaf­fen, mit denen John Car­pen­ter frü­her gan­ze Fil­me gru­se­lig-geni­al bestrit­ten hat. Doch rückt man ein­mal ab von den Ansprü­chen, die man an einen bestimm­ten Regis­seur stellt, wird THE WARD nicht wirk­lich bes­ser. Selbst wenn er aus dra­ma­tur­gi­schen Grün­den in den sech­zi­ger Jah­ren spie­len muss, muss sich die Erzähl­form nicht die­ser Zeit anpas­sen. Und selbst wenn das die Absicht gewe­sen sein soll­te, wäre auch die­ses Ansin­nen gran­di­os fehl­ge­schla­gen. Schnitt und Kame­ra­füh­rung unter­wer­fen sich den Stan­dards des moder­nen Kinos, was einer indi­vi­du­el­le­ren Umset­zung für den Film letzt­end­lich im Weg steht. Aus­ge­rech­net hier wären Car­pen­ters legen­dä­re Bil­der sei­ner bis zu die­sem Film übli­chen Pana­vi­si­on-Kame­ras von gro­ßem Vor­teil gewe­sen. Der visu­el­le Stil sei­ner bis­he­ri­gen Fil­me fin­det bei THE WARD aus uner­find­li­chen Grün­den kei­ne Beach­tung.

Doch kann ein Film tat­säch­lich so schlecht sein, dass er voll­kom­men am Ziel vor­bei­gru­selt? Man darf selbst THE WARD einen gewis­sen Unter­hal­tungs­wert nicht abspre­chen. Aber es ist immer noch ein Film, der eine hohe Erwar­tungs­hal­tung weckt, weil sein Hin­ter­grund bei pas­sio­nier­ten Film­gän­gern zwangs­wei­se Erwar­tun­gen her­auf­be­schwört. So oder so ist das kein Film von John Car­pen­ter. THE WARD ist ein mit­tel­mä­ßi­ger Hor­ror­film, der nichts zeigt, was man nicht schon gese­hen hat. Dass er eine exak­te Replik eines sie­ben Jah­re älte­ren Films ist, sei ein­fach mal dahin gestellt und soll­te auch kei­ne ent­schei­den­de Rol­le spie­len. Denn THE WARD ent­zieht sich allein durch sei­ne unin­spi­rier­te Insze­nie­rung jedem Ver­gleich mit ande­ren Gen­re-Ver­tre­tern. Nein, es ist kein wirk­lich schlech­ter Film. Aber er ist von einem Mann gemacht, der in den sieb­zi­ger Jah­ren für den blu­tigs­ten Film sei­ner Zeit ver­ant­wort­lich war, ohne dass man einen Trop­fen Blut zu sehen bekam. Das ver­pflich­tet und hebt die Erwar­tun­gen.

THE WARD
Dar­stel­ler: Amber Heard, Mamie Gum­mer, Dani­elle Pan­a­bak­er, Lau­ra-Leigh, Lynd­sy Fon­se­ca, Mika Boo­re, Jared Har­ris, Sali Say­ler, Suzan­na Bur­ney, Dan Ander­son, Sean Cook und Jil­li­an Kra­mer
Regie: John Car­pen­ter
Dreh­buch: Micha­el Ras­mus­sen, Shawn Ras­mus­sen
Kame­ra: Yaron Orbach
Bild­schnitt: Patrick McMa­hon
Musik: Mark Kili­an
Pro­duk­ti­onde­sign: Paul Peters
USA 2010
zir­ka 88 Minu­ten

Pro­mo-Fotos Copy­right ARC Enter­tain­ment, XLra­tor Media, A Big­ger Boat und Echo Lake Enter­tain­ment

Ban­dits Kino­sei­te: Abge­schminkt

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